Abspann:Leichtmatrosen

Prozess Freddy Quinn

Leichtmatrosen: Freddy Quinn (1962) und Florian Silbereisen (2019).

(Foto: dpa/Dirk Bartling/ZDF)

Die Kolumne über Beobachtungen aus der Medienwelt. Diesmal mit "Bild" und einem wütenden Rentner.

Von HANS HOFF

Helene Fischer? "Interessiert mich nicht." Florian Silbereisen? "Als Traumschiff-Kapitän ist er die Fehlbesetzung überhaupt. Da muss ein richtiger Kerl hin!" Sagt Freddy Quinn, 87 Jahre alt, der Bild. Die walzt gerade ein Interview mit ihm zur mehrteiligen Schimpftirade aus. Jeden Tag gibt es etwas Neues von dem Mann, der sich längst zurückgezogen hatte.

Das kaschiert Bild, indem sie ihn zur "Entertainment-Ikone" kürt. Er selbst bekennt, dass er eigentlich lebt, wie viele in seiner Altersgruppe: Er frühstückt gerne lang, schaut In aller Freundschaft oder Shopping Queen, und dann schwärmt er von den großen Zeiten, als die Dinge noch nicht so waren, wie sie jetzt sind.

Er selbst zum Beispiel. In den Sechzigern war der heutige Rentner eine Art deutscher Superstar. Im Schlager-Jahrbuch von 1966 sind ihm zwei ganze Seiten gewidmet, genauso viel Platz wie den Rolling Stones und Bob Dylan. Denn im Mai hatte er seinen Hit "Hundert Mann und ein Befehl" auf Rang eins der Bravo-Hitparade platziert und wieder das Klischee des Heimatlosen bedient. Diesmal als Soldatendarsteller, dabei war er doch vorher immer als Seemann vom Dienst getingelt, hatte Millionen Platten verkauft, die Titel trugen wie "Junge, komm bald wieder", "La Paloma" oder "Die Gitarre und das Meer".

Lässt sich prima eine Parallele ziehen zum geschmähten Traumschiff-Lenker Silbereisen, denn auch Freddy hatte für einen, der gerne den ewigen Leichtmatrosen gab, erstaunlich wenig Erfahrung mit der Seefahrt. Der Flori kann dem Freddy in der Hinsicht also durchaus das eher selten befahrene Wasser reichen. Und wenn man kein Schlagerfan ist, stellt sich doch beim Anhören der Gesangswerke beider so etwas wie mentale Seekrankheit ein. Im Mai 1966 gab es da nur einen Trost. Auf Rang zwei der Bravo-Hitparade rangierte damals ein Titel, der perfekt ausdrückte, was schon damals von der Nummer eins zu halten war. The Beatles, "He's a real Nowhere Man".

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