Süddeutsche Zeitung

Abhörskandale in Großbritannien:100 am Tag

Auch die britischen Mirror-Blätter haben Prominente belauscht - in so großem Stil, dass der Anwalt der Opfer die Vergehen der eingestellten "News of the World" in einem Londoner Prozess dagegen fast harmlos nennt.

Von Christian Zaschke, London

Zwischen Anfang 2003 und Mitte 2004 hatte der Sunday Mirror-Journalist Dan Evans nur eine Aufgabe: Er sollte täglich so viele Anrufbeantworter von Prominenten hacken wie irgend möglich.

Evans schaffte rund 100 am Tag. Mit dem illegal erlangten Material druckten Zeitungen der Mirror-Gruppe, vor allem Daily Mirror, Sunday Mirror und The People, Dutzende Geschichten. Anwalt David Sherborne sagte in dieser Woche vor dem High Court in London, verglichen damit seien die Vergehen von Rupert Murdochs News of the World (NotW) fast harmlos gewesen.

Sherborne vertritt acht Prominente, darunter die Schauspielerin Sadie Frost und der ehemalige Fußballer Paul Gascoigne, die gegen die Mirror-Blätter geklagt haben.

Bis September vergangenen Jahres hatten die Zeitungen entschieden dementiert, jemals Telefone gehackt zu haben. Mittlerweile hat die Mirror-Gruppe zwölf Millionen Pfund für Entschädigungszahlungen zurückgelegt und im vergangenen Monat eine Entschuldigung gedruckt.

2011 war durch Recherchen des Guardian bekannt geworden, dass Mitarbeiter der NotW jahrelang Anrufbeantworter von Prominenten und Opfern von Verbrechen gehackt hatten, um an Informationen zu gelangen. Besitzer Rupert Murdoch stellte das Blatt daraufhin ein.

Morgens und abend gehackt

Der Prozess gegen die Mirror-Gruppe zeigt nun, was Medienbeobachter lange vermutet haben: dass das Hacken von Telefonen nicht nur bei Murdochs NotW weit verbreitet war. Anwalt Sherborne geht davon aus, dass die Mirror-Leute sich von 1999 bis 2009 illegal Informationen beschafften.

Frost berichtet, sie fühle sich, als sei sie von einer Art Geheimpolizei überwacht worden. Eine Zeitlang wurde ihr Telefon täglich morgens und abends gehackt, weil sie mit dem Schauspieler Jude Law verheiratet und mit dem Model Kate Moss befreundet war. Das permanente Abhören führte zu mindestens 27 Artikeln. Es wird erwartet, dass das Gericht ihr eine sechsstellige Entschädigungssumme zuspricht.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2015/pak
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