Abhöraffäre bei "News of the World":Ende der großen Freiheit

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Nach der Abhöraffäre der Zeitung News of the World wird heute darüber diskutiert, ob die Medien gesetzlich reguliert werden sollen. (Foto: Getty Images)

Mehr als zwei Drittel der Briten wollen die Presse staatlich regulieren. Nachdem Journalisten der "News of the World" jahrelang Telefone von Prominenten und Bürgern abgehört haben, stellt Lordrichter Leveson seinen Untersuchungsbericht vor.

Von Christian Zaschke, London

David Cameron und einige Regierungsmitglieder haben den Bericht bereits am Mittwoch erhalten, der Rest des Parlaments, die Presse und die Öffentlichkeit müssen bis diesen Donnerstagmittag warten: Um 13:30 Uhr britischer Zeit wird der Lordrichter Brian Leveson die Ergebnisse seiner Untersuchung über die Ethik und das Verhalten der Presse vorstellen - und eine Empfehlung darüber abgeben, wie die Presse Großbritanniens künftig reguliert werden soll.

Ein Jahr lang hatte Leveson knapp 400 Zeugen angehört, unter ihnen Premier David Cameron, Medienmogul Rupert Murdoch, Schauspieler Hugh Grant sowie reihenweise Figuren des öffentlichen Lebens, die unter den Zudringlichkeiten der Boulevardmedien gelitten hatten. Cameron selbst hatte die Untersuchung Mitte 2011 angeordnet, nachdem offenbar geworden war, dass Rupert Murdochs Zeitung News of the World (NotW) jahrelang die Telefone von Prominenten und Opfern von Verbrechen abgehört hatte. Murdoch hatte die NotW daraufhin kurzerhand eingestellt; die Folgen des Skandals betreffen nun die gesamte britische Presse. Seit Tagen laufen im Land erbitterte Debatten darüber, was Leveson vorschlagen und was davon umgesetzt werden sollte. In allen politischen Parteien herrscht Uneinigkeit.

Cameron und sein liberaldemokratischer Stellvertreter Nick Clegg bereiten zwei verschiedene Stellungnahmen zum Leveson-Report vor. Die Diskussionen drehen sich im Wesentlichen darum, ob die Presse künftig gesetzlich reguliert werden soll. Cameron neigt dazu, keine staatliche Intervention zuzulassen, Clegg will, ebenso wie Labour-Chef Ed Miliband, eine gesetzliche Regelung. Im Parlament kursieren derzeit zwei verschiedene Briefe, in denen für die beiden Positionen geworben wird. Beide Briefe sind sowohl von Konservativen als auch von Mitgliedern der Labour-Partei unterschrieben worden. Ursprünglich war es Camerons Hoffnung gewesen, in der Sache überparteiliche Einigkeit herzustellen. Nun sieht er sich mit überparteilicher Uneinigkeit konfrontiert.

Auflagen einer unabhängigen Regulierungsbehörde

Es wird erwartet, dass Brian Leveson empfiehlt, sämtliche Zeitungen gesetzlich dazu zu verpflichten, sich den Auflagen einer unabhängigen Regulierungsbehörde zu unterwerfen. Kritiker warnen, dass dies de facto eine Lizenzierung für die Presse bedeute - diese sei jedoch aus gutem Grund 1695 abgeschafft worden. Insbesondere die Opfer der Exzesse der Boulevardpresse befürworten jedoch genau dies. Sie haben in Hugh Grant einen prominenten Sprecher gefunden. Der Schauspieler argumentiert, alle Formen der Selbstregulierung hätten sich als wirkungslos erwiesen. "Die Menschen wollen das Ende von Zeitungen, die sich selbst regulieren. Das hat letztlich dazu geführt, dass Telefone abgehört und Polizisten bestochen wurden und manche Zeitungen zu großen Einfluss auf die Regierung hatten", sagte Grant.

Ursprünglich hatte Cameron angekündigt, Levesons Empfehlungen vollständig umsetzen zu wollen. Mittlerweile sieht er, dass er auf Widerstand in seiner eigenen Partei treffen könnte - und in der Presse. Die britischen Zeitungen lehnen eine gesetzliche Kontrolle einhellig ab. Sie favorisieren zwei, vom Staat unabhängige Modelle: entweder eine Form der Selbstregulierung durch einen Presserat, der zu gleichen Teilen mit Zeitungsleuten und Laien besetzt ist. Oder eine Form der Selbstregulierung durch einen Rat, der unabhängig besetzt ist. Das erste Modell bevorzugen die meisten Boulevardblätter, für das zweite sprechen sich die Financial Times, der Guardian und der Independent aus.

Die britische Öffentlichkeit hat von Selbstregulierung allerdings wohl genug. Laut einer Umfrage des Instituts YouGov wollen 79 Prozent der Befragten, dass die Regulierung der Presse gesetzlich geregelt wird. Knapp zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, dass die Empfehlungen von Brian Leveson vollständig umgesetzt werden - was auch immer der Richter vorschlägt. Nach Ansicht der meisten britischen Journalisten steht Cameron vor einer seiner wichtigsten Entscheidungen. Der Independent spitzt die Frage wie folgt zu: "Soll Großbritannien weiterhin eine freie Presse haben? Oder soll sie erstmals von Gesetzen reguliert werden?"

© SZ vom 29.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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