Abendzeitung:Radikaler Jobkahlschlag

Gerüchteweise rumort es schon länger, jetzt ist es offiziell: Bei der Münchner Abendzeitung sollen 22 Stellen und 40 Mitarbeiter abgebaut werden. Für die Angestellten ist die Kündigungswelle ein "Blutbad".

Marc Felix Serrao

Der Münchner Abendzeitung steht ein massiver Stellenabbau bevor. Geschäftsführer Dieter Schmitt informierte die Mitarbeiter am Montagmorgen, dass 22 der derzeit rund 80 Stellen in der Redaktion abgebaut würden - ein Viertel. Grund sei die "schwierige wirtschaftliche Situation", wie Schmitt und Chefredakteur Arno Makowsky in einer gemeinsamen Pressemitteilung erklärten.

Die traditionsreiche Boulevardzeitung werde sich "künftig noch mehr als bisher auf ihre größte Stärke, die Lokalberichterstattung aus München, konzentrieren", hieß es. Dazu sei ein neues redaktionelles Konzept entwickelt worden. Noch umfangreicher als der Verlust an Stellen bei der Abendzeitung ist der Verlust an Mitarbeitern. Die 22 Posten, die in den kommenden Monaten wegfallen, teilen sich durch Teilzeitarbeit insgesamt 29 Redakteure, bestätigte Makowsky der SZ.

Dazu kommen befristete Verträge, die auslaufen und nicht erneuert werden. Außerdem haben einige Redakteure das Blatt nach den ersten Kündigungsgerüchten Ende 2009 bereits verlassen oder werden noch gehen. Alles zusammen ergibt das, wie die SZ erfuhr, einen Verlust von 40 der insgesamt rund 90 Mitarbeiter - also fast die Hälfte. Laut Geschäftsführer Dieter Schmitt wird nicht strikt nach Sozialplan gekündigt; man habe vielmehr Altersgruppen gebildet, um die Redaktionsstruktur aus erfahrenen und jungen Leuten beizubehalten.

Dass der Abendzeitung Kürzungen bevorstünden, darüber war schon seit Monaten spekuliert worden. Das Blatt hat in den vergangenen Jahren viele Leser verloren. Die Verkaufsauflage, die Anfang 2008 bei rund 157.000 Stück lag, betrug Ende 2009 nur noch 137.000.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was sich für die, die bleiben, ändern wird.

"Blutbad" sorgt für miese Stimmung

Für die Redakteure, die bleiben, wird sich die Arbeit stark verändern. Sie werden künftig vieles erledigen, wofür bisher andere zuständig waren. Etwa das Layout: Da das halbe Grafikteam entlassen wird, müssen sich die Schreiber nun auch um diese Arbeit kümmern. Die Bildredaktion, die Aufnahmen aussucht und Fototermine koordiniert, wird ganz aufgelöst: drei Stellen weniger. Zusätzlich müssen drei feste Fotografen gehen.

In der Redaktion ist die Stimmung erwartungsgemäß mies. Von einem "Blutbad" ist die Rede. Viele fragen sich, wie sie künftig noch vernünftig arbeiten sollen. Chefredakteur Makowsky sagt, er werde das Blatt "stärker als bisher lokal ausrichten" - sofern das bei einem solchen Personalschwund noch möglich ist. Dazu werde die Redaktion "stärker ressortübergreifend" arbeiten.

Apropos Lokales. Ein umfangreiches, gut gemachtes Serviceangebot, das die Abendzeitung erst kürzlich auf den Markt brachte, fällt den Kürzungen ebenfalls zum Opfer: Die Stadt. Diese "Zeitung in der Zeitung" mit Münchner Veranstaltungstipps kam dem Vernehmen nach bei Lesern gut, bei Anzeigenkunden aber nicht so gut wie erhofft an. Der Inhalt gehe dennoch nicht verloren, betonte Makowsky nun, er werde in dem "neuen, großen Lokalteil" aufgehen.

Eine weitere Sparmaßnahme betrifft Servicethemen wie Gesundheit, Garten oder Technik. Geschäftsführer Dieter Schmitt sagte der SZ, dass das Blatt plane, hier verstärkt Inhalte von Agenturen einzukaufen. Bei Reisethemen geschehe das bereits. Künftig sei es überall dort denkbar, "wo kein ureigenes Know-how der Redaktion gebraucht wird".

Die Abendzeitung ist im Besitz der Münchner Verlegerfamilie Friedmann, die auch mit 18,75 Prozent am Süddeutschen Verlag (Süddeutsche Zeitung) beteiligt ist.

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