Süddeutsche Zeitung

True-Crime-Produktion:Keine "typisch geschockte Familie"

Die Serie "A Confession" überzeugt mit herausragender Besetzung - und fragt, ob etwas, das juristisch gesehen falsch ist, moralisch richtig sein kann.

Von Elisa Britzelmeier

Der Kommissar ist fast am Ziel. Der Mörder hat gestanden, hat ihn zu dem Ort gebracht, an dem er die Leiche beseitigt hat. Sie sitzen im Auto, sie rauchen, sie schauen in die Landschaft. Und der Mörder fragt: "Wollen Sie noch eine?" Es ist eine Frage, die den Kommissar zum Helden machen könnte. Sie wird ihm zum Verhängnis.

Die prominent besetzte britische Serie A Confession beruht auf einem wahren Kriminalfall und dreht sich um die Frage, wann etwas moralisch richtig sein kann, obwohl es juristisch falsch ist. In einer englischen Kleinstadt verschwindet eine junge Frau namens Sian, die Suche bleibt erfolglos, bis sich ein besonders engagierter Ermittler (Martin Freeman) der Sache annimmt. Eine klassische Ausgangslage, so konventionell erzählt, dass sich die Serie nach den ersten zwei Folgen anfühlt wie die britische Version eines mittelguten Tatorts. Man muss natürlich an Watson denken, wie man Martin Freeman als Detective Superintendent Steve Fulcher beim Schlussfolgern zuschaut, und wünscht sich kurz Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes an seine Seite.

Doch dann geht die eigentliche Geschichte erst los. Superintendent Fulcher findet den Mörder (Joe Absolom), der führt ihn zu einer zweiten Leiche. Noch einer. Schon wird Fulcher von den Kollegen für die Überführung eines Serientäters gefeiert. Doch nicht lang: Der Kommissar hat den Täter nicht ausreichend über seine Rechte aufgeklärt. Indem er sich den Ort der zweiten Leiche zeigen ließ, hat er dem Mörder ohne anwaltlichen Beistand ein Geständnis entlockt. Und damit einen schweren Fehler gemacht, obwohl er das Beste im Sinn hatte.

Der echte Fulcher, so viel kann verraten werden, verließ den Polizeidienst und schrieb ein Buch über den Fall. Das große Glück ist, dass A Confession nun eben nicht allein diese Heldengeschichte weitererzählt. Sondern den Blick auf die Angehörigen der getöteten Frauen richtet. Da ist Imelda Staunton als Mutter, die ihre Tochter seit Jahren vermisst. Trotzdem hat sie zu deren Geburtstag Kuchen gebacken, Kerzen angezündet, es klingelt, aber statt der Tochter steht die Polizei vor der Tür. Da ist die Familie der verschwundenen Sian: die Eltern, die trotz Trennung zusammenstehen, während die Möglichkeiten, wo die Tochter sein könnte, weniger und weniger werden. Die Mutter (Siobhan Finneran), die nicht Teil der "dieser typisch geschockten Familie" sein will, als sie vor die Presse treten müssen. Der Freund (Charlie Cooper), der fragt, ob er die Hand der Toten halten kann, wenigstens ein bisschen.

Allein schon wegen der herausragenden Schauspielerinnen und Schauspieler lohnt es sich, A Confession nicht vorschnell aufzugeben. Vor allem aber wegen der Art, wie hier vom Leiden erzählt wird (Drehbuch: Jeff Pope, Regie: Paul Andrew Williams). Sehr langsam kriecht den Familien die Gewissheit ins Bewusstsein, dass sie ihre Töchter nie wiedersehen werden. Spürbar wird nicht nur das Dilemma des Ermittlers. Sondern auch, wie sich solche Verluste anfühlen. Dass sie womöglich nie überwunden werden können. Das macht die Serie so traurig und erschütternd. Und so stark.

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SZ vom 17.02.2020
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