40 Jahre Radiosender Bayern 3:Gottschalks Talentschmiede

Mit flotten Sprüchen hat Thomas Gottschalk den Radiosender Bayern 3 in den Siebzigern populär gemacht, es wurde eine Hassliebe auf Zeit - ein Blick auf 40 Jahre Hörfunkgeschichte.

Christina Maria Berr

Heute schwer vorstellbar: In den 80er Jahren saßen Jugendliche gebannt vor dem Radio, den Finger auf der Record-Taste des Kassettenspielers, um nicht die ersten Takte zu verpassen. Songs, die Moderator Thomas Brennicke in seiner Radiosendung Schlager der Woche ankündigte, nahmen Musikfans bayernweit auf.

40 Jahre Bayern 3

"Autobahn München-Nürnberg, fünf Kilometer Stau vor der Abfahrt Eching. Wegen Ikea dort. Wird sicher bald Elching heißen": mit lockeren Sprüchen startete Thomas Gottschalk seine Karriere beim BR. Die B-3-Radioshow gilt vielen bis heute als legendär.

(Foto: Foto Sessner)

Bayern 3 ist damals die einzige bayerische Welle mit poppigen Musiksendungen. Konkurrenz kommt allenfalls aus Österreich, aber Ö3 empfängt man nur in Südbayern. "Diese Musiksendungen waren Inseln von wenigen Stunden für die Jungen, die Rock und Pop oder auch Soul gut fanden", sagt B-3-Moderator Fritz Egner. Das aber hätten manche Obere des Bayerischen Rundfunks als Untergang des Abendlands empfunden.

Schließlich hatten sie den Sender einst anders konzipiert: Er sollte die bundesweit erste Servicewelle werden - und richtete sich vor allem an Autofahrer. Mit diesem Anspruch ging Bayern 3 am 1. April 1971 auf Sendung. Mit dem mittlerweile Kult gewordenen Verkehrssignal Da-dam-da-dam-da-daaaa-daaaa, auch "Sigi" genannt, einer Verfremdung der Melodie vom "Alten Peter", starteten Nachrichten für Autofahrer, oder, wie Egner sagt: "Die Meldungen vom ADAC waren damals wichtiger als das Neueste aus der Musikszene." Dazu passte eine der ersten Sendungen: Gute Fahrt und gute Reise (1971) mit Lotti Ohnesorge.

Die Infos waren umfassend, Auflasszeiten für Brieftauben, Lawinenlagen und Segelflugwetter wurden durchgegeben. Dazwischen gab es zunächst vor allem unmoderiertes Programm. Doch das änderte sich, Servicesprecher wurden mehr und mehr zu Moderatoren.

Einer von ihnen ist Thomas Gottschalk. Der hatte sich 1970 zunächst bei Bayern 2 beworben - "man merkt es Euren Discjockeys an, dass Ihr sie per Fragebogen sucht", so seine Worte - und wollte im Club 16 mitmischen. Doch beim BR findet man, er solle erst einmal Abitur machen. Ein Jahr später kommt er tatsächlich wieder - als Stationssprecher bei B 3, wie Bayern 3 damals noch heißt.

Hassliebe auf Zeit

Er ist flapsig, direkt, witzig. Seine Verkehrsmeldungen werden legendär: "Autobahn München-Nürnberg, fünf Kilometer Stau vor der Abfahrt Eching. Wegen Ikea dort. Wird bald Elching heißen." Die Hörer finden das witzig, einige Senderverantwortliche eher weniger. Doch sie müssen schließlich einsehen: Gottschalk kommt an - er erhält 1977 eine eigene Sendung. Pop nach acht läuft zunächst wochentags, zwei Jahre später auch am Wochenende. Das schien seiner Frau Thea wohl etwas viel zu sein, erklärt Egner: "Sie wollte auch mal wieder mit ihm ins Kino gehen." Sie empfiehlt kurzerhand Egner. Dieser moderiert zunächst den Pop Club, vertritt später Gottschalk und bekommt schließlich 1985 seine legendäre Show: Fritz & Hits ist heute noch im Programm.

Gottschalk hingegen verlässt zwischendurch frustriert den Sender. Sein Vorbild ist der SWF 3: "Sobald es diese Form von Radio beim Bayerischen Rundfunk geben wird, bin ich wie der Blitz zurück." Nach einem Jahr wird er für Thommys Radio-Show zurückgeholt. Doch immer wieder schimpft er im Laufe seiner BR-Karriere über Senderchefs ("Im Funkhaus laufen einige Pfeifen rum") und den Rundfunkrat ("eine Mischung aus Elferrat und Zentralkomitee"). Es wird eine Art Hassliebe auf Zeit.

Dabei gelten Gottschalk wie Günther Jauch heute als die prominentesten Gesichter von B3. Jauch wollte zu seinem Vorbild Gottschalk. Seit 1977 beim Sender, kümmert er sich dort von 1979 an vier Jahre lang um das B3 Morgentelegramm. Als er auf Recherche entdeckt, dass ein Wiesnwirt aus einem 200-Liter-Fass 289 Maß Bier zapfen lässt, macht Jauch zum ersten Mal bundesweit Schlagzeilen. Überhaupt darf sich die Welle durchaus als Talentschmiede sehen, so manche heutige Mediengröße begann dort ihre Karriere, wie Sandra Maischberger und Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig.

Einige Moderatoren kehren später dem Radio den Rücken, andere wie Egner bleiben dem Sender treu. Doch am längsten, nämlich 36 Jahre, hat es bislang Jürgen Herrmann, bekannt als Mister Music, ausgehalten. Er hat erlebt, wie sich im Mai 1985 auf einmal große Konkurrenz regt: Privatsender gehen an den Start, B3 verliert an Reichweite und Hörern.

Da muss Gottschalk wieder her. Und kümmert sich noch einmal mit Günther Jauch in der Radioshow und dem anschließenden Radioreport darum, junges Publikum wiederzugewinnen. Der eine plaudert über Musik, der andere fokussiert sich auf Politik und Aktuelles. Die Übergaben zwischen den Sendungen werden legendär. Gottschalk stichelt gegen Jauch ("Der Kragen passt zur Hose, das gab's in den letzten fünf Jahren nicht"), Jauch stichelt zurück.

"Formatierungswahn ohne Ecken und Kanten"

Es dauert bis 1989, dann ist die Zeit von Gottschalk und Jauch bei B 3 vorbei - und die Zeiten besonders individueller Sendungen auch erst einmal. In den Neunzigern wird der Musikstil vereinheitlicht. Damit ist das Programm für ein breiteres Publikum ausgelegt. Doch mittlerweile hat man wohl eingesehen, dass der "Formatierungswahn ohne Ecken und Kanten", wie Egner formuliert, auf Dauer langweilig ist. Es geht wieder mehr um die Persönlichkeiten der Moderatoren, ihren Stil. Damit will man an die erfolgreichen Jahre anknüpfen.

Der Sender erlebte damals seinen Höhepunkt: Mehr als 53 Prozent Marktanteil hatte er in den Achtzigern, heute - 26Jahre nach der Einführung der Privatradios - liegt er bei 22,5 Prozent. Dennoch darf er als erfolgreich gelten: 2010 hatte der Sender einen Zuwachs von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Mehr als 2,7 Millionen schalten das Programm täglich ein - und das 168 Minuten.

Diese hören besonders gern die Frühaufdreher wie auch die Nachmittagsshows von Susanne Rohrer und Katja Wunderlich, die Talksendungen von Thorsten Otto, Brigitte Theile und Matthias Matuschik am Abend. Das Publikum ist mitgewachsen, der Bayern-3-Hörer durchschnittlich 41 Jahre alt - also nur wenig älter als die Welle.

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