30 Jahre Schimanski:"Nutten, Zuhälter, Verrückte"

Er war der Kommissar für die 68er Generation, zwar Polizist, aber im Daueraufstand gegen "den Apparat": Horst Schimanski, verkörpert von Götz George. Vor 30 Jahren wurde die erste Folge ausgestrahlt. Ein Rückblick.

Schon der Anfang war eine Zumutung für jeden deutschen Fernzuschauer, der bei dem Wort "Kommissar" an einen vertrauenswürdigen älteren Herrn im Trenchcoat dachte. Da schmiss jemand seinen Fernsehapparat aus dem Fenster, und dieser neue Tatort-Kommissar - ein schnauzbärtiger Schlunz - rief ihm zu: "Was machst du, du Idiot? Hör auf mit der Scheiße!" Man schrieb den 28. Juni 1981. Es war die Geburtsstunde Horst Schimanskis.

Vor 30 Jahren ermittelte der Duisburger 'Tatort'-Hauptkommissar Horst Schimanski erstmals im deutschen Fernsehen

Vor 30 Jahren ermittelte der Duisburger Tatort-Hauptkommissar Horst Schimanski (Götz George) erstmals im deutschen Fernsehen.

(Foto: dapd)

30 Jahre ist das nun her. Damals ging ein Aufschrei durch Teile der Presse. "Werft den Prügel-Kommissar aus dem Programm", forderte eine Ruhrgebietszeitung. "Der Ruhrpott kocht: Sind wir alle Mörder und Trinker?", fragte ein großes Boulevardblatt. Und der Leiter der Duisburger Mordkommission erklärte: "Bei mir dürfte dieser Mann nicht mal Fahrrad-Diebstähle bearbeiten." Die Duisburger CDU wollte im Abspann den Dank an die Stadt Duisburg gestrichen sehen, schließlich würden da nur die hässlichsten Ecken gezeigt. Allein die taz jubelte: "Solche Bullen braucht das Land!"

Der Regisseur Hajo Gies, einer der Erfinder Schimanskis, hatte genau das kommen sehen. "Wir waren auf Zoff aus", sagt er. Ebenso wie Schimanski-Darsteller Götz George wollte er einen Gegen-Derrick entwerfen. Es sollte ein Polizist sein, der nicht nur gegen Verbrecher kämpft, sondern auch gegen die Mächtigen, gegen die Herrschaftsstrukturen. Ein Proletarier in Cowboystiefeln, beige-grauer US-Feldjacke und sehr hellen Röhrenjeans. Einer, der sich erst mal drei rohe Eier ins Glas haut und runterkippt. Kurz, der erste Bulle, mit dem sich die 68-er Generation voll identifizieren konnte.

"Wir hatten uns ausgerechnet, dass wir das vielleicht drei Folgen durchhalten könnten", erinnert sich Gies. "Danach wäre Schluss. Deshalb hieß der dritte Teil auch Der unsichtbare Gegner. Das war abstrakt gemeint: Die Gegner saßen in den Fernsehanstalten." Aber dann waren die Einschaltquoten schon dermaßen gut, dass Schimanski weitermachen konnte.

Auf Händen getragen wurde der "Schmuddel-Kommissar" von der Duisburger Arbeiterschaft. Der damalige SPD-Oberbürgermeister Josef Krings, heute 86, weiß zu berichten, dass George im Stadtteil Rheinhausen auch schon mal großzügig in die Streikkasse einzahlte. "Mir ist so manches Erlebnis mit Götz George in Erinnerung geblieben", sagt Krings. "Zum Beispiel wie er einmal eine Schrebergartenkolonie besuchte. Da hat er sich lange mit den Kleingärtnern unterhalten, aber ganz leise, ganz ruhig. Er kann sehr behutsam sein im Umgang mit Menschen."

Der Gegenpol zu den 68ern - der deutsche Spießbürger - wurde in den Schimanski-Tatorten durch den Fliege tragenden Hauptkommissar Christian Thanner verkörpert, dargestellt von Eberhard Feik. "Mensch, Horst" war das Pendant zu "Harry, hol schon mal den Wagen". Nachdem die Presse immer wieder kritisiert hatte, dass Schimanski so oft "Scheiße" sagte, führte Thanner zeitweise selbst eine Strichliste darüber. "Das Paar Schimanski/Thanner war die Urzelle für den Erfolg der heutigen Münster-Tatorte", sagt der damalige WDR-Fernsehspielchef Gunther Witte.

Viele Dialoge zwischen den beiden sind heute ein Hit bei YouTube. Schimanski: "Was quatscht du mich so blöd an, du Spießer, nur weil ich 'ne Fahne habe?" Thanner: "Das hab ich jetzt eben nicht verstanden, was du gesagt hast." Oder der berühmte Wutausbruch von Thanner, als Schimanski lauter Huren mit auf die Wache bringt: "Mich kotzt das an, der ganze Laden hier! Nutten, Zuhälter, Verrückte. Ich will Ordnung - und Ruhe!" Aufschlussreich ist, dass auch die Linken den Spießbürger Thanner nach und nach richtig ins Herz schlossen. In gewisser Weise spiegelte dies die zunehmende Konsens-Orientierung der Bundesrepublik, das Aufweichen des Lagerdenkens.

Es gab aber auch noch einen Dritten im Bunde, den Holländer Hänschen (Chiem van Houweninge). Er symbolisierte das belastete Verhältnis der Deutschen zum Ausland. Gies: "Da die Holländer die Deutschen ja nicht so gerne mögen, konnte man da so leicht ironisieren, indem der eine immer Bemerkungen über das Land des anderen machte." Bei einem Abstecher nach Holland polterte Schimanski zum Beispiel: "Was ist das denn für ein Scheißland?" Darauf Hänschen: "Ja, ich habe auch nie verstanden, warum die Deutschen das besetzen wollten."

Bis heute kehrt Schimanski, nun längst in Rente und wohnhaft auf einem belgischen Hausboot, ab und zu nach Duisburg zurück. Doch sonst ist vieles anders: Thanner ist 1994 mit seinem wunderbaren Darsteller Eberhard Feik gestorben. Die Duisburger Industrie gibt's nur noch als Kulturdenkmal, Stahlkessel und Hochöfen sind stillgelegt, der Innenhafen wird gerade zum Szenetreff umgemodelt. Und der Horst? Der macht trotzdem immer noch die Drecksarbeit, kämpft gegen arrogante Anzugträger und bestellt sich in den Pausen seine Pommes Rotweiß.

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