30 Jahre Privatfernsehen:Weg mit den Kupplern, her mit den Originalen

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Josef und Narumol , Bauer sucht Frau

Josef und Narumol - das wohl bekannteste Paar aus RTLs Bauer sucht Frau.

(Foto: RTL, "Bauer sucht Frau")

Ganz schön bunt hier: Das Privatfernsehen hat in Deutschlands TV-Landschaft eine Menge verändert - leider selten zum Besseren. Zum 30. Geburtstag hätten wir ein paar Wünsche.

Am 1. Januar 1984 war es soweit, die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Deutschlands bekamen werbefinanzierte Konkurrenz; das Privatfernsehen ging auf Sendung. Die Programmgesellschaft für Kabel und Satellitenrundfunk (PKS, Vorgänger von Sat 1) startete zu Jahresbeginn, einen Tag später nahm RTL plus mit Sitz in Luxemburg den Sendebetrieb auf.

Seitdem hat sich eine Menge getan: Kritiker schmähen regelmäßig und oftmals zurecht die Niveaulosigkeit der Privatsender, als Kontrast zum starren Konstrukt des öffentlich-rechtlichen TV sind sie mittlerweile dennoch schwerlich wegzudenken. Zum 30. Geburtstag hätten wir trotzdem - oder gerade deshalb - ein paar Wünsche an RTL, Pro Sieben und Co.:

Respekt vor dem Grundgesetz, Artikel 1, Absatz 1 ("Die Würde des Menschen ist unantastbar")

Das deutsche Fernsehen ist durch den Sendestart der Privatsender vor 30 Jahren viel bunter und um manches Format reicher geworden, doch leider nicht immer zum Nutzen der Gesellschaft - im Gegenteil: Vor allem die Doku-Soaps sind oft menschenverachtend.

Sendungen wie Schwiegertochter gesucht, Bauer sucht Frau (beide RTL) oder Extrem schön (RTL 2) stellen die Schwächsten der Schwachen an den Pranger, damit sich die tieferen Bildungsschichten ausnahmsweise mal überlegen fühlen dürfen. Der Lächerlichkeit preisgegeben, werden die Menschen mit den dargestellten Schicksalen ihrer letzten Würde beraubt, doch genau darauf wollen die Sender hinaus. Es kam schon vor, dass Bewerber für eine Sendung abgelehnt wurden, weil sie "nicht asozial genug" waren. Das Argument der Sender, die Leute würden sich freiwillig melden, ist scheinheilig, denn diese Leute erliegen den Verlockungen einer Prominenz, von der sie fälschlicherweise glauben, profitieren zu können. Zudem wird oft genug Druck auf sie ausgeübt.

Wenn das Privatfernsehen im 31. Jahr seines Bestehens noch solche Strategien braucht, läuft grundsätzlich was falsch.

(Paul Katzenberger)

Endlich große eigene Serien

Man kann es bald nicht mehr hören, aber es bleibt wahr. Was uns US-Sender in den vergangenen Jahren an Geschichten gebracht haben, ist spektakulär. Sopranos, The Wire, Boardwalk Empire, Mad Men, Homeland, Breaking Bad, Lost, House of Cards und viele mehr - Sender investieren Geld und Vertrauen in Kreative, die so teils irrsinnig lange und verschlungene Geschichten auf den Bildschirm bringen können. Detailverliebt, mit großartiger Besetzung und Ausstattung. Wer mag, denke hier kurz an seine eigene aktuelle Lieblingsserie - die Chancen stehen nicht schlecht, dass auch diese zuerst bei HBO, ABC und Konsorten lief.

Der Blick auf die Serienproduktion heimischer Privat- und Pay-Sender ist dagegen ernüchternd. Wer hier loben möchte, kann auf einzelne Highlights wie den Büro-Wahnsinn von Stromberg (Pro Sieben) verweisen. Doch selbst Stromberg ist laut Abspann von der britischen Serie The Office "inspiriert" und außerdem Comedy, kein ehrgeiziges Epos. Das Publikum für aufwendige Geschichten ist da. Nun liegt es an den deutschen Privatsendern, sich endlich zu trauen und neben all den Soaps, Krimi- und Comedy-Serien den eigenen großen Wurf im Bereich Drama zu liefern.

(Irene Helmes)

Am Samstagabend geht viel mehr

Das Lagerfeuer brennt schon längst nicht mehr, ganz selten sind vielleicht noch ein paar letzte Funken zu sehen. Die Nation schart sich am Samstagabend nicht mehr vor dem Fernseher wie anno dazumal, das Konzept der großen, alle Zuschauergruppen gleichermaßen erreichenden Samstagabendshows ist tot. Bei ARD und ZDF ist das vielfach noch nicht angekommen, die einen hoffen auf Florian Silbereisen, die anderen klammern sich an Wetten, dass..?. Und genau da wäre der Punkt, an dem die private Konkurrenz ansetzen müsste - aber sie tut es nicht.

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