Streaming:Der Tod steht ihm zu gut

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Die Chefermittlerin und ihr wichtigster Mann, der wegen seiner komplexen Persönlichkeit zugleich ihr größtes Problem ist: Tara Schöll (Shadi Hedayati) und Maximilian Rapp (Franz Dinda) an einem Tatort. (Foto: Volker Roloff/Joyn)

Ein psychisch kranker Mann wird zum Gehilfen der Polizei: "23 Morde" ist eine Serie voller Überraschungen, die auf einem manchmal zu schmalen Grat wandelt.

Von Clara Lipkowski

Nicht oft sitzt ein Serienmörder grinsend in einem Berliner Gerichtssaal, nachdem er gestanden hat und weiß, dass er eigentlich bis zum Sankt Nimmerleinstag im Gefängnis einsitzen wird. Maximilian Rapp (gespielt von Franz Dinda) hat 23 Menschen umgebracht. Sagt er jedenfalls. Der Oberstaatsanwalt fragt ihn immer wieder nach seinen Motiven. Er antwortet genervt mit Nullaussagen, wie: Weil er es kann oder das Opfer so schön war oder so alleine. Er wird verurteilt, die Polizei feiert ihren Erfolg.

Um 23 Morde geht es also, danach ist auch die Serie benannt, die ab diesem Montag auf Joyn zu sehen ist. Rapp ist der eiskalt wirkende Fiesling am Rande zum Wahnsinn, jedenfalls deutet sein diabolisches Grinsen darauf hin, doch bald wird klar: Ein Serienkiller ist er nicht, zu viele Indizien sprechen dagegen. Doch weil er hypersensibel ist und damit ein besonderes Gespür für Tatorte und menschliche Abgründe besitzt, darf er der Berliner Polizei bei der Suche nach den wahren Mördern helfen.

Dass ein Psychopath mit der Polizei ermittelt - neu ist diese Idee nicht. In 23 Morde geht Rapp mit den Ermittlern an die Tatorte, fühlt sich dort ein oder spielt die Taten mit den anwesenden Ermittlern nach, um den wahren Täter zu finden. Mal legt sich die Chefermittlerin Tara Schöll (Shadi Hedayati) dafür in einen Sarg, mal in ein Bett. Das ist ebenfalls nicht wirklich originell, trotzdem überrascht die Serie an der ein oder anderen Stelle. Nämlich mit Humor. Natürlich ist die Serie ernst, es gibt tropfendes Blut und ein wenig Action, auch immer mal wieder packende Wendungen, und es gibt Schöll, die sich für ihre riskante Arbeitsweise und ihr Vertrauen in den hypersensiblen geständigen Nicht-Mörder permanent rechtfertigen muss. Aber Dinda alias Rapp gibt all dem Seriösen einen neuen Ton, wenn er bei der Tätersuche mitmischt, macht er das ziemlich unterhaltsam und am besten, wenn er das trotzige Kind gibt oder den Provokateur. Den Ermittlerkollegen der Chefin und Liebhaber Henry Kloss (Bernhard Piesk) provoziert er ununterbrochen und das teils sehr absurd - einmal hält er ihm eine Puppe ins Gesicht und kreischt, was sehr unerwartet geschieht und dadurch ziemlich lustig ist. Ein paar Mal liefert er sich mit einer Polizistin, die ihn bewachen soll, ein verbales Ping-Pong, das wohl zum komischsten Dialog aller sechs Folgen wird. Doch da recht bald klar ist, dass ihm für seine Art immer irgendwann irgendjemand eins überziehen wird, schweift man dann, wenn es dann tatsächlich wieder soweit ist, ein wenig mit den Gedanken ab.

Die Serie war vor vier Jahren schon fertig, der Sendetermin wurde mehrmals aufgeschoben

Hinzukommt, dass bei der Aufklärung der Taten die Serie leider ein paar Mal zu oft mit dem Zaunpfahl winkt, wenn der Zuschauer sich eigentlich die Frage stellen soll: Ist er jetzt wirklich ein mordender Psycho, der die Tat nun (noch mal) begeht, zum Beispiel als er mit einem Mörser über der Ermittlerin steht - oder handelt er wirklich im Guten und will den Fall klären? Das Problem dabei: Die Spannung, die in genau diesen Szenen entstehen sollte, bleibt aus, seitdem Rapp im Lauf der Sendung immer mehr zur komischen Figur wurde.

Trotz dieser Mankos wird die Serie nach hinten heraus interessanter, weil die Fälle besser erzählt werden. Zum Beispiel wenn der Suizid von Schölls Vater thematisiert wird oder das Ehepaar, das vordergründig einvernehmlichen Sex hat, immer tiefere Abgründe seiner Partnerschaft offenbart. Die Fälle werden also durchaus spannender, nur eben nicht in den Momenten, wenn Rapp zum Beispiel am Tatort mit der Mordwaffe hantiert. Man wird nicht so recht schlau aus dieser Gratwanderung; der Humor, der die Serie interessant macht, entzieht ihr zugleich die Daseinsgrundlage als ernstgemeinte Krimiserie. Dabei war sie Sat 1 vor vier Jahren, als sie abgedreht wurde, noch zu ernst. Man schob die Ausstrahlung mehrmals auf, fand nicht den geeigneten Sendeplatz. Nun, da Sat 1 mit Joyn auch einen Streamingdienst betreibt, hat man sie wieder aus der Schublade geholt. Ob sie aber auf dem umkämpften Streaming-Markt mithalten kann, scheint fraglich.

23 Morde , ab 19. August auf Joyn.

© SZ vom 19.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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