20 Jahre "Alarm für Cobra 11":Erfolgsmodell Massenkarambolage

Lesezeit: 3 min

Nie um einen flotten Spruch verlegen: Erdoğan Atalay (l.) und Daniel Roesner am Set von Alarm für Cobra 11. (Foto: Getty Images)

Autobahn-Stunts, Explosionen, lässige Sprüche: Warum hat "Alarm für Cobra 11 - die Autobahnpolizei" mit diesem Rezept so lange überlebt? Ein Setbesuch.

Von Christoph Löbel, Hürth

Auch die härtesten TV-Bullen Deutschlands müssen manchmal unspektakuläre Aufgaben erledigen: Am Set der mittlerweile 312. Folge von Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei stehen die sonst so spektakulär geschrotteten Karossen still, die Feuerlöscher bleiben in der Ecke. Zwischen Schreib- und Konferenztischen, Aktenschränken und einem an die Wand getackerten Urlaubsplan sitzen die Hauptdarsteller Erdoğan Atalay und Daniel Roesner. Sie tun, als würden sie dröge Akten wälzen. Büroalltag steht auf dem Drehplan.

Vor 20 Jahren, am 12. März 1996, ging Alarm für Cobra 11 mit dem Pilotfilm "Bomben bei Kilometer 92" auf RTL in Serie. Zehn Millionen Zuschauer sahen damals zu, wie im deutschen Fernsehen eine neue Actionkultur geboren wurde: Schicke Autos explodieren in Massenkarambolagen inmitten brennender Lkw, draufgängerische Polizisten jagen die Schurken in mörderischem Tempo in hochtourigen Autos. Ihre Gegner sind "Mörder, Waffenschieber und Erpresser", wie es im martialischen Vorspann aus der Frühphase der Serie heißt. Auch die Weltpolitik wird im Plot nicht ausgespart: deutscher Einsatz in Afghanistan, Flüchtlingskrise, Krieg in der Ostukraine.

Ansonsten ist viel Abwechslung nicht gewollt. Jede der 45-minütigen Folgen startet mit einem spektakulären Stunt auf der Autobahn. Später folgt ein zweiter, nicht ganz so bombastischer Stunt, ehe sich das Geschehen bis zum finalen Endstunt mit epischer Verfolgungsjagd hochschaukelt. Die Ermittler sind immer mit dabei, die Zeit dazwischen füllen Ermittlungen und Privatleben der Charaktere. Trotzdem geht es im Grunde um den uralten Kampf zwischen "Gut" und "Böse", nur dass die Bösewichte hier oft mitsamt ihrer Fahrzeuge in Flammen aufgehen.

Das Format nimmt sich nicht wirklich ernst

Das funktioniert auch nach 20 Jahren noch, weil sich das Actionformat nicht allzu ernst nimmt. Man denke nur an die mittlerweile auf sieben Filme angewachsene The Fast and The Furious-Reihe, die mit einem ähnlichen Konzept- einer Mischung aus Action, Stunts und Humor - Erfolg hat. Die Helden der "Kripo Autobahn" sind nie um einen flotten Spruch verlegen, auch dann nicht, wenn sie wieder einmal nur knapp aus ihrem sich mehrfach überschlagenen Dienstfahrzeug entkommen sind, ehe der Wagen Feuer fängt. Es ist ein typisches Buddy-Team, wie Starsky und Hutch, das sich gegenseitig aufs Korn nimmt und füreinander nicht nur sprichwörtlich durchs Feuer geht.

Wegen der oft überdreht wirkenden Actionsequenzen wurde Alarm für Cobra 11 auch oft belächelt. "Man kann es nie allen recht machen", sagt Hauptdarsteller Erdoğan Atalay. "Viele Kritiker, die negativ über uns geschrieben haben, haben wahrscheinlich nicht eine einzige Folge komplett gesehen". Parodien der Comedians von Switch und Switch Reloaded, die vor allem die Zerstörungswut der Serie aufs Korn nahmen, seien für ihn wie ein Ritterschlag gewesen.

Erdoğan Atalay gehört nach dem Serientod seines Vorgängers Rainer Strecker seit der dritten Folge zum Team. "Mein Engagement am Thalia Theater in Hamburg ging gerade zu Ende", erinnert sich Atalay. Die Produzenten suchten explizit einen Schauspieler mit Migrationshintergrund und so wurde er nach einem Vorsprechen zu Hauptkommissar Semir Gerkhan. Eigentlich hätte er in seiner Rolle nur gebrochen Deutsch reden sollen, doch diese Idee verschwand bald wieder. Inzwischen ist der kleine Mann der dienstälteste Actionheld der Republik.

Gerkan & Partner ermitteln heute in mehr 150 Ländern, die aktuelle Staffel zum 20-jährigen Jubiläum geht am 27. Mai zu Ende. Um das Pensum von jährlich 20 Episoden für RTL bewältigen zu können, wird das ganze Jahr über gedreht. "Ich hatte auch schon mal eine Schlägerei auf dem Dach eines Lkws bei minus 14 Grad", erzählt der 49-Jährige. Zwei Sets befinden sich in Hürth, die Autobahnszenen entstehen auf einem etwa zwei Kilometer langen, eigens für Filmaufnahmen errichteten Autobahnteilstück in Siersdorf im Landkreis Düren. Dort stehen bis zu 100 Fahrzeuge für die obligatorischen Verfolgungsjagden samt Massenkarambolage bereit.

Der Kopf hinter der Produktionsfirma Action Concept ist Hermann Joha, früherer Stuntman, der schon Götz George doubelte. Den Erfolg von Cobra 11 begründet er so: "Die Serie ist humorvoll, familiär und bietet eine gehörige Portion überladene Action." Einmal in Fahrt kommt der 56-Jährige ins Schwärmen: "Natürlich ist es großes Glück, dass wir einen solch begnadeten Schauspieler wie Erdoğan Atalay haben, der seit 20 Jahren die Konstante der Serie ist und mit all seinen Partnern wunderbar harmoniert."

Obwohl die Quoten der Serie bei Weitem nicht mehr an frühere Bestmarken von bis zu 10 Millionen Zuschauern heranreichen, sei die Resonanz des Publikums auf das aktuelle Ermittlerteam positiv, sagt Action Concept. Der 32-jährige Daniel Rosner ist der mittlerweile achte Partner von Atalay, ein jugendlicher Draufgänger an der Seite des erfahrenen Ermittlers. Trotzdem haben vergangenen Donnerstag nur 2,3 bzw. 2,17 Millionen Zuschauer eingeschaltet. Insgesamt sehen nur noch 11,4 sowie 10,4 Prozent des werberelevanten Publikums RTL.

Erdoğan Atalay halten die mauen Zahlen nicht ab: "Meine Rolle ist ein Teil von mir. Solange ich noch keinen Rollator brauche, mache ich weiter", sagt der gebürtige Hannoveraner. Vor allem, wenn er Fanpost erhält: "Ein Mann aus Belgien schrieb mir einmal, dass er nur wegen der Serie Polizist geworden ist." Bleibt zu hoffen, dass die belgischen Behörden nicht ebenso schnell nach Verbrechern jagen wie die TV-Bullen aus Düsseldorf.

Alarm für Cobra 11- Die Autobahnpolizei, Donnerstag, RTL, Doppelfolge ab 20.15 Uhr

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: