"Unter Anklage: Harry Wörz" in der ARD:Vom Fehler, kein Polizist zu sein

Harry Wörz (Rüdiger Klink) im ARD-Film

Rüdiger Klink spielt Harry Wörz

(Foto: SWR/UFA FICTION/Grischa Schmitz)

Akten verschwinden, Beweise sind plötzlich weg: Die ARD zeigt einen sehenswerten Film über den zu Unrecht verurteilten Harry Wörz. Ohne Pathos erzählt er von einem unglaublichen Justizirrtum und bleibt dabei nahe an der erschreckenden Realität.

Von Bernd Dörries

"I henn doch nix gmacht", sagt er. Es ist einer der ersten Sätze, ein Satz, in dem das Erstaunen immer noch mitschwingt, die Verwunderung, wie es so weit kommen konnte. Mit ihm, und mit dem, was man den deutschen Rechtsstaat nennt. Oder nannte. Denn der Rechtsstaat ist nicht ganz unbeschädigt aus dem Fall Harry Wörz hervorgegangen.

"Die wollten von Anfang an, dass Harry Wörz verurteilt wird", sagt Harry Wörz über sich selbst. Sein Leben verlief lange in überschaubaren Bahnen, er lernte Bauzeichner, lebte im Badischen, bekam ein Kind und ließ sich scheiden. Sein einziger Fehler war es wohl, kein Polizist zu sein. Im Jahr 1997 wurde seine Ex-Frau fast tot in ihrer Wohnung gefunden, jemand hatte versucht, sie zu erwürgen. Sie hat überlebt, aber nur der Körper, nicht der Geist. Sie konnte nie erzählen, wer der Täter war.

Dafür redeten andere, der Schwiegervater war in zwei Rollen der erste am Tatort, als Vater des Opfers und als Polizist. So wie alle Polizisten waren in diesem Fall, die Ex-Frau, deren Geliebter, der Schwiegervater. Nur Harry Wörz nicht. Die gesamte Pforzheimer Polizei hielt ihn schnell für den Täter, die Gerichte folgten ihr. Obwohl Akten verschwanden, Beweise nicht mehr zu finden waren.

Wörz wurde zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt und kam ins Gefängnis, zwölf Jahre brauchten die Gerichte, um ihr Unrecht zu erkennen. Am Mittwochabend spricht ihn das Fernsehen noch einmal frei, in Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz. Das große Drama seines Lebens hat der ARD-Film in vielen kleinen Momenten aufgefangen. Da liegt er neben seiner neuen Frau im Bett, zwischen ihnen die Akten des Verfahrens.

Es kann jedem passieren

Der Film hat der Versuchung widerstanden, diese unglaubliche Geschichte im Pathetischen aufzufangen. Er ist nah dran geblieben an Harry Wörz. Schnauzer, Karo-Kurzarmhemd. Wenn er sich vorstellt, dann mit dem Nachnamen zuerst. Wenn man den echten Wörz einmal erlebt hat, dann ist es schon erstaunlich, wie nahe Rüdiger Klink ihm gekommen ist: der Sprache, dem Gang, dem aufrichtigen Kleinbürgertum.

Der echte Wörz war hin und wieder am Set, hat zugeguckt, wie aus seinem Leben ein Film wird. "Wir wollen zeigen, dass das, was Harry passiert ist, jedem passieren kann, dass jeder in das Netz der Justiz geraten kann, ohne eigene Schuld", sagt Produzent Sascha Schwingel.

Ohne Happy-End

Es ist ein Film ohne Happy-End, so wie es im echten Leben von Wörz bisher auch keines gegeben hat. Wörz weiß, auf welcher Seite der Akten welche Aussage zu finden ist. Ein paar Mal geht das so im Film, dass Wörz aus den Akten zitiert, die überall in seiner Wohnung herumliegen, die aber vor allem Besitz von seinem Kopf genommen haben. Viel mehr braucht der Film nicht, um zu erzählen, wie es Wörz geht.

Und dann ist da der andere Held des Films, sein Anwalt Hubert Gorka, gespielt von Felix Klare. Gorka ist im wahren Leben ein berühmter Anwalt geworden durch den Fall Wörz. Der Film zeigt aber, dass da einer für die gerechte Sache kämpft, Stunde für Stunde, Nacht für Nacht.

Harry Wörz hat den Film bereits im Januar gesehen, bei der Premiere. Er hat sich gefreut, aber sein Alltag sieht immer noch so aus: Er wacht nachts auf, liest sich durch die Akten. Er hat Angstzustände. Der Sohn der Ex-Frau möchte keinen Kontakt. Neulich hat er ihn im Supermarkt gesehen. Er ist jetzt auch Polizist.

Unter Anklage: Harry Wörz, ARD, 20.15 Uhr.

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