TV-Kritik: Hapes zauberhafte Weihnachten:Leicht komatöse Anfälle

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Längliche Einspielfilme, zotige Witzchen - und viele Reminiszenzen an das goldene Fernsehzeitalter der Achtziger: Die RTL-Show "Hapes zauberhafte Weihnachten" fährt die Strategie des geringsten Risikos.

Oliver Klasen

Die Samstagsabend-Unterhaltung steckt in einer schweren Krise, seit in der letzten Wetten dass..?-Sendung ein junger Kandidat verunglückte und sich schwer verletzte.

Hapes zauberhafte Weihnachten oder: Was würde Siggi Schwäbli dazu sagen. (Foto: dpa)

Das Boulevardblatt Österreich löste am nächsten Tag einen Eklat aus, es titelte: "Robbie holte Show aus Koma", aber Robbie Williams und die spektakulär wiedervereinigten Take That traten gar nicht auf, die Show war nach dem Unfall abgebrochen worden. Der Schreiber hatte die Sendung überhaupt nicht gesehen.

Zwei Wochen später passte indes der Titel - allerdings für Hapes zauberhafte Weihnachten auf RTL: Der Auftritt von Take That, dramaturgisch geschickt am Ende platziert, holt eine teilweise müde dahindümpelnde Show aus dem Koma.

Die Fans, junge Teenies von heute und die älter gewordenen Teenies, die damals, 1996, die Trennung der Band durchlitten, sie alle kreischen, halten Teddybären und handbemalte Pappherzen hoch. Ein Mädchen aus dem Publikum wird von Hape Kerkeling sogar auf die Bühne geholt, und es darf alle fünf Jungs einzeln abbusseln. Take That sind der einzige wirkliche Höhepunkt der Sendung.

Alles im Retro-Stil

Hapes zauberhafte Weihnachten ist ein Medley altbekannter, jetzt wiederbelebter Showideen aus den 80er und frühen 90er Jahren: Wenn zum Beispiel Monika auf der Couch sitzt und ihre Mutter treffen darf, die sie seit Jahrzehnten vermisst, dann erinnert das sehr an die Rudi Carrell Show, in der von 1988 bis 1992 der Altmeister der Samstagabend-Unterhaltung rührselige Familienzusammenführungen organisierte.

Genauso im Retro-Stil gehalten ist ein Einspielfilm, in dem sich Kerkeling als blonde, weißrussische Wahrsagerin mit Zopffrisur verkleidet und ahnungslose Menschen, die etwas über ihre Zukunft erfahren wollen, mit kruden Nonsens-Theorien verstört. Selbstverständlich wird das alles mit versteckter Kamera aufgenommen und schon fühlt man sich zurückversetzt zu Verstehen Sie Spaß? mit Paola und Kurt Felix - auch wenn es der stets höfliche Kurt Felix selbstverständlich nie gewagt hätte, so wie Kerkeling Menschen aus dem Publikum zu veralbern, weil sie Herr Sackhoff heißen.

Es ist ein Potpourri von nicht mehr ganz taufrischen Ideen und halbgaren Gags, das Kerkeling da präsentiert. Und auch die ein, zwei Gesangseinlagen, bei denen er fast ein bisschen Harald-Juhnke-artig rüberkommt, wirken wie Reminiszenzen an ein Zeitalter, als die Samstagabend-Show noch die ganze Familie vor der Mattscheibe versammelte.

Zu leichten komatösen Anfällen auf dem heimischen Sofa kann aber auch die schiere Dauer die Sendung führen. Auf zweidreiviertel Stunden reihen sich Showelemente und Einspielfilme aneinander. Manches ist lustig, wie die Parodie auf die Super Nanny von RTL, mit Kerkeling als holländisch vernuschelter Paartherapeutin.

Anderes, wie eine nachgestellte Talkshow, in der über einen Volksentscheid zur Abschaffung von Weihnachten gestritten wird, und ein Musical von Maria und Josef, das nicht im Gelobten Land, sondern in einem Berliner Einkaufszentrum spielt, ist viel zu lang geraten.

Angereichert wird die Weihnachts-Wiederbelebung durch den unablässig schnaufenden, grunzenden, sich würgenden Grevenbroicher Lokalreporter Horst Schlämmer, von dem das Publikum anscheinend nicht genug bekommen kann. Und durch Stars wie David Garrett, Xavier Naidoo und Udo Jürgens.

Nicht fehlen im Programm dürfen schließlich auch Altherrenwitze, für die Jürgen von der Lippe (auch aus den 80ern) bekannt war: "Na, was hast du da für 'ne Körbchengröße?" fragt Kerkeling den Ex-Porno-Star Dolly Buster, als die mit einer lebenden Gans in einem geflochtenen Korb daherkommt.

RTL verfügt ja in punkto 70er-, 80er-, DDR- und was auch immer Nostalgie-Shows über eine gewisse Expertise, und so könnte man Hapes zauberhafte Weihnachten zur Strategie des geringsten Risikos zählen. Dazu passt, dass der Sender direkt im Anschluss "100% Otto" zeigt, eine Lobhudelei über den ostfriesischen Komiker Otto Waalkes, der - nett ausgedrückt - seine kreativste Phase vor über 20 Jahren hatte.

Hape Kerkeling ist auch Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre berühmt geworden. Legendär ist seine Parodie der holländischen Königin Beatrix, die es beinahe schaffte, vor Ankunft der echten Königin ins Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten vorgelassen zu werden. Kerkeling hat moderiert, Kinofilme gedreht, war mit Bühnenprogrammen auf Tournee und hat ein Buch über seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg geschrieben. Manches wurde ein Erfolg, vieles auch nicht. "Der Kerkeling, der hat seine besten Zeiten auch schon gesehen", plärrte Kerkeling, verkleidet als Kleinstadt-Diva "Uschi Blum" jetzt in der Weihnachtsshow. Vielleicht sollte er seiner Kunstfigur nicht glauben und nochmals versuchen, die Beatrix in ihm aus dem Koma zu erwecken.

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