"Tatort" aus München:Klingelingeling, hier kommt das Happy End

Tatort München, Episode "Klingelingeling"

Besinnlich ist im Münchner Kommissariat nur die Deko: die Kommissare Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Batic (Miroslav Nemec, rechts) mit Assistent Kalli (Ferdinand Hofer, Mitte).

(Foto: BR/ARD Degeto/Bavaria Fernsehproduktion/Bernd Schuller)

Ausgebeutete Bettler und ein totes Baby - klingt nach hartem Stoff. Doch der Münchner Weihnachts-"Tatort" verkommt zur Lachnummer. Die Nachlese.

Kolumne von Johanna Bruckner

Erkenntnis:

Es gibt Weihnachtskrimis, die sind wie eine zwielichtige Spendenaktion. Es wird kräftig auf die Tränendrüse gedrückt und die Moralkeule geschwungen, sodass man sich krümmen möchte vor Die-Welt-ist-schlecht-Schmerz. Und wenn man emotional ordentlich investiert hat, offenbart sich der Betrug. Der Münchner Tatort "Klingelingeling" ist so ein Weihnachtskrimi. Er verkommt zur Lachnummer

Um was geht's?

Um die rumänische Bettelmafia, die Frauen und Männer zur Weihnachtszeit busweise ins reiche München karrt, um Kasse zu machen. Darunter die hochschwangere Tida und ihre Schwester Anuscha. Tida bekommt in einer Hinterhofwäschekammer einen kleinen Sohn - wenig später liegt der Säugling tot in einer Kirche. Es gibt dann noch einen weiteren Toten: Der Bruder des Bettlerringchefs endet in der öffentlichen Toilette einer U-Bahnstation. Die Symbolik ist eindeutig, und auch das Geschehen liegt ziemlich offen da. Die Kommissare Batic und Leitmayr müssen trotzdem ermitteln - und immer wieder erzählen, wie furchtbar Weihnachten ist.

Bezeichnender Dialog:

Einer mag das Fest, oder besser: Er mag es im Süden verbringen, all inclusive. Dementsprechend unenthusiastisch reagiert Gerichtsmediziner Dr. Steinbrecher auf zwei Tote so kurz vor dem Abflug.

Dr. Steinbrecher: In drei Tagen geht der Flieger nach Fuerteventura. Wenn dieser Urlaub platzt, macht meine Frau mir die Hölle heiß.

Leitmayr: Du, in so einer heißen Hölle, mit deiner Frau - das kann gut sein.

Batic: Anschweigen kann man sich auch daheim, in München.

Dr. Steinbrecher: Wenn ich Weihnachten in dieser Scheißkälte sitzen muss, krieg' ich eine veritable Depression.

Harmonischste Szene:

Die Kommissare sitzen einträchtig nebeneinander, jeweils ein Geschenk auf dem Schoß, und lauschen dem Weihnachtskonzert des Polizeichores. Plötzlich durchbricht eine einzelne, unverkennbare Gitarre das Weihnachtsliederallerlei. Köpfe drehen sich, böse Blicke gehen in Richtung der Kommissare. Franz Leitmayr bleibt ruhig, zischt den Kollegen "Bereitschaft!" zu und geht an sein Handy: "Ich kann jetzt nicht, Mutter!" Kurz darauf stört ein wiederholtes Piepsen die Gesangsdarbietung, wieder gehen alle Blicke in Richtung der Kommissar, auch Ivo Batic schaut fragend nach links und rechts - um nach Beruhigung der Lage einen unauffälligen Blick auf sein eigenes Handy zu werfen. In Sachen unangenehm auffallen eine geschlossene Mannschaftsleistung.

Wer hat den besten Klingelton?

Franz Leitmayr. Der mag keinen Euro für die Spendenkasse der netten jungen Dame in der Fußgängerzone hergeben. Lieber legt er sein Geld bei der Klingeltonmafia an - in ein wunderbares Gitarrensolo von Jimi Hendrix.

Wer hält die weihnachtlichen Werte hoch?

Assistent Kalli (Ferdinand Hofer) singt brav im Chor mit, beruhigt geduldig Leitmayrs Mutter, die wegen der Weihnachtsgans nervt, und hat sogar ein Herz für die Herzlosen. Busfahrer Bernauer, der sich lange ohne Gewissensbisse für die kriminellen Geschäfte der Bettlermafia einspannen ließ, bekommt nach Abschluss der Ermittlungen eine Tüte Plätzchen, eine Handschlag und ein nettes: "Fröhliche Weihnachten!"

Flop I:

Die Logik flüchtet in dieser Episode so schnell wie der weihnachtliche Heimatbesucher nach drei Tagen Familienbande und Völlerei. Rumänin Tida erlebt ein veritables Wunder: Kind geboren, danach zusammengebrochen, mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht, vom Bettlerringchef aus der Klinik entführt, in einer unwirtlichen Lagerhalle gestorben, kurz vor dem Verscharrtwerden auferstanden, den Mann bezirzt, der sie eigentlich begraben sollte, aus einer Wohnung im zweiten Stock geklettert, Schwester wiedergefunden, Kind begraben. Hallelujah.

Flop I:

Dieser Tatort täuscht an, sich für ein gesellschaftliches Problem zu interessieren, das alle Jahre wieder in den Fußgängerzonen der Republik zu beobachten ist. Nur um am Ende doch auf Quote zu setzen. Ein paar schlechte Gags und die ganze Ernsthaftigkeit ist dahin. Am Ende lädt Kommissar Batic den kleinen schwarzen Sarg mit dem toten Baby in den Kofferraum des Leichenwagens - dort liegt schon die Sieben-Kilo-Weihnachtsgans für Leitmayrs Mutter.

Schlusspointe:

Es gibt Weihnachtskrimis, die enden auf einem trostlosen Bauernhof in Rumänien. "Wo sind denn hier Berge?", fragt Kommissar Batic. "Wo is'n hier der Schnee?", fragt Kommissar Leitmayr. Dann gucken die beiden in den Himmel - und es fängt an zu schneien. Klingelingeling, hier kommt das Happy End.

Die besten Zuschauerkommentare:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: