Seehofer bei Maischberger:"Emotional ein schwieriger Moment"

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Innenminister Horst Seehofer bei Sandra Maischberger. (Foto: dpa)

Zwischen "Nur die Ruhe" und dem Punkt ohne Wiederkehr: CSU-Innenminister Seehofer verteidigt bei Maischberger routiniert seine Haltung im Unionsstreit. Erst ganz am Ende lässt er einen Blick in sein Innenleben zu.

TV-Kritik von Constanze von Bullion

War da was? Regierungskrise? CDU und CSU kurz vor dem Auseinanderbrechen? Europa gespalten, auf dem Weg nach rechts? "Nur die Ruhe", sagt Horst Seehofer. Wirft Angela Merkel ihn am Sonntag raus? Wirft er hin? Hat er überhaupt einen Plan? "Ja, klar", sagt er. Und dass es am Sonntag nach dem ganzen Reden doch bestimmt eine "schöne Lösung" gibt. Jedenfalls vielleicht.

Horst Seehofer zu Gast bei Sandra Maischberger, eine Stunde lang ist der Bundesinnenminister und CSU-Chef am späten Mittwochabend in der ARD zu besichtigen. Nicht in einer Talkrunde, sondern im Einzelgespräch. Die Sendung heißt "Schicksalstage für die Regierung - was plant Horst Seehofer?". Das klingt ein bisschen nach "Schicksalsjahre einer Kaiserin", nur dass im Studio statt Sissi eben Seehofer sitzt, der erklären soll, was das Land nicht mehr versteht: Wo er eigentlich hinwill.

Fast zwei Wochen sind vergangen, seit der Bundesinnenminister Deutschland trotz rückläufiger Flüchtlingszahlen zu einer Art Notstandsgebiet erklärt hat. Das mit den Migranten gehe so nicht mehr weiter, ließ Seehofer wissen. Er stellte einen "Masterplan Migration" auf, überwarf sich mit der Kanzlerin, die nicht hinnehmen will, dass Seehofer im Alleingang an deutschen Grenzen Flüchtlinge zurückschicken will.

"Von Weltoffenheit muss mir niemand etwas erzählen"

Es folgten: Zerwürfnis mit Merkel und zwischen CDU und CSU, Drohungen, Ultimatum, ein erster erfolgloser Versuch der Kanzlerin, den Grenzstreit in Brüssel zu lösen. Ein zweiter Versuch folgt Donnerstag und Freitag, beim EU-Gipfel. Am Samstag dann werden Seehofer und Merkel telefonieren, am Sonntag beraten die Gremien von CDU und CSU. Und dann? Steht Deutschland in wenigen Tagen ohne Regierung da?

"Ich kenne in meiner Partei niemanden, der die Kanzlerin stürzen will", sagt Seehofer in Maischbergers bonbonbuntem Studio, und er schaut dabei so arglos drein wie ein Chorknabe. Aber der Minister nehme es doch billigend in Kauf, dass da zwei Züge aufeinander zurasten, die bald keiner mehr aufhalten könne, wendet die Moderatorin ein. "Also das passiert bei mir selten", winkt Seehofer ab. Bei seiner Modelleisenbahn daheim habe er "acht Schaltkreise", da komme es nicht zum Crash.

So geht das eine ganze Weile. Seehofer erklärt und erklärt. Zum Beispiel, dass Menschen mit einer Einreisesperre nicht nach Deutschland zurückkehren dürften. 46 000 Migranten kämen im Jahr nach Deutschland, obwohl sie eigentlich in einem andere europäischen Land zu bleiben hätten. Als er das Söder-Wort "Asyltourismus" bemüht, kühlt die Studio-Temperatur ab. "Die CSU neigt ein bisschen zur Vergiftung", sagt Maischberger, sie ärgert sich jetzt. "Nein, nein, nein" gibt Seehofer zurück. Der Migrantenanteil in Augsburg sei höher als in Berlin, "von Weltoffenheit muss mir niemand etwas erzählen".

Je robuster der Redefluss des Ministers wird, desto öfter pickt Maischberger mit Fragen dazwischen, sie wirkt dabei bisweilen wie ein Specht. Der Specht klopft aber, ohne dass sich der Baum rühren würde. Was Seehofer eigentlich dagegen habe, Flüchtlinge vom deutschen Rettungsschiff Lifeline aufzunehmen, will Maischberger wissen. "Es gibt Leute, die vermuten, dass das eine Verlängerung der Schleusertätigkeit ist", antwortet Seehofer. Und nein, nie habe er es auf Krach mit der Kanzlerin angelegt, und ja, man könne noch miteinander arbeiten. "Wir haben auch sehr herzliche Momente miteinander erlebt."

Kein Zurück mehr

Erst in den letzten zehn Minuten dieser Ministersprechstunde gelingt Sandra Maischberger eine Annäherung an das, was Horst Seehofer an- und möglicherweise bald in eine ausweglose Situation treibt. Es liegt irgendwo zwischen Stolz und Kränkung. Ja, räumt er irgendwann ein, von Merkels Hinweis auf ihre Richtlinienkompetenz "über die Presse" zu erfahren, das sei "emotional ein schwieriger Moment" gewesen. Und nein, er wolle keine Eskalation und keine "Dramatik", aber es gebe halt auch kein Zurück mehr. "Das würde meine Glaubwürdigkeit total zerstören."

Ist der Bundesinnenminister Horst Seehofer am kommenden Montag womöglich schon Geschichte - auch weil seine eigene Partei den Vollzug von Maßnahmen beschließt, die in Berlin nur zu seinem Rausschmiss führen können? Nicht erst am Montag, schon Sonntag, korrigiert Seehofer. So aber müsse es doch nicht kommen. Es werde ja noch viel geredet. "Nur die Ruhe", sagt Seehofer. Es klingt plötzlich, als wolle da jemand sich selbst ein bisschen Mut zusprechen.

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