Regierungssprecher: Zukunft Intendant:Die Causa Wilhelm

Vom Verkäufer der Regierungspolitik zum unabhängigen Intendanten: die wundersame Karriere des Ulrich Wilhelm in Bayern.

Hans-Jürgen Jakobs

Es gab eine Zeit, da wurden Journalisten zu Intendanten. Dann waren Juristen dran, gefolgt von Verwaltungsexperten. Einen Regierungssprecher an der Spitze einer - normativ staatsfernen - öffentlich-rechtlichen Anstalt gab es schon lange nicht mehr.

Angela Merke, Ulrich Wilhelm, Foto: dpa

PR-Mann Wilhelm, Chefin: Allzeit im Dienst für die Kanzlerin.

(Foto: Foto: dpa)

Zuletzt kam so etwas in den siebziger Jahren vor, bei Karl-Günther von Hase (ZDF) und Conrad Ahlers (Deutsche Welle). Dann wurde es den Parteistrategen zu plump, so offen ihre Macht in den gebührenfinanzierten Anstalten zu zeigen.

Der Fall Ulrich Wilhelm sorgt da für besondere Akzente. Die Wahl des Christsozialen zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks (BR) war für Donnerstag terminiert. Fünf Jahre hat er für die zwei Regierungen der Angela Merkel gesprochen, ein Sendbote der bayerischen Koalitionspartei CSU, der seinen Job mit seltener Gewissenhaftigkeit erledigt hat. Ein Über-Beamter. Das brachte ihm in der Hauptstadt viel Respekt ein, sowohl seitens der eher zu Mäkeleien neigenden Journalisten als auch des politischen Gegners.

Warum er mit dieser Qualifikation Chef des BR werden soll, erschließt sich nicht aufs Erste.

Üblicherweise ist es ja so gewesen, dass ein Journalist bei einer Zeitung oder einem Sender seine Meriten erwarb, sich dabei eine gewisse politische Zugehörigkeit entwickelte, und der Mann dann schließlich die Regierung erklären durfte. Meistens konnten die Sprecher nicht besonders aufklären, da sie wenig wussten. Nach dem Job, Kanzler zu enträtseln, blieb häufig eine Tätigkeit als Berater, Publizist oder Pressesprecher.

Das ist keine Option für Ulrich Wilhelm, 48, den einstigen Sprecher und Berater des früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der in einem internen Gerangel die Konsequenz zog und 2004 lieber Amtschef im bayerischen Wissenschaftsministerium wurde. Auch hier sorgte er für Furore, ehe er nach Berlin ging.

Vom Regierungssessel auf den Intendantensessel

Das CSU-Mitglied, Sohn des langjährigen Landtagsabgeordneten Paul Wilhelm, wurde seitdem häufig für Minister-Jobs oder die Aufgabe des Staatskanzleichefs in der bayerischen Landesregierung genannt. Er selbst wiegelt ab. Es fehle ihm die Härte zur Machtabsicherung, erklärt er in einem Porträt der Süddeutschen Zeitung.

Das wirft natürlich sofort die Frage auf, ob es an der Spitze einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht um Machtabsicherung geht. Schließlich sitzen in den Gremien überall Vertreter der Parteien, die sich selbst als relevanteste der gesellschaftlich relevanten Gruppen begreifen. In München war es den vereinten Kräften der "Grauen" im Jahr 2002 gelungen, den CSU-Favoriten Gerhard Fuchs abzuwehren und stattdessen Thomas Gruber zu installieren.

Der Diplomkaufmann hört vorzeitig auf und es kann davon ausgegangen werden, dass die Personalie Wilhelm perfekt vorbereitet ist. Mit ihm, dem konzilianten Volljuristen und einstigen Journalisten, der für kurze Zeit in der Chefredaktion des Bayerischen Fernsehens wirkte, haben sich intern offenbar fast alle abgefunden. Die CSU hat ohnehin nichts dagegen.

Nur außen meckert der ein oder andere. Leute wie der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, den die Union der Angela Merkel und des Ulrich Wilhelm mit gütigem Zusehen der SPD vor einigen Monaten aus dem Amt hievte. Es sei "verwunderlich, dass sich Empörung nur so gezügelt zeigt", sagt Brender, der Wilhelm zwar auch für einen sehr honorigen Mann hält, und doch warnt: "Vom Regierungssessel auf den Intendantensessel ohne irgendein Zwischending, ohne eine Zeit der Erholung, der Keuschheit, das ist für mich schon hoch erstaunlich."

Gerade die Causa Brender hat - unabhängig von den konkreten Vorwürfen und möglichen Fehlentwicklungen in der ZDF-Redaktion - heftige Debatten über die Macht der Parteien im unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefördert. Im ZDF sitzen Ministerpräsidenten an wichtigen Funktionen, in der ARD sitzen Vertraute der Ministerpräsidenten. Hier macht so gut wie keiner Karriere ohne eine Verortung als "Roter" oder "Schwarzer". Es ist nicht mehr so schlimm wie vor 30 Jahren, aber oft schlimm genug.

Merkel als Art Präsidentin vermarkten

Wie sehr kann da ein CSU-Mann, der für Spitzenkräfte wie Stoiber oder Merkel die PR-Strategien entwarf und verantwortete, Unabhängigkeit symbolisieren?

Bisher war es die Aufgabe Wilhelms, für ein gutes Image der Kanzlerin in der Bevölkerung zu sorgen - und dafür auch ARD und ZDF zu gewinnen, wenn nicht zu instrumentalisieren. Im Bundestagswahlkampf 2009 bedeutete dies, Angela Merkel als eine Art Präsidentin zu vermarkten, die den Pulverdampf der politischen Niederungen mied. Nur einem "TV-Duell" mit Herausforderer Frank-Walter Steinmeier stellte sie sich, was im Endeffekt wie Szenen aus einer harmonischen Ehe wirkte. Dem Streit mit den Spitzen der anderen Parteien aber entzog sich die Kanzlerin, eine vordemokratische Ausflucht.

In der Endphase des Landtagswahlkampfs in Thüringen und in Sachsen Ende August 2009 wiederum hätte Regierungsmann Wilhelm wohl gerne die Chefin in einem rasch ins MDR-Programm gehobenen Exklusiv-Interview gesehen. Das aber führte sogleich zu berechtigten Protesten des politischen Gegners und schließlich zur Absetzung der Sendung.

Auf wundersame Weise schafft es Wilhelm, sowohl den Interessen der Kanzlerin als auch den Wünschen der Journalisten nachzukommen. Er blieb der kompetente Kommunikationsexperte. Nett, ansprechbar. Das erklärt die relative Milde der Presse in der Bewertung seiner aktuellen Karriere. Ausnahmen können das Bild derzeit nicht stören: Auch wenn ihn die taz als "Merkels lächelndes Fallbeil" karikiert, was schon mal eine Art Fortschritt ist, da Willhems Ex-Chef Stroiber als "blondes Fallbeil" galt. Und das Handelsblatt sieht seine Wahl sogar als "neue Dimension der medialen Vetternwirtschaft".

Wilhelm wäre für das Amt nicht tauglich, wenn er die Sensibilität nicht erahnen würde. Schon im Sommer will er offenbar aus dem Sprecher-Amt in Berlin scheiden und eine gewisse Karenzzeit wahren. Und dann muss er halt funktionieren im neuen Amt. Dann muss er womöglich Journalisten des BR in Schutz nehmen, wenn sie aus Sicht Merkels und der Union Unbotmäßiges senden. Dann darf er kein Verständnis mehr haben für die Interessen, die er derzeit noch vertritt.

Ja, im Prinzip setzt der Wechsel vom Regierungssprecher zum Sender-Intendanten ein falsches Zeichen. Das Ding ist unmöglich. Es stärkt Vorbehalte gegen die Öffentlich-Rechtlichen, für die die Bürger monatlich mehr Geld zahlen müssen.

Aber Ulrich Wilhelm wird vermutlich am Ende beweisen, dass es doch ein richtiges Leben im falschen gibt. Und dass er, trotz allem, ein guter Intendant wird.

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