Steffen Seibert:Vom Mainzelmann zum Merkelmann - und zurück?

Steffen Seibert ließ sich die Möglichkeit einer Rückkehr zum ZDF schriftlich zusichern. Viele seiner Amtsvorgänger besaßen den gleichen Rechtsanspruch - genutzt hat ihn bislang allerdings niemand.

C. Keil

Es ist nicht mehr so bekannt, aber auch Klaus Bölling war beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bevor er Regierungssprecher des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt wurde. In mehr als einem Jahrzehnt zwischen 1963 und 1974 entwickelte Bölling (mit Partner Gerd Ruge) den bis heute zum Programm zählenden ARD-Weltspiegel, er leitete das ARD-Studio in Washington, und er war Intendant von Radio Bremen. Ein Rückkehrrecht, wie es nun Steffen Seibert, 50, vom ZDF zugesprochen bekam, hatte der 81-Jährige damals nicht. "Wenn Angela Merkel das im Urlaub liest", sagt Bölling nun, "könnte sie den Eindruck haben, dass der Mann probehalber kommt."

Steffen Seibert tritt als Regierungssprecher an

Steffen Seibert hat sich vom ZDF zusichern lassen, dass er nach seiner Sprechertätigkeit wieder zurückkehren könnte. Der Vorgang ist üblich, in Anspruch genommen wurde die Garantie bislang jedoch noch nie.

(Foto: dpa)

Jedenfalls kommt Seibert nach Berlin. Bis vor wenigen Wochen war er Moderator der heute-Sendung des ZDF und Urlaubsvertreter beim heute journal. An diesem Mittwoch beginnt er als Regierungssprecher. Thomas Steg, 50, wie Bölling ein Vorgänger Seiberts (als stellvertretender Regierungssprecher Gerhard Schröders und auch Merkels), findet es "menschlich verständlich, wenn man die Möglichkeit hat, ein Rückkehrrecht auszuhandeln, und es sich dann nimmt". Regierungssprecher säßen auf "einem Schleudersitz". Seiberts Zug sei weder überraschend noch dramatisch.

Überraschend ist vielleicht, dass das ZDF erklären lässt, bei der Rückkehrregelung handele es sich um einen "üblichen" Vorgang. Auch die Regierungssprecher Friedhelm Ost (Chef der ZDF-Wirtschaftsredaktion) und Uwe-Karsten Heye (Kennzeichen D) hatten Rückkehrrechte. Gebrauch habe davon keiner gemacht. Rückkehrrechte auf identische Positionen gibt es laut ZDF nicht.

Systemimmanente Staatsnähe

Bliebe die Frage, warum es im ohnehin privilegierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk überhaupt Rückkehrrechte gibt und dann auch noch für Mitarbeiter, die politische Ämter übernehmen? ARD und ZDF sind angehalten, sich in ihren Entscheidungen nicht durch die Politik beeinflussen zu lassen. Staatsferne ist staatsvertraglich vorgeschrieben. Doch besonders durch die politische Besetzung der Sendergremien - teilweise mit Ministerpräsidenten - ist Staatsnähe systemimmanent. So wurde der Vertrag des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender in diesem April vor allem deshalb nicht verlängert, weil er im unionsbeherrschten Verwaltungsrat nicht mehr gewünscht war.

Eigentlich, sagt Thomas Steg, bräuchte ein politischer Beamter wie der Regierungssprecher gar nicht an Rückkehrrechte denken. Nach Ende seiner Tätigkeit fingen ihn Übergangs- und Versorgungsregelungen auf - in ihrem Umfang abhängig von der Tätigkeitsdauer. Allerdings ist es für die Verkäufer von Regierungspolitik offenbar schwer, den gewünschten beruflichen Anschluss zu finden.

Rückkehr ungewiss

Eine Rückkehr in den überparteilichen Journalismus ist nur wenigen gelungen. Ungewöhnlich war der Weg Karl-Günther von Hases, der es 1977 zum ZDF-Intendanten brachte. Ehemalige Regierungssprecher gehen in den diplomatischen Dienst, werden Lobbyisten, machen Wirtschafts-PR, oder leiten Parteizeitungen wie Heye (Vorwärts, SPD) oder Peter Hausmann (Bayernkurier, CSU). In den USA werden politische Sprecher oft Wirtschaftsstars, sie bekommen mehr Geld und mehr Macht. Gerade wurde Michelle Obamas Sprecherin von Siemens für Amerika verpflichtet.

"Grundsätzlich", fordert Steg, müsse man sich davon frei machen, dass ein Regierungssprecher nicht mehr journalistisch tätig werden könne. Das Amt dürfe "keine Sackgasse" sein. Aber natürlich werde nicht einmal ein Parteiloser wie Seibert nach seinem Ausstieg als parteilos gelten: "Schließlich hat er sich für eine bestimmte Partei und Politik engagiert."

So wie CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm, 49, Seiberts Vorgänger, der Angela Merkel beriet. Wilhelm wird 2011 Intendant des Bayerischen Rundfunks, geht also in den Journalismus. Er ist eine der großen Ausnahmen und wird wegen seiner fachlichen wie menschlichen Qualitäten geschätzt. Als früherer Bayerischer Staatsdiener hatte er übrigens ein befristetes Rückkehrrecht.

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