Pressefreiheit in China:Sie haben da mal was vorbereitet

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Einmal im Jahr, zum Nationalen Volkskongress, gibt sich die Führung des Landes als Freund freier Medien. Doch die Fragen bei der Abschluss­presse­konferenz sind alle im Vorfeld abgesprochen - ein bizarres Schauspiel.

Von Christoph Giesen

Sie rufen wieder an dieser Tage, so wie jedes Jahr Ende Februar, Anfang März. Die Hintersassen aus dem Ministerium. "Wollen Sie eine Frage stellen bei der Pressekonferenz?", erkundigen sie sich dann. "Wenn ja, was schwebt Ihnen vor?" Manchmal haben die Beamten auch gleich einen Vorschlag parat. Einfach so die Hand heben und spontan eine Frage formulieren, das bringt nichts. Alles muss vorher eingereicht und abgestimmt werden.

Einmal im Jahr tagt in Peking der Nationale Volkskongress. Und wenigstens dann soll es so aussehen, als gäbe es in der Volksrepublik freie Medien. An diesem Dienstag ist es wieder soweit, die Abschlusspressekonferenz mit Premierminister Li Keqiang wird live im Staatsfernsehen übertragen. Dutzende Fragen werden gestellt, dutzende Antworten wird Li geben - alles bis ins letzte Detail choreografiert.

Journalisten, da sind sich Chinas Parteibonzen einig, sind Nervensägen, die zur falschen Zeit die falschen Fragen stellen und so die ganze Veranstaltung ruinieren können. Bei Pressekonferenzen in den Tagen zuvor kommen deshalb meist nur chinesische Journalisten dran. Und das klingt dann so: "Guten Tag Herr Außenminister", meldet sich ein Reporter der Volkszeitung gegenüber Chinas oberstem Diplomaten Wang Yi zu Wort: "Seit dem 18. Parteitag hat Chinas diplomatische Arbeit beispiellose Erfolge verzeichnen können und von den Chinesen ein einhelliges Lob erhalten. Das Jahr 2018 ist das erste Jahr nach dem 19. Parteitag. Was waren in diesem Jahr die Höhepunkte der chinesischen Diplomatie? Können Sie uns davon erzählen?" 19. Parteitag statt Nordkorea, statt Syrien oder dem drohenden Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten? Das sind die Fragen, die hier gestellt werden, staubtrocken mit einer ordentlichen Prise Parteiprosa.

Es gäbe so viele Fragen an Daimler-Großaktionär Li Shufu. Endlich Antworten? Weit gefehlt

Manchmal machen bei dem Schauspiel auch renommierte Medien mit. Vor ein paar Tagen, Versammlung der Delegierten der Provinz Zhejiang: Einer der Abgeordneten ist der Milliardär Li Shufu. Gerade erst hat der 54-Jährige für knapp 7,5 Milliarden Euro heimlich fast zehn Prozent an Daimler gekauft und ist nun größter Einzelaktionär; Investmentbanken haben das für ihn organisiert. Jede Menge Fragen also: Was hat Li vor? Will er noch mehr kaufen? Und warum ausgerechnet Daimler? Ein Korrespondent der Finanznachrichtenagentur Bloomberg meldet sich. "Frage an Li Shufu", sagt er. Endlich Antworten?

Weit gefehlt, der Bloomberg-Mann will wissen, wie Li die Zukunft der Elektromobilität in der Provinz bewertet. Li grinst verlegen, greift zu seinen Notizen und liest vom Blatt ab. "Die chinesische Regierung legt großen Wert auf die Elektromobilität", sagt er. "Besonders in Zhejiang wurden die Anweisungen der Zentralregierung erfüllt." Nach drei Minuten setzt er sich. Nachfragen sind nicht gestattet. Mitarbeiter eskortieren Li nach der Sitzung aus dem Saal. Währenddessen geht eine Bloomberg-Meldung über den Ticker. Eine wahrscheinlich abgesprochene Frage. Im Gegenzug ein paar dürre Zeilen für Bloomberg.

Ein wenig Erheiterung dann vergangene Woche. Der Leiter der Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen stellt sich den Fragen. Die Kameras laufen. Eine Journalistin legt los. Offiziell arbeitet sie für eine Fernsehstation aus Los Angeles, finanziell unterstützt wird der Sender allerdings mit Geld aus Peking. Fast eine Minute nimmt sie Anlauf, um dann bei der neuen Seidenstraße (Propagandaname: One Belt, One Road ), dem Lieblingsprojekt von Staats- und Parteichef Xi Jinping, zu landen. "China hat durch die Initiative One Belt, One Road mehr und mehr Staatsvermögen im Ausland. Wie können wir das schützen?", fragt sie. Das ist zu viel für die Kollegin, die direkt neben ihr sitzt, die Finanzjournalistin Liang Xiangyi aus Shanghai. Sie beginnt mit den Augen zu rollen und dreht sich schließlich ganz weg. In den sozialen Medien wird diese Szene später ein Hit. "Ihr Augenrollen repräsentiert all jene, die es sich nicht trauen", schreibt ein Nutzer. Hunderttausende beginnen Liang beim Kurznachrichtendienst Weibo zu folgen. Dann greifen die Zensoren durch. Wer heute im chinesischen Internet nach Liang Xiangyi sucht, bekommt nur eine Fehlermeldung angezeigt. Ihr Name ist auf dem Index gelandet. Und ihre Akkreditierung für den Volkskongress hat sie auch verloren.

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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