Neuer Rundfunkbeitrag:Die Deutschen werden zum Zwangspublikum

Für Schwarzseher wird's eng

Die Rundfunkgebühren wurden bislang von der GEZ berechnet, die künftig "Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio" heißt. Die neue Gebührenverwaltung muss nicht mehr hoffen, dass bereits bezahlt wurde - sie zieht fällige Beträge einfach ein.

(Foto: dpa)

Der neue Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandfunk entmündigt die Bürger. Denn der Staat unterstellt, dass jeder die Programme der Öffentlich-Rechtlichen schaut, hört oder im Internet ansteuert. Allein das ist ärgerlich. Doch das neue System hat noch mehr Haken.

Ein Kommentar von Claudia Tieschky

Aus der Kirche kann man austreten, aus dem deutschen Rundfunksystem kann man es nicht mehr. Der Vergleich mit dem Vatikan sagt ziemlich viel über den neuen Rundfunkbeitrag für ARD und ZDF und Deutschlandradio. Es ist jetzt sogar egal, ob jemand die Öffentlich-Rechtlichen überhaupt schaut, hört oder im Internet ansteuert. Zahlen muss er.

Die neue Pflicht für jede Wohnung und jeden Betrieb ist die umstandslose Entmündigung der Bürger bei der Wahl ihrer Medien. Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat sie erdacht, die Ministerpräsidenten der Länder haben sie genehmigt, die Landtage haben sie abgesegnet, und zum Jahreswechsel tritt sie in Kraft. Es ist Entmündigung, denn der Staat unterstellt schlicht und einfach, dass jeder die Segnungen des äußerst umfangreichen öffentlich-rechtlichen Systems genießt - und es folglich zu finanzieren hat, mit 17,98 Euro im Monat.

Das ist eine anmaßende Logik. Für die Jungen ist der Bildschirm oft einfach ein Wiedergabe-Gerät, mit dem man sich Serien aus dem Internet oder auf DVD ansieht. Und es gibt Diejenigen, die einfach nur Radio hören, und sonst nichts. Bisher mussten sie knapp sechs Euro pro Monat bezahlen. Es gibt diese Menschen, es sind viele und es sind nicht die Dümmsten im Land.

Die Gebührenreformer widmen ihnen erschreckend wenig Aufmerksamkeit. Vielleicht vertrauen sie darauf, dass sich das Problem bald von selbst löst, denn die Nur-Radiohörer sind vor allem ältere Bürger. Aber noch sind diese Radiofreunde quicklebendig: Sie schicken Protestbriefe in die Welt, häufig auf der Schreibmaschine getippt, in denen sie sich darüber empören, dass sie statt bisher 69 Euro im Jahr künftig 215,76 Euro zahlen sollen. Für jemanden, der nicht gerade von einer Luxusrente lebt, ist das ein gewaltiger Unterschied. Der Politik war es egal.

Zu dem System, das alle mitfinanzieren müssen, gehören die Verträge mit Günther Jauch genauso wie der sechste digitale Spartenkanal, die Kochsendungen und die Rechte für Fußball-Bundesliga und Boxkämpfe. Es ist ein Rundfunk, der sich in unfassbar langweiligen Hauptprogrammen seit einigen Jahren aufs ältere Stammpublikum konzentriert und für alles andere Ableger schafft: für Information (Tagesschau 24), für Bildung (ZDF Kultur, Arte), für Bundestagsdebatten (Phoenix), und demnächst wird es noch einen Jugendsender senden.

Akzeptanz erreicht man nicht durch Zwang

Die beiden Kirchen haben irgendwann verstanden, dass sie die Menschen gewinnen müssen, um sie zu halten. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beginnen einige Manager das zu begreifen - unter dem Druck öffentlicher Debatten um Gottschalks vergeigte ARD-Vorabendsendung, um Dauertalk, um die Ausbreitung im Digitalen. Die Gebühren brachen weg, auch wegen der vielen Schwarzseher, die einfach ihren Fernseher nicht meldeten.

Das neue Gesetz ist ein Stabilisierungspakt für die Finanzen der Sender. Die 17,98 Euro werden berechnet von der GEZ, die dann "Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio" heißt, was sich abgekürzt wahrscheinlich BAZD liest. Blinde, Gehörlose und Schwerstbehinderte müssen irrwitzigerweise ebenfalls pauschal zahlen, und zwar ein Drittel des Beitrags. Betriebe werden nach einem komplizierten System abkassiert, unter anderem deshalb laufen bereits Klagen gegen das Gesetz.

Es stimmt: Es ist nicht ganz einfach, Geld für Qualitätsjournalismus, für verlässliche Information und Kultur zu bekommen, wenn das Internet alles Mögliche und auch jeden Quatsch gratis bietet. Das Problem galt bereits für die alte Rundfunkgebühr, und die Verlagshäuser kennen es auch. Aber Akzeptanz erreicht man nicht mit Zwang. Man erreicht sie mit gutem Programm.

Es gibt Anzeichen dafür, dass einige Senderverantwortliche schon allein wegen des Gebührenrückgangs der letzten Zeit zu einer neuen, etwas asketischeren öffentlich-rechtlichen Tugend neigen. Oder manchmal, in seltenen Fällen, sogar zum Experiment: Die Heute-Show im ZDF ist so ein Beispiel.

Trotzdem hat sich der Rundfunk nun ein System auf den geblähten Korpus anpassen lassen, bei dem er niemanden durch gute Sendungen überzeugen muss. Die Gebühren-Milliarden bekäme er auch, wenn alle Leute im Land vor Ärger über das Programm ihre Fernseher anzünden würden.

Und genau jener Rundfunk, der in seinem Selbstverständnis doch so staatsfern sein will, lässt sich dafür einen kompletten Datenabgleich von den Meldeämtern kommen und erhält künftig Nachricht bei Umzügen. Dieser Rundfunk hat die Menschen fest im Griff. Die Deutschen werden zum Zwangspublikum.

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