Neue Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten:Wulff rief auch bei Springer-Chef Döpfner an

Nicht nur Kai Diekmann, sondern auch Springer-Chef Mathias Döpfner bekam einen Anruf von Christian Wulff. Das Ziel: die Berichterstattung der "Bild" zu verhindern. Selbst bei Verlegerin Friede Springer soll Wulff einem Medienbericht zufolge interveniert haben. Der Deutsche Journalistenverband verlangt eine Stellungnahme des Staatsoberhauptes, auch die Opposition erwartet ein klärendes Wort.

Carolin Gasteiger und Oliver Das Gupta

Bundespräsident Christian Wulff gerät immer weiter in Bedrängnis: Nach der Aufregung um Kredite, Reisen und die Wohltaten reicher Freunde steigert ein publik gewordener Wutausbruch den Druck auf Wulff erheblich.

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung berichteten, hatte Wulff versucht, bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann den ersten Bericht über seinen umstrittenen Privatkredit zu stoppen. Auf dem Anrufbeantworter des Journalisten hinterließ der Präsident demnach drastische Worte. Von "Krieg führen" und "endgültigem Bruch" war die Rede, Wulff drohte sogar mit einer Strafanzeige.

Doch damit ließ es der Bundespräsident nicht bewenden: Nach Informationen der SZ hat Wulff auch mit einem Anruf beim Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlages versucht, die Berichterstattung der Bild zu verhindern. "Es ist korrekt, dass der Bundespräsident auch Mathias Döpfner in dieser Angelegenheit angerufen hat und es ist auch korrekt, dass Herr Döpfner auf die Unabhängigkeit der Redaktion hingewiesen hat", hieß es in einer Stellungnahme des Verlages.

Es soll sogar noch einen dritten Anruf gegeben haben: Wie die Online-Ausgabe des Politik-Magazins Cicero berichtet, habe Wulff auch versucht, bei Springer-Mehrheitaktionärin Friede Springer zu intervenieren.

Genau wie die Telefonate bei Diekmann und bei Döpfner habe aber auch dieser Anruf nicht das gewünschte Ergebnis gebracht, heißt es in dem Kommentar von Cicero-Chefredakteur Michael Naumann. Die Witwe des Verlagsgründers soll Wulff demnach entgegnet haben, dass sie keinen Einfluss auf ihre Chefredakteure zu nehmen pflege. Ein Springer-Sprecher sagte zu dem Bericht und dem angeblichen Telefonat mit Friede Springer am Abend auf Anfrage: "Dazu ist uns nichts bekannt."

Empört reagiert der Deutsche Journalistenverband (DJV) auf die Einschüchterungsversuche des Staatsoberhauptes. "Herr Wulffs Anruf ist der klare Versuch, Einflussnahme auf die Berichterstattung auszuüben", sagt DJV-Sprecher Hendrik Zörner der SZ. Wulff seien offenbar "die Nerven durchgegangen".

DJV verlangt Klartext - von Wulff und "Bild"

Auch der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken kritisiert Wulff: "Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen", erklärte Konken in einer Mitteilung. "Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat." Konken ermutigt Journalistinnen und Journalisten in der Mitteilung dazu, sich nicht von Prominenten beeinflussen zu lassen: "Kritische Berichterstattung und Information der Öffentlichkeit sind und bleiben das Tagesgeschäft von Journalisten", heißt es.

Der DJV verlangt, die Causa rasch aufzuklären - und meint damit sowohl Wulff, als auch das Boulevardblatt: "Wir erwarten, dass beide Seiten die Informationen auf den Tisch legen. Ich möchte wissen, was der Bundespräsident dazu sagt und ich möchte wissen, was Bild dazu sagt", so Verbandssprecher Zörner.

Der Springer-Verlag bestätigte in einem Artikel auf Bild.de allerdings auch den Anruf bei Kai Diekmann. Wulff habe eine längere Nachricht auf der Handy-Mailbox des Chefredakteurs hinterlassen, ist dort zu lesen. "Der Bundespräsident zeigte sich darin empört über die Recherchen zu dem Hauskredit und drohte u.a. mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Bild-Redakteur." ​

Zwei Tage nach der ersten Bild-Veröffentlichung zu dem Hauskredit habe Wulff dann in einem Telefonat persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox gebeten. ​

Aus dem Schloss Bellevue dringen unterdessen nur recyclete Sätze mit Inhalten, die eigentlich selbstverständlich sein sollten: "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut", heißt es etwa. Wulff habe deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten "Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben" und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft."

Ein Anruf, den man auch im Regierungslager als "nicht clever" empfindet

Vorsichtig äußern sich die Vertreter der im Bundestag vertretenen Parteien zu der neuen Wendung in der Causa Wulff: "Diesen Vorgang kann man erst bewerten, wenn sich die Beteiligten äußern", sagt Linken-Chef Klaus Ernst zur SZ. Er rate zum besonnenen Umgang mit dem Bundespräsidenten, sieht ihn allerdings unter Erklärungsdruck: "Christian Wulff ist jetzt sicher gut beraten, reinen Tisch zu machen."

Die SPD sieht im Verhalten Wulffs ein Problem für das Ansehen der Politiker insgesamt. Dass Wulff in eigener Sache nicht vollends für Klarheit sorge, schade "der ganzen politischen Klasse", sagte SPD-Vizechefin Aydan Özoguz dem Hamburger Abendblatt. Sie kritisierte, dass alle Details nur stückchenweise aufgeklärt würden. Zugleich betonte Özoguz, sie wolle, dass Wulff "als glaubwürdiger Bundespräsident im Amt bleiben kann". Es wäre für Deutschland kein gutes Signal, wenn innerhalb kürzester Zeit wieder ein Bundespräsident gewählt werden müsste, sagte sie mit Blick auf den Rücktritt von Wulffs Amtsvorgänger Horst Köhler vor rund eineinhalb Jahren.

"Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben"

Genervt reagieren die Grünen auf den neuen Wirbel um Wulff: "Seit Wochen erwarten wir hinlängliche Antworten von Herrn Wulff", sagt Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke zur SZ. Der Präsident müsse sich nicht wundern, dass er von immer neuen Fragen überrollt werde, solange er Informationen nur scheibchenweise herausrücke. "Herr Wulff sollte mit klaren Worten dafür sorgen, dass das jetzt aufhört."

Im schwarz-gelben Lager, dem Wulff seine Wahl zum Präsidenten verdankt, erneuert der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter seine Rücktrittsforderung: "Der Präsident muss Schloss Bellevue räumen und als Privatmann ohne lebenslange Staatsapanage in sein Einfamilienhaus zurückkehren", sagte Lotter und fügte hinzu: "Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben."

Weitaus differenzierter und vorsichtiger äußern sich andere Stimmen aus der FDP wie der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker: Wulffs Verhalten sei "nicht clever", wenn es bei seinem Anruf "wirklich um den Kredit gegangen sein sollte", so Becker auf SZ-Anfrage. Das FDP-Vorstandsmitglied betonte zugleich, dass man Wulffs Anruf auf Band hören müsste, um ihn zu beurteilen.

Warum der online einsehbare Terminkalender des Staatsoberhauptes bislang für das Jahr 2012 leer ist, beantwortet das Schloss Bellevue auf SZ-Anfrage mit nur einem Satz: "Die Termine des Präsidenten werden morgen mitgeteilt."

Mitarbeit: Nico Fried, Susanne Höll, Renate Meinhof, Mit Material von AFP und dpa.

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