Linke Kampagne gegen rechte Zeitungen:Bund der Vertreibenden

Keine NPD-Postillen mehr am Kiosk: Eine linke Kampagne will rechte Zeitungen verbannen. Doch der Versuch, für ein politisch gesäubertes Medienangebot zu sorgen, ist umstritten.

Marc Felix Serrao

Rechts. Es gibt wenige Wörter, die im Deutschen so kontaminiert sind wie dieses. Rechts, das ist alles, was übel war, ist und nie wieder sein darf. Unterschiede werden selten gemacht, und wer nicht mittut im permanenten Kampf gegen das politisch Böse, muss sich meist schneller als er Meinungsfreiheit sagen kann, anhören, dass er vermutlich selbst gewisse dunkle Sympathien hegt.

KIOSK IM BONNER REGIERUNGSVIERTEL

Eine Utopie von rechts-freien Kiosken wünscht sich die linke Bewegung. (Symbolbild: Kiosk) 

(Foto: ag.dpa)

"Kampagne gegen rechte Zeitungen" heißt ein neuer Appell, der dafür sorgen soll, dass sechs rechte bis rechtsextreme Blätter aus deutschen Kioskregalen verschwinden. Rund 40 Organisationen haben zum Start schon unterzeichnet. Antifaschistische Gruppen dominieren die Liste, daneben gibt es Einrichtungen wie den Antisexistischen Infoladen Neukölln, aber auch die SPD-Jugend und Verdi sind dabei. Auf der Website der Kampagne - pushforward.blogsport.de - wird wortreich erklärt, warum die Titel Zuerst, Junge Freiheit, Deutsche Militärzeitschrift, Deutsche Stimme, Preußische Allgemeine Zeitung und National-Zeitung gefährlich sind und wie man es anstellen will, "diese menschenverachtenden Zeitungen aus der Öffentlichkeit zu verbannen".

Fragekärtchen als Protestbrief

Der erste Vorschlag zielt auf die Kioskbesitzer ab. Die müsse man direkt ansprechen und über die Gefahr in ihren Regalen aufklären, heißt es. Doch Vorsicht: "Es gibt natürlich auch Kioskbetreiber, die sehr genau wissen, was sie da anbieten und auf Kritik entsprechend reagieren", heißt es in dem Aufruf. Ein weiteres Problem sei es, dass viele Kioske von großen Vertriebsfirmen beliefert würden und ganze Titel-Pakete annehmen und anbieten müssten.

Etwa von der Verlagsunion, einer Tochterfirma von Bauer Media, die Zuerst vertreibt, das jüngste der sechs Blätter, das Ende Juli zum siebten Mal erscheint. Die zweite Firma, die genannt wird, ist die Warenhauskette Real, die der Kampagne zufolge die Titel Zuerst und Preußische Allgemeine Zeitung anbietet. In ihrem Fall wird empfohlen, die in den Märkten ausgelegten Fragekärtchen zur Kundenzufriedenheit als Protestbrief zu nutzen.

Nun darf jeder gegen alles protestieren. Aber man fragt sich schon, was für ein Toleranzverständnis Organisationen wie Verdi und die Jusos haben, wenn sie propagieren, dass Positionen, die sie selbst ablehnen, de facto mundtot gemacht gehören. Der Glaube an die offene Gesellschaft und in die eigenen Argumente kann nicht ganz so fest sein, wenn man meint, dass die Verbannung dem politischen Schlagabtausch überlegen ist.

Denkt man die Utopie der rechts-freien Kioske zu Ende, landet man in einem beklemmenden Szenario: Eine kleine Gruppe, die aber eine große Mehrheit hinter sich weiß, sorgt für ein politisch gesäubertes Medienangebot. Das ist nicht nur grundgesetzfeindlich, das ist letztlich totalitär. Denn diese Form einer privat organisierten Zensur kennt keine Unterschiede, wenn es um den politischen Gegner geht.

Unser Kiosk soll sauber werden

Da wird ein biederes rechtskonservatives Organ wie die Junge Freiheit einfach mit der NPD-Postille Deutsche Stimme über einen Kamm geschoren. Letztere ist natürlich ein abstoßendes Käse- und Kampfblatt. Aber solange der Verfassungsschutz nichts findet, was ein Verbot verlangt, gilt die Pressefreiheit. Es sei denn, man will den vulgärnationalen Proleten bei der Arbeit an ihrem Unterdrückungsmythos helfen.

Woher kommt die Lust an der Zensur? Beim Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin, einem Zusammenschluss linker Gruppen, haben die Organisatoren der Kampagne nur einen Briefkasten, kein Büro, keine Nummer. Eine E-Mail bleibt lange unbeantwortet, erst am späten Dienstagnachmittag schickt die Sprecherin, Isabell Münch, ein paar Antworten. Es gehe nicht um ein staatliches Verbot, schreibt sie. Das Ziel sei nur, "die Verkaufsstellen über die inhaltliche Ausrichtung der Presseerzeugnisse zu informieren" - die müssten dann selbst entscheiden, ob sie diese weiter anbieten wollen. Im Übrigen schere man die Blätter nicht über einen Kamm.

"Gesamtgesellschaftliches Klima"

Wirklich nicht? Auf der Website wird die Strategie forscher formuliert: Es gehe eben nicht um einzelne Verkaufsstellen, sondern um das "gesamtgesellschaftliche Klima". Auch Vertreter des Pressegroßhandels sollten sich überlegen müssen, "ob sie es sich weiter leisten können, rechte Zeitungen zu vertreiben".

Fragt sich nur, was die Gesamtgesellschaft bislang überhaupt von den rechten Blättern mitbekommen hat. Alle sechs Titel erscheinen in der Nische, seit Jahren. Von einem Einfluss auf die öffentliche Meinung ist nichts bekannt, was wohl auch damit zu tun hat, dass sich viele Kioskbesitzer schon heute nicht trauen, die Titel offen anzubieten.

Links. Es gibt wenige Wörter, die im deutschen Politikbetrieb so romantisch besetzt sind. Aber wenn man sich diesen Bund der Vertreibenden anschaut, dann weiß man, was es auch nie wieder geben darf.

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