Lieblingsserie: Die Simpsons:Die Erfindung der Gelbsamkeit

Sie sind volljährig, nicht erwachsen: Die Simpsons, diese Anti-"Waltons", wurden gerade 21. Denkt man nicht, ist aber so. Eine Rückblende.

Tilman Queitsch

Im Dezember 1989 fiel der Startschuss für eine der bekanntesten Fernsehfamilien - die Simpsons unterhielten erstmals in einer eigenen Serie ihr US-Fernsehpublikum. Vorher gab es nur den einen oder anderen kurzen Sketch von ihnen in der Tracey Ullman Show.

Lieblingsserie: Die Simpsons: Der Tafelgag gehört zur Serie wie der Bierbauch zum Homer.

Der Tafelgag gehört zur Serie wie der Bierbauch zum Homer.

(Foto: AP/Fox)

Damit ist der gelbe Clan, wie wir ihn heute kennen, 21 Jahre alt und nach US-Recht volljährig. Doch eigentlich ist es den Simpsons - schon seitdem sie von Matt Groening erfunden wurden - herzlich egal, was sie dürfen und was nicht. Frei nach Homer Simpsons Motto, der mit geschlossenen Augen rote Ampeln überfährt: "Wenn ich es nicht sehe, ist es nicht illegal."

Homer arbeitet als Sicherheitsinspektor im Springfielder Kernkraftwerk. Ein Job, den der dümmliche Naivling auf einer Pobacke absitzt und mit entsprechend viel Elan verfolgt. Seine Gattin Marge hütet als putzfimmelige Hausfrau Heim und Kinder - den Rüpel Bart, die Musterschülerin Lisa und das schnullersüchtige Baby Maggie.

Die fiktive Kleinstadt Springfield wird für die fünf zur Bühne aller möglichen und unmöglichen Abenteuer. Meist beginnt eine Episode harmlos, doch dann fängt der Filius Bart beim Angeln einen dreiäugigen Fisch, Vater Homer gerät in ein Duell mit einem schießwütigen Texaner oder Mutter Marge wird überfallen und trainiert sich anschließend massige Muskeln an - alles kann passieren.

Dabei sind die Gelben stets der Zerrspiegel der Gesellschaft. Die Bewohner Springfields sind nämlich leichtgläubig und selbst die politische und unternehmerische Elite ist keinen Deut besser: Bürgermeister Joe Quimby geriert sich zum Beispiel als zwielichtiger Schürzenjäger und Charles M. Burns, Homers Arbeitgeber und unermesslich reicher Betreiber des örtlichen Atomkraftwerks, als skrupelloser Geldsack.

Amerikanischen Patriotismus machen die Simpsons so sichtbar, dass er ins Lächerliche mündet. Etwa wenn Homer auf einer Fernreise feuchte Augen bekommt, weil die US-Botschaft in Australien Toilettenspülungen nach amerikanischer Art - das Wasser läuft tatsächlich wie in den Vereinigten Staaten gegen den Uhrzeigersinn ab - installiert hat, um Heimweh vorzubeugen.

Kafkaesker Clip zur US-Wahl

Auch der US-Sender Fox, der die Simpsons zeigt, muss sich den ein oder anderen zotigen Kommentar seiner gelben Sprösslinge gefallen lassen. Natürlich wird jede Satire aus Springfield dadurch relativiert, dass es Zeichentrick ist. Doch eine Prise Realität bleibt nicht aus, weil häufig reale Politiker, Musiker und diverse Berühmtheiten als Comic-Figuren Gastauftritte in der Serie bekommen.

Für so manchen Star gleicht schon ein kurzes Erscheinen bei den Simpsons einem medialen Ritterschlag. Nicht ohne Grund haben zum Beispiel Paul McCartney, Elton John und auch Tom Hanks ihre Zeichentrick-Rollen selbst synchronisiert.

Selbst Ex-Präsidenten wie Richard Nixon, Bill Clinton und George Bush senior werden bei den Gelben gerne parodiert: In einem Halloween-Special lassen die Macher Nixon als "Verdammten" auftreten, der dem Teufel zu Homers Seele verhelfen soll.

Bush senior verwendete die Serie sogar als Metapher, als er 1992 auf der Versammlung der Republikaner sagte, die Partei werde amerikanische Familien fördern, so dass deren Situation sie weniger an die schrillen Simpsons und mehr an die harmloseren Waltons erinnert. Einige Jahre später lieferte sich sein Comic-Konterfei in der Folge "Die bösen Nachbarn" eine Prügelei mit Papa Simpson.

Und auch deutsche Politiker fühlen sich bemüßigt, Vergleiche mit der Serie anzustellen: 2006 behauptete Edmund Stoiber (CSU), zu dieser Zeit noch bayerischer Ministerpräsident, dass es außer den Simpsons keine normale Familie mehr im Fernsehen gebe.

In einer besonders aussagekräftigen Szene zur US-Präsidentschaftswahl 2008 will Homer Barack Obama wählen. Obwohl er am Wahlautomat mehrmals seine Stimme für den demokratischen Kandidaten abgibt, landet jede bei dessen republikanischen Konkurrenten, John McCain.

Zum Schluss nimmt der Clip eine kafkaeske Wendung: Homer wird in die Maschine gesaugt und schwer verletzt wieder ausgespuckt. Die Botschaft ist klar, auch wenn Produzent James Brooks auf Anfrage der Zeitung The Telegraph jedweden politischen Hintergrund leugnete.

Bis die Serie einen derartigen Kultstaturs erreichte, war es ein langer Weg.

Der Sprung auf die Leinwand gelang

Doch die Sendung wuchs schnell aus den kurzen Episoden in der Tracey Ullman Show heraus. Eine Handlung von ein paar Minuten auf ein Serienformat von gut zwanzig auszudehnen gelang den Autoren ohne große Schwierigkeiten. In Deutschland lief die Serie von 1991 an zuerst im ZDF, bis sie 1994 von Pro Sieben übernommen und zu einem bis heute erhaltenen Teil des Vorabendprogramms wurde.

Staffel für Staffel wurden die Folgen schriller. Selbst hartgesottene Fans taten sich mitunter schwer, eine Marge, der die Brust vergrößert wird oder einen Homer, der sich mit Schönheits-OPs für seine Frau aufhübscht, als ihre altbekannten Serienlieblinge wiederzuerkennen. Das anfangs nur freche Gelb bekam mit der Zeit einen grelleren Stich.

2007 ließ sich selbst ein mehr als 80 Minuten langer Kinofilm mit einer Story rund um die Familie füllen. In dieser Zeit erschienen viele 3-D-Animationen, doch die Simpsons-Macher blieben ihrem herkömmlichen 2-D-Format treu. Mit einem Budget von 75 Millionen US-Dollar blieb so die Produktion um einiges günstiger als die 3-D-Alternative.

Im Filmtrailer wurde aus dieser vermeintlichen Technikschwäche darüber hinaus ein Werbegag: Entgegen des 3-D-Trends sollte der Film mit "Mut zur Hässlichkeit" auf eine Dimension verzichten. Das Experiment gelang: Die Simpsons - Der Film spielte in den US-Kinos bereits am ersten Wochenende Bruttoumsätze in Höhe des Budgets wieder ein.

Kein Wunder, denn zum Leinwandgang der Gelben fuhr das Serienmarketing große Geschütze auf: In Amerika bekamen Filialen der Supermarktkette 7-eleven einen Kwik-E-Look verpasst, so dass sie wie der Supermarkt in Springfield aussahen. Auch das Sortiment der Märkte wurde um Simpsons-Produkte wie Buzz Cola, Krusty-Frühstücksflocken und den Softdrink "Squishee" erweitert.

Neben unzähligen Episodenguides, Fanklubs und allerlei Merchandising brachten die Simpsons auch anderweitige Inspiration mit sich. In Barts Charakter beispielsweise entdecken die Autoren des Buches Die Simpsons und die Philosophie Parallelen zu den Ideen von Friedrich Nietzsche. Den beinahe gefräßigen Lügenbold Homer unterziehen sie gar einem Vergleich mit dem aristotelischen, tugendhaften Ideal. Er kommt - wie sollte es anders sein - dabei nicht besonders gut weg.

Am Wesen von Kindskopf Homer wird auch die Volljährigkeit nichts ändern. Und selbst wenn Aristoteles über ihn den Kopf schütteln würde, muss man erkennen: Zum Glück.

Die Simpsons, Montag bis Samstag, 18:10 und 18:40 Uhr, Pro Sieben

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