James Murdoch:Stresstest für den Kronprinzen

Nachwuchs-Tycoon James Murdoch hat gute Chancen, seinem Vater Rupert nachzufolgen. Der Mann, der Sky Deutschland retten soll, wollte eigentlich Archäologe werden.

Caspar Busse

Ein warmer Sommertag in London. Die Studenten des ehrwürdigen University College, einer der renommiertesten Hochschulen der Welt, eilen zu ihren Vorlesungen und Seminaren, es herrscht ein geschäftiges Kommen und Gehen. Auf einer Bank im Innenhof sitzt James Murdoch, trinkt aus einem Pappbecher Kaffee, neben ihm seine Frau Kathryn, ein ehemaliges Model. Kurze Haare, kleine Brille, sportliche Figur, hochgewachsen - wenn Murdoch nicht Anzug und Krawatte tragen würde, könnte man ihn für einen Studierenden halten.

James Murdoch

James Murdoch war einmal der dritte in der Thronfolge seines Vaters Rupert. Jetzt gilt der 37-Jährige als Kronprinz. Bei der Rettung von Sky Deutschland muss sich Murdoch jr. nicht zum ersten Mal beweisen.

(Foto: AP)

Der 37-Jährige ist einer der mächtigsten Medienmanager der Welt. Sein Vater Rupert Murdoch kontrolliert News Corp., das drittgrößte Medienunternehmen überhaupt. 32,8 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr macht der Konzern - mit Fernsehstationen wie dem umstrittenen konservativen Sender Fox, mit Bezahlfernsehen, mit Kinoproduktionen wie Avatar oder Slumdog Millionaire, mit Büchern, vor allem und in erster Linie aber mit Zeitungen: Die Firma publiziert 175 Titel weltweit, darunter das ehrwürdige Wall Street Journal, die konservative Times in London, aber auch das britische Krawallblatt Sun und eine ganze Reihe größerer und kleinerer Zeitungen. Und News Corp. produziert, wie James Murdoch gerne erzählt, mehr Bibeln als irgendjemand anderes auf der Welt.

Alles begann 1952 in Australien, Rupert Murdoch erbte noch als Student von seinem Vater die beiden Zeitungen The Adelaide News und Sunday Mail. Die Titel waren angeschlagen, aber Murdoch schaffte die Wende. "Er blieb, er kämpfte", lobte Murdoch junior einmal. Später ging der Vater nach England und in die USA und baute - manchmal mit unkonventionellen Methoden, aber immer zielstrebig - ein Weltimperium auf. Wie es heute aussieht, wird Sohn James eines Tages das Erbe seines Vaters antreten, auch wenn der 79-Jährige keine Anstalten macht, die Führung abzugeben. "Ich kümmere mich nicht um die Frage, wer Nachfolger meines Vaters wird", sagte James Murdoch zwar im vergangenen Jahr dem Spiegel. Aber er ist der Kronprinz.

Mit Paid Content ins digitale Zeitalter

Die Aufgabe ist groß: News Corp. wurde von der Wirtschafts- und Medienkrise schwer getroffen, hat sich wieder erholt und meldete in der vergangenen Woche wieder einen Gewinn von zwei Milliarden Euro. Doch James Murdoch, für Europa und Asien zuständig, muss den Weg ins digitale Zeitalter finden. Noch ist der Konzern besonders stark im Zeitungsgeschäft. Jetzt unternimmt er einen ersten Versuch, bei der Times in London Inhalte im Internet kostenpflichtig zu machen, bisher ohne großen Erfolg. Zudem plant er, den britischen Bezahlsender BSkyB zu 100 Prozent unter seine Kontrolle zu bringen. Mehr als zehn Milliarden Euro soll das kosten und die Firma unabhängiger von den Werbeeinnahmen machen.

Probleme gibt es auch in China: An diesem Montag reduzierte News Corp. nach jahrelangen Schwierigkeiten sein dortiges Engagement, verkaufte seinen Mehrheitsanteil an drei chinesischen Fernsehsendern, das vorläufige Ende der Expansion. Die größte Baustelle befindet sich aber in Deutschland: der Bezahlsender Sky Deutschland. Gerade musste Murdoch erneut eine Kapitalspritze von 340 Millionen Euro garantieren, damit wird er fast eine Milliarde Euro in Sky Deutschland gesteckt haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum James Murdoch gerne als "öffentlichkeitsscheu" gelten würde.

Vom Rebell zum Mustersohn

Es ist viel zu tun, aber nicht deswegen wirkt James Murdoch an jenem Donnerstag in London im Hof der Universität ein wenig nervös, er wippt mit dem Fuß, steht mehrmals auf, setzt sich wieder hin. Endlich reicht ihm jemand einen Stapel Papier. Es ist die Rede, die er, der selbst nie einen Hochschulabschluss geschafft hat, gleich zur Eröffnung eines neuen Lehrstuhls mit dem Titel Centre for Digital Humanities halten soll, einer seiner ganz seltenen Auftritte. James Murdoch hält sich von der Öffentlichkeit, mit der er seine Geschäfte macht, fern. Zu einem PR-Berater soll er einmal gesagt haben, dieser würde seinen Job gut machen, wenn die Presse ihn als den "öffentlichkeitsscheuen Murdoch" bezeichnet.

Wenige Minuten, bevor er seine Rede im historischen Hörsaal beginnt, betritt sein Vater Rupert überraschend den Raum, setzt sich in die erste Reihe und hört aufmerksam zu. Am Ende spendet der Alte seinem Sohn Beifall, steht auf, drückt ihm fest die Hand und verschwindet schnell wieder. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn gilt als eng, sie telefonieren oft, beinahe täglich, wie die Financial Times berichtet. James nennt seinen Vater dann "Paps" oder nur "Chairman". Vater Murdoch hat sechs Kinder. Aus erster Ehe stammt seine älteste Tochter Prudence, aus zweiter Ehe die Kinder Elisabeth, Lachlan und James. Seit 1999 ist Murdoch mit der 36 Jahre jüngeren Fernsehmanagerin Wendi Deng verheiratet und hat mit ihr zwei Töchter.

"Sein Vater ist ganz offensichtlich stolz auf James", schreibt Biograf Michael Wolff in seinem viel beachteten Buch Der Medienmogul, das aus einer ganzen Reihe von Gesprächen mit Murdoch selbst, seiner Familie und engen Mitarbeitern entstand, aber nicht autorisiert wurde. Vielleicht habe er auch Angst vor seinem Sohn, will Biograf Wolff erfahren haben, die beiden würden sich zumindest ähneln, der Sohn sei aber liberaler als der konservative Vater. Offenbar scheute sich James auch nicht, dem Mogul gelegentlich die Meinung zu sagen, andere Wege zu gehen. James wirkt unnahbar und kontrolliert. "Selbstbewusstsein ist etwas, das James von Natur aus besitzt", sagen die, die ihn gut kennen.

Schläfriger Start

Erste Erfahrungen mit dem Mediengeschäft machte James im Alter von 15 Jahren. Er absolvierte ein Praktikum beim Daily Mirror in Sydney und nickte während einer Pressekonferenz, die er als Reporter besuchte, ein. Das Foto brachte am nächsten Tag das Konkurrenzblatt. Später gab der rebellische Sohn, damals mit blondgefärbtem Haar und Piercing, nach nur einem Jahr das Studium in Harvard auf und lebte eine Zeitlang in Rom, wollte Archäologe werden. Doch dann baute er das zusammen mit Freunden gegründete Hiphop-Plattenlabel Rawkus Records auf. Unter Vertrag war unter anderem der gerade am Anfang seiner Karriere stehende Rapper Eminem. 1996 schließlich kaufte der Vater die Firma auf, James war plötzlich Angestellter von News Corp.

Mit 27 Jahren ging James Murdoch nach Hongkong und leitete die Fernsehaktivitäten des Konzerns. Er holte Star-TV aus den Verlusten, der Erfolg verschaffte ihm erste Beachtung. Danach schickte ihn Vater Rupert nach London. Gegen den Widerstand der übrigen BSkyB-Aktionäre, die ihn für zu jung und unerfahren hielten und einen Interessenkonflikt fürchteten, wird James 2003 Vorstandsvorsitzender des Pay-TV-Unternehmens. Er machte seinen Job gut, BSkyB mit nahezu zehn Millionen Abonnenten gilt heute als einer der erfolgreichsten und profitabelsten Pay-TV-Anbieter überhaupt.

Seit Ende 2007 leitet der junge Murdoch für News Corp. von London aus die Europa- und Asiengeschäfte des Konzerns. Von ihm wird berichtet, er stehe früh auf, sei vor allen anderen im Büro und gehe aber angeblich auch früh nach Hause, um die Kinder ins Bett zu bringen. Seine Frau lernte er 1997 in Sydney auf einer Party auf einer Yacht kennen, die beiden heirateten 2000 in Connecticut, das Paar hat zwei kleine Kinder. Und angeblich besitzt James Murdoch auch einen schwarzen Gürtel in Karate.

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Problemzone Deutschland

Ende 2009 erst sprach sich der saudische Prinz Al Waleed, der sieben Prozent an News Corp. hält, für James Murdoch als Nachfolger an der Konzernspitze aus. "Ich habe volles Zutrauen in ihn, ich vertraue ihm und er ist fähig", sagte er. Dabei ist James eigentlich nur dritte Wahl. Schwester Elisabeth, die mit einem Urenkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud verheiratet ist, und Bruder Lachlan arbeiteten früher im Konzern, zogen sich aber zurück. Elisabeth schied vor zehn Jahren aus und betreibt heute die Fernsehproduktionsfirma Shine in London. Lachlan war zwischenzeitlich als sogenannter Chief Operating Officer die Nummer drei im Konzern, ging dann aber nach Australien zurück. Sollte der Vater irgendwann sterben, würden die Anteile an News Corp. an die sechs Kinder fallen.

"James ist ein Visionär", sagt Brian Sullivan, der neue Vorstandsvorsitzende bei Sky Deutschland und ein Vertrauter. Die beiden stehen in engem Kontakt. James Murdoch lässt sich über die Entwicklung in Deutschland ständig auf dem Laufenden halten. Die zwei haben lange beim britischen Bezahlsender BSkyB zusammengearbeitet: Murdoch war Vorstandschef, Sullivan für das Marketing verantwortlich. Ende vergangenen Jahres wurde der Amerikaner mit irischen Wurzeln nach München abkommandiert, um endlich für Ordnung bei Sky Deutschland zu sorgen. Erst vor wenigen Wochen installierten die Murdoch-Leute auch einen neuen Chef des Aufsichtsrats: Chase Carey, Vize-Chef des Verwaltungsrats von News Corp. Die beiden Personalien zeigen, wie wichtig Deutschland ist.

Es geht um einiges, auch für James Murdoch. Anfang 2008 ist News Corp. beim damaligen Sender Premiere eingestiegen. Seitdem gab es nur böse Überraschungen, die Zahl der "echten" Abonnenten stimmte nicht, die Verluste waren hoch, die Verschlüsselungstechnik machte Ärger, die öffentlich-rechtliche ARD erhielt wichtige Fußballrechte. Sky Deutschland - News Corp. hält knapp 50 Prozent der Aktien - kommt nicht auf die Beine. Die Verluste sind hoch, fast eine Million Euro am Tag, neue Abonnenten werden kaum dazugewonnen, die Aussichten schlecht. Schon seit 20 Jahren macht das Bezahlfernsehen in Deutschland vor allem eines: Verluste. Leo Kirch und sein Medienkonzern sind auch daran im Jahr 2002 zerbrochen. Jetzt unternimmt News Corp. den wohl letzten Anlauf zur Sanierung. Die Unruhe ist groß. Aber der Sohn kann dabei auf die Unterstützung des Vaters zählen. "Deutschland ist sicherlich der größte und reichste Markt in Europa", sagte Rupert Murdoch vergangene Woche.

Zukunft in der Zuschauerbindung

Das Bezahlfernsehen ist ein wichtiger Bestandteil der Murdoch-Strategie. Pay-TV verfügt anders als frei empfangbares Fernsehen über feste Kundenbeziehungen, ist relativ unabhängig von der Medienkonjunktur. In Italien kommt die Murdoch-Firma Sky auf fünf Millionen Abonnenten, in Großbritannien gar auf zehn Millionen, auch in Indien werden Angebote aufgebaut. Damit könnte der Konzern auch das Geschäft mit kostenpflichtigen Inhalten weiter ausbauen - und im Kampf mit übermächtigen Gegnern wie dem US-Konzern Google zu bestehen.

"Wir brauchen einen fairen Wert und einen fairen Preis für den Journalismus, den wir produzieren. Was ist so widersprüchlich daran?", sagte James Murdoch bei seiner Rede am University College. Im vergangenen Jahr musste er das Gratisblatt Thelondonpaper einstellen, jetzt verschwinden Times und Sunday Times im Internet hinter einer Zahlschranke. Ob andere folgen, ist völlig offen. Nach seiner Rede und einem kleinen Empfang fährt Murdoch in einem Hybrid-Toyota davon. Sein Büro hat er im Londoner Stadtteil Wapping. Direkt nebenan werden die Schlagzeilen von Sun gemacht.

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