Grönemeyer sagt in Prozess aus:"Ich steh da doch völlig entspannt"

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Herbert Grönemeyer trat am Mittwoch als Zeuge in einem Strafprozess gegen einen Fotografen und einen Kameramann auf. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Seit fünf Jahren beschäftigt ein Vorfall zwischen Herbert Grönemeyer, einem Fotografen und einem Kameramann die Justiz.
  • Die beiden Pressevertreter sollen eine Attacke des Sängers erfunden haben, weshalb sie vor Gericht stehen.
  • Nun sagte Grönemeyer als Zeuge aus und bestritt erneut Handgreiflichkeiten.

Von Jana Stegemann, Köln

Das Video ist nur 31 Sekunden lang, doch es beschäftigt seit fünf Jahren die Kölner Justiz - mittlerweile läuft der fünfte Prozess. Zu sehen ist auf der wackeligen Sequenz, wie Herbert Grönemeyer mit einem Kameramann und einem Fotografen in einem schmalen Gang am Flughafen Köln/Bonn aneinandergerät.

Es ist der 21. Dezember 2014, Grönemeyer ist mit seiner Frau Josefine Cox und seinem Sohn Felix auf dem Weg zu einem Besuch bei seiner Mutter, die Familie ist gerade gelandet und auf dem Weg zu einer Autovermietung. Das Video beginnt, als der Sänger auf den Kameramann zuläuft. "Fuck off, Fuck off", sagt Grönemeyer, der eine schwarze Aktentasche über der rechten Schulter trägt "was soll der Scheiß? Ich bin privat hier, du Affe!". Dann ist ein lautes, klackendes Geräusch zu hören, das Bild wird kurz schwarz. Danach sieht es so aus, als schlage Grönemeyer mit seiner Tasche nach dem anderen Fotografen, er packt ihn an der Schulter, der Mann sinkt zu Boden. Der zweite Mann mit der Kamera ruft aus einigen Metern Entfernung: "Herr Grönemeyer, ich hab' Sie." Der Mann am Boden sagt: "Warum hauen Sie mich hier?" Grönemeyer sagt: "Geh nach Hause." Eine Männerstimme ist zu hören: "Hast Du das aufgenommen?" Und dann etwas leiser, als Grönemeyer schon weiter entfernt ist: "Wir sehen uns beim Konzert."

Grönemeyer hat seit dieser Episode vier Zivilverfahren gegen Medien geführt, die das Video, Sequenzen oder Bilder daraus veröffentlichten. Mit dem Ergebnis, dass es nicht weiter verbreitetet werden darf. Vor Gericht ist es mittlerweile Dutzende Male vorgespielt, im Internet millionenfach angeschaut worden.

"Ich war höchstnervös, dachte, er hat ein Messer"

Ein Strafverfahren gegen Grönemeyer selbst wegen gefährlicher Körperverletzung wurde eingestellt, an diesem Mittwoch ist er als Zeuge geladen. Der Fotograf und der Kameramann, die im Auftrag des bekannten Paparazzos Hans Paul am Flughafen waren, sind vor dem Landgericht Köln angeklagt, ihnen wird vorgeworfen, die körperliche Attacke Grönemeyers erfunden zu haben. Kadir I. und Jens K. müssen sich wegen des Vorwurfs falscher Verdächtigung und uneidlicher Falschaussage verantworten. Sie hatten zu Beginn des Strafprozesses ihre Vorwürfe erneuert. Weil Grönemeyer auf die Kamera geschlagen habe, hätte er sich seinen Mittelfinger verstaucht, sagt Jens K., der auf Krücken in den Gerichtsaal humpelt. Er leide seit dem Vorfall unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und habe psychische Probleme. Die Männer berichten von Würgemalen und kleinen Verletzungen.

Um 9.40 Uhr betritt der 62-jährige Grönemeyer in Begleitung seines Anwalts den Saal 112. "Ich war schwerstens geschockt, es war wie ein Anschlag", sagt der Popsänger über den Tag des Vorfalls, "das hat mich bestimmt Monate begleitet." Schon auf der Rolltreppe habe ein Mann zu ihm gesagt "Dich kenne ich doch", dann später auf der Toilette habe einer neben ihm gestanden, der ihm komisch vorgekommen sei, sagte Grönemeyer. Deshalb habe er zu seiner Familie gesagt: "Lasst uns etwas schneller gehen." Auf dem Weg zu der Autovermietung seien sie dann "eingekesselt worden". Er habe erst nicht sehen können, was der eine Mann aus einer großen Tasche geholt habe: "Ich war höchstnervös, dachte, er hat ein Messer."

"Man hat sich gefühlt wie ein Hase bei der Treibjagd", erinnert sich Josefine Cox. Sie war zum Zeitpunkt des Vorfalls seit längerem die Freundin des Sängers, "aber von mir existierte da noch kein Bild in der Öffentlichkeit". 2016 heiratete das Paar. Dennoch: Sie sei keine öffentliche Person und wolle das auch nicht sein, sagte Cox im Zeugenstand. Der Vorfall am Flughafen habe sie "aufgewühlt, uns alle drei". "Ich mache mit jedem ein Foto, der freundlich fragt", wiederholt Grönemeyer mehrmals vor Gericht. Ihm sei eine Falle gestellt worden.

Geladen ist auch der 31-jährige Sohn des Sängers. "Ich bin schon damit aufgewachsen, dass ich versuche, Kameras zu meiden", sagt dieser sehr ernst. "Wenn es um meine Familie geht, werde ich zum Tier", hat Grönemeyer schon 2015 der SZ gesagt. Vor Gericht wiederholt er das. "Nein", sagt er auf die Frage des Richters, ob er mit der Aktentasche jemanden getroffen habe. Er fügt noch sarkastisch an: "Dummerweise habe ich nicht getroffen."

Der Sänger bestreitet, die Männer gewürgt oder sonst wie verletzt zu haben. "Ich steh da doch völlig entspannt." In der Laptoptasche, die vor Gericht intensiv von allen Verfahrensbeteiligten mehrmals begutachtet wird, seien eine Zeitung, ein paar Stifte und Kleinutensilien gewesen. Auf den 70 Fotos, die zur Akte gehören, interessiert sich die Verteidigerin von Jens K. besonders für eines von Grönemeyers Aktentasche aus der Nähe: "Das sind doch Ausbeulungen. Sind Sie sicher, dass da nur eine Zeitung drin war?" Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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