"Hart aber fair" mit Frank Plasberg:Es muss noch nicht vorbei sein für Martin Schulz

hart aber fair; Hart aber fair

Markus Söder konnte bei Hart aber fair mit Frank Plasberg seine Schadenfreude kaum verhüllen.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Frank Plasberg lässt die Erfolgsaussichten des SPD-Kanzlerkandidaten diskutieren. Gute Tipps für Schulz kommen von Schauspieler Ulrich Matthes - CSU-Politiker Söder kontert mit Angst-Rhetorik.

TV-Kritik von Kathleen Hildebrand

Martin Schulz ist ein Pappkamerad. Als solcher war er jedenfalls fast ausschließlich zu sehen in Frank Plasbergs Hart aber fair-Runde am Montagabend. Ein Einspieler zeigte Menschen vor dem Reichstag in Berlin, die einem Martin-Schulz-Pappaufsteller einen Satz sagen sollten nach der SPD-Niederlage in Nordrhein-Westfalen. Und hinter den Gästen im Studio lugte ständig ein Büstenfoto von Martin Schulz hervor. Ganz egal, wer gerade sprach: Schulz schaute ihm etwas unscharf über die Schulter.

Dass der Mann, über den hier gesprochen wurde, nicht da war, versuchte die Sendung nicht zu überspielen. Sie inszenierte regelrecht die Abwesenheit des SPD-Kanzlerkandidaten, der wochenlang so wahnsinnig präsent gewesen war, dass die Umfragewerte seiner Partei in die Höhe schossen. Dass 17 000 Bürger in die SPD eintraten. Und dass die Union es so sehr mit der Angst zu tun bekam, dass Angela Merkel und Horst Seehofer sich zusammenrauften.

Doch nach der NRW-Wahl (und nach der in Schleswig-Holstein und nach der im Saarland) ist alles anders. Das Nicht-da-Sein von Martin Schulz ist es, was dem abwesenden Martin Schulz in Hart aber fair vorgeworfen wird. Vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, der sagt, dass es ein Fehler war, Schulz aus dem Landtagswahlkampf herauszuhalten. Hajo Schumacher, Kolumnist der Berliner Morgenpost, kreidet Schulz an, sich nicht mit Emmanuel Macron sehen gelassen zu haben, obwohl der doch gerade auf Staatsbesuch in Berlin sei.

Themenvermeidung funktioniert für Schulz nicht

Und Christiane Hoffmann, Spiegel-Redakteurin, wirft Schulz vor, er habe es an Konkretisierung fehlen lassen, seit er die große Losung "Gerechtigkeit" verkündet hatte. Auch das eine Form von Abwesenheit. Die jedoch könne Schulz sich nicht leisten, findet Hoffmann. Die Merkel-Taktik der Unangreifbarkeit durch Themenvermeidung funktioniere für ihn nicht, weil die Bürger ihn nicht so gut kennen wie Merkel.

Dabei hatte es doch so schön angefangen, schwärmt der Schauspieler Ulrich Matthes. Er als treuer SPD-Wähler ("wenn auch oft zähneknirschend") habe sich sehr gefreut, als Martin Schulz Kanzlerkandidat wurde. Die "Streicheleinheiten", die er dann gleich lieferte, seien "gut und nützlich" gewesen für die Partei. Überhaupt: "Eine Partei der Empathie", so nennt Matthes die SPD jetzt einfach mal, "tut jedem Land gut." Deshalb werde sie auch im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen.

Ein kluger Schauspieler, der mit der richtigen Mischung aus Pathos und Verstand gute Fragen stellt und weder die eigene Partei noch deren Kontrahenten schont, tut auch einer Talkshow gut. Matthes gestand zwar ein, dass er Schulz' Huschhuschprogramm wenig überzeugend finde - in einem 15-minütigen Interview vor der Sendung hatte der Kanzlerkandidat einen wahrscheinlich provisorischen Maßnahmenkatalog als Antwort auf die Frage nach seiner "Gerechtigkeit" heruntergerasselt. Ein offizielles Wahlprogramm hat die SPD sich noch längst nicht gegeben. Schulz rasselte also: kostenfreie Kitas, Investition in Bildung, Rückkehr zur paritätischen Aufteilung der Krankenkassenbeiträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Söder verhüllt seine Schadenfreude notdürftig mit Selbstironie

Matthes gab aber zum Ausgleich gleich auch Markus Söder eine mit, der es den ganzen Abend über nur halbwegs schaffte, seine Schadenfreude mit Selbstironie zu verhüllen. Das passiere auch Söder, sagte Matthes, dass er auf eine Frage nicht antworte, sondern lieber sein Programm abspule.

Und das tat der tatsächlich. Wann immer möglich, sagte Söder etwas über "innere Sicherheit" und dass dafür ja nun wahrlich nicht Schulz, sondern die Kanzlerin stehe. Sei die Kölner Silvesternacht nicht im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen passiert? Und sei es nicht in NRW fünfmal so wahrscheinlich, einem Einbruch zum Opfer zu fallen wie in Bayern? Und sei es nicht auch eine Form von Empathie, wenn junge Frauen sich auf dem Weg nach Hause sicher fühlen können?

Schauspieler Matthes macht sich gut als Hilfsmoderator

Eine mögliche Strategie der Union im kommenden Bundestagswahlkampf zeichnet sich hier schon ab: Dem Aufbruchsgeist, der im momentan noch hohlen SPD-Wort von der "Gerechtigkeit" steckt, wird mit der Angst der Bürger die Luft rausgelassen. Laut einer Umfrage, die Frank Plasberg zitierte, finden eh schon 59 Prozent der Deutschen, dass es im Land "eher gerecht" zugehe. Kostenfreie Kitaplätze, schön und gut, kann man sich da leicht denken - aber was ist mit Kriminalität, mit Terrorismus und, im Hintergrund dräuend, der Einwanderung?

Auch dass dieses Thema nicht unausgesprochen blieb, war dem sehr effizienten Hilfsmoderator Ulrich Matthes zu verdanken. Als sich Thomas Oppermann und Markus Söder überboten mit Vorschlägen, wie die deutschen Steuerüberschüsse am besten zu verteilen seien (SPD: Investitionen, Union: Steuersenkungen), da grätschte Matthes hinein mit der Frage: Und was ist mit der Integration der Geflüchteten? Die koste "irre viel Geld", sei aber ein vernünftiges Projekt.

Er finde Merkels Flüchtlingspolitik gut, sagte Matthes noch. Aber deswegen wähle er sie trotzdem nicht und so gehe es vielen, die sich eine Politik mit mehr Leidenschaft wünschten. Auch Europa brauche eine "sexy Idee", damit die Großartigkeit des Entwurfs Europa wieder spürbar werde.

Wünschen sich die Bürger einen neuen Politikstil?

Das war auch Christiane Hoffmanns Fazit - alles andere als ein starkes Bekenntnis zu Europa sei für Schulz unglaubwürdig. Das Potenzial für die Sehnsucht nach einem Politikwechsel sieht sie in Deutschland durchaus - nach einem mutigeren Politikstil nach Merkels moderierendem. Die SPD müsse ihre gute, die Partei einende Vorlage nur eben langsam mit Inhalten füllen.

Thomas Oppermann versuchte das in der Sendung schon eifrig, wenngleich auch er eine kohärente, griffige Vision schuldig blieb. Das Wahlprogramm der SPD, nach dem seit der NRW-Wahl nicht mehr nur gefragt, sondern geschrien wird, besteht bislang nur aus Stückwerk. Schnelles Internet für den ländlichen Raum, Investitionen in Schulen und Infrastruktur. Alle sollen teilhaben am Reichtum des Landes, eine bessere Tarifgeltung solle zu höheren Löhnen führen.

Ganz vorbei, so scheint es, muss es für Martin Schulz nach drei Wahlniederlagen seiner Partei noch nicht sein. Doch er sollte sich gut überlegen, ob er nicht Ulrich Matthes in sein Wahlkampfteam holen möchte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: