De Posch wechselt zur RTL Group:Der vierte Mann

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"Zeig mir die Zahlen", soll einer seiner bevorzugten Sätze lauten: Der frühere Pro-Sieben-Sat-1-Chef Guillaume de Posch, bekannt als leidenschaftlicher Kostensenker, wird Vorstandsmitglied des direkten Konkurrenten RTL Group.

Christopher Keil

Es ist, wenn man so will, eine schwere Personalie, auch wenn die Person, um die es geht, von schmächtiger Statur ist. An diesem Dienstag vermeldete die RTL Group, Europas größte Fernsehgruppe, die Verpflichtung von Guillaume de Posch. Der 53-jährige Belgier war fast fünf Jahre Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Pro Sieben Sat 1. Ende 2008 hatte er das Münchner Unternehmen verlassen.

Guillaume de Posch auf einem Archivbild aus dem Jahr 2007.  (Foto: dpa)

Möglicherweise endet mit Ablauf dieses Jahres eine übliche Sperrklausel, die es de Posch untersagte, unmittelbar zu einem direkten Konkurrenten zu wechseln. Von 1. Januar 2012 an wird er als viertes Vorstandsmitglied der RTL Group, als Chief Operating Officer (COO), tätig.

Bisher leitet Vorstandschef Gerhard Zeiler, 56, die RTL Group mit dem Finanzvorstand Elmar Heggen und dem stellvertretenden CEO, Andreas Rudas. In den ersten drei Quartalen 2011 erzielte das zu Bertelsmann zählende Entertainment Netzwerk (40 TV-Sender, 33 Radiostationen, Produktionsfirmen wie Freemantle Media) ein operatives Ergebnis von 701 Millionen Euro. Im Rekordjahr 2010 setzte es 5,591 Milliarden Euro um und machte dabei einen Nettogewinn von 611 Millionen.

Zeiler sagte an diesem Dienstag, de Posch werde die Expansion der RTL Group in neue Geschäftsmodelle und Märkte vorantreiben: "Guillaume hat eine einmalige Kenntnis über alle Aspekte des internationalen Fernsehgeschäfts und ein großes Verständnis für die technologischen Herausforderungen in der digitalen Welt." Zudem wird er sich um die Fernsehkanäle in Belgien, Holland sowie um die Radios in Frankreich kümmern.

Aus Sicht von de Posch ist der Einstieg bei der RTL Group eine Rückkehr ins Zentrum europäischer Medienmacht. Zuletzt war er Aufsichtsratsmitglied von Sky Deutschland und Berater der Mediengruppe Antenna. Wird mit seiner Verpflichtung auch ein Hinweis auf die langfristige Personalplanung der RTL Group hinterlegt? Aus dem Umfeld der RTL Group ist zu erfahren, das sei eine verfrühte Annahme.

Wird Posch in Stellung gebracht?

Tatsächlich ist derzeit nicht erkennbar, dass Gerhard Zeiler, der seit März 2003 Vorstandsvorsitzender ist, Interesse an einer anderen Aufgabe hat. Kürzlich verlängerte er seinen Vertrag bis 2015. Als im Frühjahr beim ORF in Wien ein neuer Generaldirektor gesucht wurde, war Zeiler, der eine ORF-Biografie hat, trotzdem im Gespräch, er selbst schwieg dazu. Zeiler zählt zu den international anerkanntesten und erfolgreichsten Fernsehmanagern. Sein Arbeitsstil, der ihn wöchentlich in die Länder führt, in denen die RTL Group aktiv ist, passt zum dezentralen Zuschnitt des in Luxemburg ansässigen Unternehmens.

Doch Zeiler hat sich seine Nachfolger bisher immer selbst gesucht, und sie kamen aus dem eigenen Haus. RTL gab er zunächst in die Verantwortung von Marc Conrad, der vorher Programmdirektor war. Als Conrad scheiterte, setzte er Anke Schäferkordt ein, die beim Schwestersender Vox die Geschäftsführung lernte und aus dem Bertelsmann-Management stammt. Warum sollte es nicht so sein, dass de Posch in Stellung gebracht wird?

Begonnen hatte Guillaume de Posch, der Betriebswirtschaft studierte, als Unternehmensberater bei McKinsey. Es folgten Jahre bei CLT, der späteren RTL Group, und als General Manager und Programmdirektor des französischen Pay-TV-Senders TPS. Der Amerikaner Haim Saban, der Pro Sieben Sat 1 nach der Kirch-Insolvenz übernahm, lotste ihn 2003 nach München, wo er nach wenigen Monaten den Schweizer Urs Rohner als Vorstandsvorsitzenden ablöste.

De Posch ist ein leidenschaftlicher Kostensenker. "Zeig mir die Zahlen", soll einer seiner bevorzugten Sätze lauten. Als TV-Manager hat er wohl die Investitions- und Kostenkontrolle perfektioniert. Ein echter Fernsehmann ist er nie geworden. Zu einem Image- und Quotendesaster führte die Übernahme der Tour-de-France-Übertragungsrechte im Sommer 2007, ein Deal, den de Posch persönlich betrieben hatte. ARD und ZDF hatten sich nach wiederholten Dopingfunden bei der Tour aus der laufenden Berichterstattung zurückgezogen.

Auch auf anderem Feld hat de Posch Spuren hinterlassen. Als wegen der Werbemarktkrise und der Übernahme der skandinavischen Sendergruppe SBS durch Pro Sieben Sat 1 - ein weiterer Milliardenkauf von KKR und Permira - radikal gespart werden musste, griff der Belgier nicht nur zum üblichen Mittel von Entlassungen und drastischen Kürzungen im Programmetat. Er kappte auch die News-Formate.

Damit leitete er ein, was sein Nachfolger Thomas Ebeling im Sommer 2010 vollendete: den Verkauf der Nachrichtensparte in Form von N 24. Heute produziert N 24 die News für die Sender des Konzerns. In wieweit beispielsweise Sat 1 damit noch ein Vollprogramm liefert, ist medienpolitisch abschließend noch nicht bewertet.

© SZ vom 21.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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