Ende von "Jazz & World":Genug improvisiert

N3 - DIE LOUIS ARMSTRONG STORY

Ein großer Jazzer bei der Arbeit: Über Musiker wie Louis Armstrong wurde jeden Werktag bei der WDR 3-Hörfunksendung „Jazz & World“ ausführlich gesprochen und nachgedacht. Damit ist es jetzt vorbei.

(Foto: OBS)

Der WDR-Hörfunk verabschiedet sich von der liebevollen Jazz-Präsentation - und damit auch von bekannten Moderatorenlegenden wie Karl Lippegaus.

Von hans Hoff

Karl Lippegaus kennt sich aus mit Jazz. Seit 1972 berichtet er über diese besondere Musikform und anliegende Grenzgebiete. Mit 17 hat er für die Jazz-Redaktion des legendären Joachim-Ernst Berendt sein erstes Jazz-Radio gestaltet. Seitdem ist Lippegaus eine Marke im Hörfunk, inzwischen aber eine, der im WDR ab 1. April das Forum fehlt, man ersetzt dort die individuelle Musikbetrachtung in der werktäglichen WDR 3-Sendung "Jazz & World" durch konfektionierte Spiellisten, was sehr nach der handelsüblichen Magazinitis klingt, die vieler Orten das Radiohören so unerträglich macht.

Fast scheint es, als werde Frank Zappas uralte These, dass der Jazz nicht tot ist, sondern lediglich seltsam riecht, inzwischen vielfach als Auftrag missverstanden, den Job nun mal langsam zu Ende zu bringen. Vor kurzem erst hat der Hessische Rundfunk den altersbedingten Abschied von Bill Ramsey zum Anlass genommen, die von ihm moderierte Traditionssendung "Swingtime" einzustellen. Nun zeigt man sich offenbar auch beim WDR entschlossen, den seltsamen Geruch aus dem Programm zu tilgen und den Jazz erst zu verwässern und dann irgendwann final abzuschieben.

Die Entwicklung deutete sich im vergangenen August an, als Lippegaus vom WDR ein Schreiben erhielt, in dem Veränderungen angekündigt wurden. "Wir brauchen Sie", stand dort zwar, aber was Lippegaus dann lesen musste, sprach dem Lippenbekenntnis des WDR Hohn. Aus den 19 Moderatoren, die bislang jede der "Jazz & World"-Sendungen zu einem individuellen Erlebnis machten, sollen zum 1. April vier Moderatoren werden, die jeweils eine Woche lang abspulen, was ein Redaktionsteam in so genannten Spiellisten zusammengestellt hat. Alle Moderatoren würden aber zu einem Casting geladen, hieß es weiter.#

Der WDR behauptet, der Jazz werde seinen hohen Stellenwert im Programm behalten

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Einer wie Lippegaus, der seit 47 Jahren das Jazz-Radio prägt, dessen Radiostimme zu den unverwechselbaren im Lande zählt, soll vorsprechen. Das sei aber keine Kündigung gewesen, teilt die Pressestelle des WDR treuherzig mit. Es habe für alle Moderatoren die Einladung zu Casting und Perspektivgesprächen gegeben. Und überhaupt werde der Jazz seinen hohen Stellenwert im Programm behalten. Das klingt wie die übliche PR-Prosa, mit der man sich Rauswürfe schönredet, was einiges über die aktuelle Unternehmenskultur beim WDR verrät.

Lippegaus hat die Einladung zum Casting nicht angenommen. "Ich bin kein Talking Head. Ich wähle Musik aus, ich stelle die vor und lasse die Künstler zu Wort kommen. Wenn ich das nicht mehr machen kann, ist es nicht mehr meine Sendung", sagt er und blickt betrübt auf die Verhältnisse. Mit konfektionierten Magazinen könne man einer komplexen Materie wie dem Jazz nie gerecht werden. Das trifft den Kölner hart. "Der WDR war meine innere Heimat", sagt er und empört sich auch im Namen der anderen Gefeuerten über die rabiate Vorgehensweise. "Jetzt setzen uns Leute vor die Tür, die von dieser Musik nicht die leiseste Ahnung haben und unsere Sendungen abschätzig ,Programmkästchen' nennen", klagt er, lässt sich aber den Optimismus nicht verleiden. "Ich habe schon so viele Reformen erlebt, bin aber immer wiedergekommen", sagt er und vertraut dann auf jene, die den Jazz genau so lieben wie er: "Ich habe meine Hörer."

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