Deutscher Ableger der "Huffington Post":Für alle von allen

"Regiert endlich", lautete die erste Schlagzeile, darunter ein Exklusivinterview mit Lothar Matthäus, Klatsch und Agenturmaterial. Der deutsche Ableger der "Huffington Post" mit seinem Umsonst-Modell ist gestartet.

Von Claudia Fromme

Natürlich muss es dieser Ort sein. Ein Ort, an dem man, wenn der Kaffee zur Neige geht, Zitate von Oskar Maria Graf auf dem Boden der Tasse findet. Bald spricht hier Cees Nooteboom über die Welt als unaufhörlichen Querverweis.

Jetzt spricht Arianna Huffington im Literaturhaus in München. Sie ist 63 Jahre alt, geborene Griechin, amerikanische Patriotin. Sie wollte mit wertkonservativen Thesen kalifornische Gouverneurin werden, 2003 war das, hatte aber gegen Arnold Schwarzenegger keine Chance. Dann umgab sie sich mit Linksintellektuellen und seither drückt sie überall auf der Welt rote Knöpfe. "Ich bin sehr bewegt", ruft sie. Dann drückt sie den Knopf, der aussieht wie jene, die in der Fabrik Arbeiter betätigen, wenn ein Kollege in die Stanzmaschine geraten ist.

"Regiert endlich" heißt die erste Schlagzeile der deutschen Ausgabe der Huffington Post, angerissen werden in großen Lettern die schleppenden Koalitionsgespräche, und dass angeblich jeder Dritte Neuwahlen will. Darunter kacheln sich ein Exklusivinterview mit Lothar Matthäus ("Ich habe sicher keine vier Scheidungen geplant"), Klatsch, Agenturnachrichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport - und eine Willkommens-Videobotschaft von Ursula von der Leyen.

Ursula von der Leyen, Boris Becker, Uschi Glas

Die Arbeitsministerin gehört zu jenen, die Bestandteil des Geschäftsmodells der Huffington Post sind: Blogger. Zum Start der achten Länderausgabe, für die Burdas Tomorrow Focus AG eine Lizenz für zehn Jahre erworben hat, präsentiert das Portal 60 Gastautoren, unter ihnen durchaus erstaunliche Namen: Karstadt-Investor Nicolas Berggruen, der Vorsitzende der Bischofskonferenz Robert Zollitsch, Telekom-Chef René Obermann und ja, auch Boris Becker und Uschi Glas. Nach Meinung von Arianna Huffington zählen sie zu den "kreativsten Köpfen" Deutschlands. Aus der klassischen Bloggerszene kommen Nico Lumma und Sascha Pallenberg.

Ob das in Ordnung sei, sein Geschäft damit zu machen, dass Schreiber nichts verdienen, fragt einer bei der Pressekonferenz. Arianna Huffington, die 2005 die erste Huffpost in den USA gründete und damit inzwischen mehr Besucher anzieht als die Seite der New York Times, blickt milde und erzählt von der "wunderbaren Geschichte" einer Mutter, deren Blog keinen interessierte - bis sie für die Huffpost schrieb. Sechs Millionen Leser habe sie und einen fetten Buchvertrag. Man zwinge ja keinen zu seinem Glück, sagt Huffington und streicht ihr schwarzes Kleid glatt.

Manche nennen sie Totengräberin des Journalismus, sie selbst sagt, sie fördere einen "neuen Journalismus", der all jenen eine Stimme gebe, die sich äußern möchten. Direkt neben ihr steht Cherno Jobatey, auch schwarz gekleidet. Er nennt sich Editorial Director, das ist bei der Huffington Post eine Art Herausgeber. Verwunderlich ist die Personalie nicht, ist der ehemalige Morgenmagazin-Moderator bei der Digitalkonferenz DLD, dem Lieblingsprojekt Hubert Burdas, doch Dauergast. Ob man ihn bezahle, fragt einer. Klar, sagt er.

Bezahlt werden bei der Huffington Post 15 Redakteure und ein Chefredakteur, der aber noch nicht da ist. Noch ist Sebastian Matthes bei der Wirtschaftswoche, "in einigen Wochen" werde er starten, sagt er im Literaturhaus, er sei in guten Gesprächen mit seinem derzeitigen Arbeitgeber. Bis er kommt, führt Daniel Steil die Geschäfte, der Chefredakteur von Focus Online, die als Partner der Huffpost geführt werden.

Schmissiger Hausstil

Bestimmen am ersten Tag in Deutschland noch eigene und Agenturgeschichten die Site, gehört zum Geschäftsmodell der US-Mutter, die Seite vorrangig mit Inhalten anderer Medien zu bestücken, die im schmissigen Hausstil zusammengefasst und im Twitter-Dauerfeuer beworben werden. Meist so ausführlich, dass man das verlinkte Original nicht braucht. Arianna Huffington will davon nichts hören. "Die Nachrichtenseiten traditioneller Zeitungen können sich über zusätzlichen Traffic freuen". Schon als Studentin in Cambridge war sie Präsidentin des Debattierclubs.

Eigentlich gehört ihr die Huffington Post gar nicht mehr, seit sie diese vor zwei Jahren für 315 Millionen Dollar an AOL verkauft hat. Umsatzzahlen werden seither nicht mehr ausgewiesen, der Internetkonzern führt sie in der Bilanz zusammen mit kleinen Onlinediensten. Deren Umsätze gleichwohl wachsen pro Jahr um 10 Prozent, 2013 soll die Milliarde Dollar Umsatz angepeilt werden. Dass Huffington daran einen sehr großen Anteil haben wird, ist unstrittig. Der Erfolg der Huffington Post, die weltweit 80 Millionen Besucher monatlich hat, hängt auch mit ihr als Markenbotschafterin zusammen. In ihrem lila Blackberry habe sie einige tausend Telefonnummern, sagt sie später im Gespräch. Ursula von der Leyen etwa, habe sie selbst angerufen, damit diese als Bloggerin schreibe.

Investiert hat Tomorrow Focus nach Angaben von Burda-Vorstand Christoph Schuh drei Millionen Euro, in drei Jahren sollen aus 15 Redakteuren 30 werden. Profitabel solle die Huffington Post im dritten Jahr sein, in fünf Jahren erwarte er 10 bis 15 Millionen Nettoumsatz. Ziel sei es, die Huffington Post unter die Top 5 der Nachrichtenseiten in Deutschland zu bringen, idealweise unter die ersten drei. Wie das gehen soll? "Burda hat fast 1000 Journalisten - sie alle freuen sich, uns zu helfen."

Vor der Tür steht in einem Glaskasten ein ausgestopfter Bär, der mal der Familie Mann gehörte. Er bleckt die Zähne.

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