Claus Theo Gärtner hört als Josef Matula auf:Abschied von einem Authentischen

Claus Theo Gärtner als Josef Matula in "Ein Fall für zwei"

Josef Matula, einer der unkonventionellsten TV-Ermittler, gehört bald der Vergangenheit an.

(Foto: OBS)

Claus Theo Gärtners Zeit als Privatdetektiv Josef Matula in "Ein Fall für zwei" geht zu Ende. Mit seinen ungewöhnlichen Methoden und seiner rauen Schnauze stach er aus dem TV-Krimi-Wildwuchs angenehm hervor. Ein Treffen mit Zigarre im Hotel.

Von Hermann Unterstöger, Basel

Es gibt ein Leben vor dem Tod. Diese Spruchweisheit scheint Claus Theo Gärtner vor anderen zu lieben, und gerade jetzt, da seine Zeit als Privatdetektiv Josef Matula ihrem Ende zuläuft, lässt er sie öfter als sonst hören. Die Lehre daraus erschließt sich fast von selber: Der Job, und sei es der schönste, ist nicht alles, und das Leben hält für den, der es richtig zu leben weiß, auch nach dem 70. Geburtstag noch manch feine Praline bereit.

So, wie es ein Leben vor dem Tod gibt, gab es auch ein Leben vor Matula, und wer sich in dieser schauspielerischen Frühzeit Gärtners ein bisschen umsieht, kommt auf erheiternde Bezüge. Einmal zum Beispiel war er in Heinrich von Kleists "Amphitryon" als jener Sosias besetzt, an dem das Schicksal Amphitryons im Kleinen und Komischen nachgespielt wird. Dass das nicht ohne Blessuren abgeht, ist klar. Gleich im ersten Akt bekommt Sosias vom Gott Merkur ein paar hinter die Löffel, was er mit den Worten kommentiert: "Wetter! / Ihr schlagt mir eine gute Faust, Gevatter."

Hören wir da nicht schon den späteren Matula? Ist das nicht der saloppe Kennerton, den auch er anzuschlagen pflegt, wenn er wieder einmal an den Falschen geraten ist, nur dass er jetzt nicht "Wetter" und "Gevatter" sagt, sondern so redet, wie einer redet, dessen Schule die Straße war?

Matula hört auf, ein Markenartikel verschwindet aus dem Sortiment - jedenfalls in dieser Form, denn selbst wenn Ein Fall für zwei weitergeführt werden sollte, werden das andere Fälle und andere zwei sein. Wer mit Kurzkrimis dieses Schlages nichts anfangen kann, wird die Änderung wahrscheinlich gar nicht bemerken, und wer den Fall für zwei immer schon für wenig inspiriert gehalten hat, mag mit der Flurbereinigung auf dem buntscheckigen Feld der deutschen Krimi-Unterhaltung sogar gemäßigt glücklich sein. Wer aber dem Josef Matula und seinen wechselnden Dienstherren innerlich so nahe gerückt ist, dass er sich im Notfall von ihnen vor Gericht und gegen die Mächte der Unterwelt hätte vertreten lassen, der wird gerührt sein und sich seiner Rührung nicht schämen.

Matula selbst, also Claus Theo Gärtner, ist von Rührung so weit entfernt wie nur möglich. Wir treffen uns in Basel, wo seine dritte Frau, die dreieinhalb Jahrzehnte jüngere Sarah Gärtner-Würgler, an dem theaterpädagogischen Projekt "Theaterfalle" inszeniert. Gärtner hat das Grand Hotel Les Trois Rois als Ort der Zusammenkunft vorgeschlagen, weil man dort, wenn man wolle, auch eine gepflegte Zigarre rauchen könne. Sein Auftritt ist so diskret, als hätten auch wir einen Fall für zwei zu erörtern. Groß ist er ohnedies nicht, und er trägt das mit Laune. Als der Focus ihn einmal fragte, was ihm an sich selbst besonders gefalle, sagte er: "Meine stattlichen 1,69 Meter." Zudem hat er einen recht geräumigen Hut weit über seinen bekannten, mittlerweile auch schon etwas vergilbten Blondschopf geschoben.

Erkannt wird er trotzdem. Mit einer Stimme, wie er sie hat, mit diesem tiefen, schön schwingenden und präzise artikulierenden Bass kann man nur sehr schwer undercover arbeiten. Dass man bei den Trois Rois sein Inkognito durchschaut und ihn dennoch nicht auffliegen lässt, versteht sich bei einem Haus dieser Güte von selbst. Wer übrigens glaubt, er habe Gärtners charakteristische Stimme schon in zahllosen Synchronisationen gehört, sei dessen belehrt, dass dieser famose Sprecher nicht Claus Theo Gärtner ist, sondern Volker Lechtenbrink.Der wiederum ist Gärtners bester Kumpel und war Trauzeuge bei der Hochzeit mit Sarah, die dem Blick zufolge "Matulas schönster Fall" war.

Anrüchiges Mandat, findiger Matula

Wenn am 29. März die 300. und letzte Folge von Ein Fall für zwei läuft, wird es sich nicht vermeiden lassen, die Serie nach dem zu befragen, was sie von anderen unterschieden hat, nach dem Geheimnis ihres Erfolgs und ihrer Zählebigkeit. Wir leben ja mit einem Fernsehen, das von vielen nur noch als eine riesige Krimi-Schleuder wahrgenommen wird. Wohin man schaut: Kommissare. Es gibt Kommissare, die in Skandinavien Dienst tun und sich mit den grässlichsten Scheußlichkeiten herumschlagen müssen. Es gibt Kommissare, die in Venedig arbeiten, morbides Zeug aufklären und vom Sergente Vianello vor Üblerem behütet werden. Und es gibt deutsche Kommissare. Mittlerweile haben wir fast für jeden Landkreis ein Paar, und wo es ihnen thematisch zu dünn wird, rumpeln sie mit respektive in ihren Beziehungskisten.

Im Vergleich zu dem oft gewaltig Aufgeplusterten, ja Aufgedonnerten, mit dem sich diese Krimis voneinander abzusetzen suchen, war Ein Fall für zwei immer Hausmannskost, um nicht zu sagen Graubrot. Gärtner selbst bringt es, aus der reichen, aber nicht notwendigerweise bunten Fülle seiner Matula-Jahre heraus, auf diesen Nenner: Da sitzt einer in U-Haft und ist unschuldig, und das muss bewiesen werden. So überschlägig das klingt, so richtig ist es grosso modo, und in der Tat will es einem in der Rückschau vorkommen, als könnte man selbst so ein Musterdrehbuch verfassen, eine Art Passepartout für weitere 300 Folgen. An Kernelementen wäre zu verarbeiten: dass dem Anwalt wieder mal ein auf den ersten Blick anrüchiges Mandat zufällt, dass es wieder mal an Matula liegt, entlastendes Material zu beschaffen, und dass er dabei in allerlei Schwulitäten gerät, dass die Sache Spitz auf Knopf steht, aber dank Matulas Findigkeit in letzter Minute gut ausgeht, und dass beide, der Anwalt wie auch Matula, zwischen den Einsätzen immer wieder Zeit für Frotzeleien oder misslingende Kochereien finden.

Werner Kließ, der den Fall für zwei in den Anfangsjahren beim ZDF als Redakteur betreute (und später auch einige Drehbücher verfasste), hat dessen Charme und Erfolg einmal mit der "Bizarrerie" erklärt, dass die Serie aus der linken Ecke stammte und damit für seinen Sender fast eine Zumutung war. Links bedeutet in diesem Zusammenhang, dass schon der Anwalt kraft seines Amts auf der Seite des Verbrechens steht und dass dieser Josef Matula nicht nur eine etwas krumme Biografie hat, sondern auch beruflich hie und da die Augen fester zudrückt, als er eigentlich dürfte.

Die Anwälte wechselten, Matula ist geblieben. Sein Darsteller hat es sich angewöhnt, ihrer beider Wesensähnlichkeit als bedenkenswertes Faktum im Raum stehen zu lassen, notfalls mit biografischen Details zu unterfüttern. So steuert er auch jetzt, da wir bei Matulas leicht schadhaftem Leben stehen, eine markante Jugendsünde bei, und er referiert sie mit weithin tragender Stimme so, dass die ganze Lobby der Trois Rois mithören könnte, wenn sie denn wollte. Gärtner war als Heranwachsender in Oberhausen ein Cliquenmensch, "mit Härz und Seel drbii", wie die Fans des FC Basel sagen, und zu diesem Mit-Herz-und-Seele-Dabeisein gehörte es, dass man auch mit der Obrigkeit in Konflikt geriet. Im Rahmen seiner rauen Sozialisierung kam der junge Mann in den Genuss eines einwöchigen Jugendarrests, den er in Remscheid abdiente, und zwar mit Stolz, weil die anderen Burschen auch schon dort waren oder gewesen waren.

Das Leben vor dem Tod, wie wird es aussehen? Nun, Gärtner war zeitlebens ein Mann des Motorsports, und so ist es nur konsequent, dass er nach Abwicklung des Falls für zwei zusammen mit seiner Frau in die Welt fahren wird, zunächst ins Baltikum, dann in die Mongolei und nach China, in einem zum Wohnmobil umgebauten 12,5-Tonner mit Allradantrieb. Was sich sonst noch auftun könnte, darüber redet er nicht. Dafür erzählt er, dass er, um bei den Pfadfindern genommen zu werden, auf Messdiener lernen musste und dass er heute noch - und ehe man sich's versieht, rattert er die Stellen aus dem Stufengebet herunter, die unter Ministranten als großes Latinum gelten: "Ad Deum, qui laetificat juventutem meam . . . quia tu es, Deus, fortitudo mea, quare me repulisti . . ."

"Na, dann verkleide ich mich mal wieder", sagt Claus Theo Gärtner schließlich und greift zum Hut. Und weil er immer auch noch Matula ist, der stets klamme Detektiv, fügt er hinzu: "Das da" - gemeint ist sein Tee - "übernimmt doch sicher Ihr Verlag." Mal sehen, Josef, mal sehen.

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