Frankfurt am Main:Staatsanwaltschaft wollte Redaktion von "Bild" durchsuchen

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Blick auf die Frankfurter Skyline. Das Regionalbüro der Bild-Zeitung liegt im Stadtteil Westend. (Foto: Thomas Lohnes/Getty)
  • Der Bild-Zeitung zufolge haben Polizisten am Samstag versucht, Redaktionsräume der Zeitung in Frankfurt am Main ohne richterlichen Beschluss zu durchsuchen.
  • Die Polizei habe sich auf Gefahr im Verzug berufen.
  • Die Aktion soll dem Blatt zufolge in Zusammenhang stehen mit einem "Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, die eine NSU-Opferanwältin bedroht haben sollen".
  • Die Staatsanwaltschaft Frankfurt äußerte sich auf SZ-Nachfrage nicht zu dem Vorfall.

Polizisten in Frankfurt am Main sollen am Samstag versucht haben, ohne richterlichen Beschluss Redaktionsräume der Bild zu durchsuchen. Die Zeitung berichtete am Montag selbst über den Vorfall. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt sagte der SZ auf Anfrage, sie könne derzeit nichts dazu sagen. Sie bestätigte nicht einmal, dass es die versuchte Durchsuchung gegeben habe.

Bild zufolge handelten die Ermittler im Auftrag des hessischen Landeskriminalamtes. Es soll ihnen um Internet-Zugriffsdaten von Nutzern des Online-Angebotes Bild.de gegangen sein. Die Polizisten seien bereits am Eingang abgewiesen worden.

Auf Nachfrage sei Bild mitgeteilt worden, dass am Wochenende zeitnah kein Durchsuchungsbeschluss zu bekommen gewesen, aber Gefahr in Verzug gewesen sei. Eine Anweisung des Justizministeriums, die Redaktionsräume zu durchzusuchen, habe es nicht gegeben, da die Staatsanwaltschaften "ihre Verfahren selbständig und eigenverantwortlich" führten, zitiert Bild aus einer entsprechenden Stellungnahme.

Die Aktion stehe in Zusammenhang mit einem "Ermittlungsverfahren gegen Polizisten, die eine NSU-Opferanwältin bedroht haben sollen", schreibt Bild. Das bezieht sich vermutlich auf den Fall der Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die die Familie eines NSU-Mordopfers vertreten hatte. Sie und ihre kleine Tochter wurden in anonym gesendeten Nachrichten massiv bedroht. Fünf Frankfurter Polizisten sollen interne Daten über sie aus dem Polizeicomputer an die Drohbriefschreiber gegeben oder sogar selbst die Nachrichten gesendet haben. Die Polizisten, die zudem einen rechtsradikalen Chat betrieben hatten, sind inzwischen suspendiert. Trotzdem wurde die Anwältin, wie sie im Januar im Gespräch mit der SZ beschrieb, weiter bedroht.

Bild-Chefredakteur Julian Reichelt sagte, man werde Ermittlungsbehörden prinzipiell nicht freiwillig Nutzerdaten zur Verfügung stellen. Er kündigte an, der Verlag würde gegen einen entsprechenden richterlichen Beschluss juristisch vorgehen.

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