BBC-Tierfilme:Miniatur-Dramen ums Überleben

Eine Erde - viele Welten (3/6)

Schneeleoparden kamen die Macher mit Hilfe von Kamerafallen auf die Schliche, die per Bewegungsmelder aktiviert wurden.

(Foto: ZDF und David Willis)

Zehn Jahre nach "Planet Earth" zeigt das ZDF neue Folgen der erfolgreichen BBC-Reihe. Mit modernster Technik haben die Macher beeindruckende Bilder eingefangen, die begeistern.

Von Karoline Meta Beisel

Es heißt oft, die BBC sei die beste der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa. Jetzt hat der Sender sogar herausgefunden, was es braucht, um junge Leute aus dem Internet zurück vor den Fernseher zu holen: einen Greis und wilde Tiere.

Als die BBC Anfang November neue Folgen ihrer Natur-Dokureihe Planet Earth mit dem 90-jährigen Erzähler Sir David Attenborough ausstrahlte, wollten das mehr Zuschauer zwischen 16 und 34 Jahren sehen als die Castingshow X-Factor, insgesamt schauten mehr als zwölf Millionen Menschen zu. Bei der Filmdatenbank IMDb ist die zweite Staffel als beste Fernsehproduktion aller Zeiten gelistet, noch vor Game of Thrones: Im Kampf Warane gegen Drachen steht es eins zu null. Von diesem Sonntag an ist Planet Earth unter dem Titel Eine Erde - viele Welten auch in Deutschland zu sehen, das ZDF hat die Reihe mitproduziert und sendet sie auf dem Sendeplatz von Terra X.

Zehn Jahre nach der ersten Staffel zeigt die BBC mit den neuen Folgen, was im Tierfilm heute möglich ist. Ein Clip aus der ersten Folge, der sich im November auch hierzulande in den sozialen Netzwerken verbreitete, macht klar, was das Format so besonders macht. Darin geht es um Meerechsen, eine Leguanart, die auf den Galapagosinseln heimisch ist. Sie schlüpfen aus Eiern, die Weibchen fernab von der Küste im Sand vergraben. Von dort müssen die Kleinen allein zum Strand - und auf dem Weg droht Gefahr. Man sieht also aus nächster Nähe eine Echse, wie sie erst ihren Kopf, dann den Körper aus dem Sand schält. Sie watschelt los, in Richtung des linken Bildrandes - dann schiebt sich von rechts lautlos eine Schlange ins Bild, gleich danach noch eine und noch eine. Die Echse flieht, aber dann kommen von allen Seiten Nattern zwischen den Felsen hervor, wie aus dem Kopf der Medusa.

Die Szenen sind Miniaturen über Sex, den Tod oder zumindest die nächste Mahlzeit

Als Zuschauer fiebert man mit der Echse wie sonst wohl nur mit der Lieblingsfußballmannschaft. Es sollen sogar schon Journalisten triumphierend die Fäuste in die Luft gerissen haben, als es der Echse gelingt, sich aus einem Knäuel Nattern zu befreien.

Dass den Zuschauer diese und andere Momente in Planet Earth emotional derart ansprechen, liegt an zwei Dingen. Zum einen an der Dramaturgie der Szenen. Sie funktionieren wie Miniaturen, wie kurze Dramen ums Überleben, Sex oder zumindest um die nächste Mahlzeit - und sind auch genauso geschnitten. Die Musik von Oscar-Gewinner Hans Zimmer, der normalerweise Hollywoodfilme wie Interstellar, Gladiator oder König der Löwen vertont, unterstützt diesen Eindruck noch.

Noch beeindruckender sind aber die Bilder. Mit Lemuren springt der Zuschauer auf Madagaskar hoch in den Wipfeln von Baum zu Baum; auf der Arabischen Halbinsel steht er mit Steinböcken auf den allerschmalsten Felsabsätzen, so nah an den Tieren, dass er die Steinchen unter den wegrutschenden Hufen der Jungtiere sehen kann. Und in den Rocky Mountains sitzt der Zuschauer - also die Kamera - auf einem Ast genau jenes Baumes, an dem sich gerade ein Grizzly schubbert. In vielen Szenen kann man die Tiere atmen hören. Wie haben die das nur gemacht?

Weil man sich diese Frage beim Zuschauen ständig stellt, endet bei der BBC jede der sechs Episoden mit einem zehnminütigen Making-of. Für die deutsche Ausstrahlung wurden diese Blicke hinter die Kulissen leider auf insgesamt 15 Minuten zusammengekürzt, die im Anschluss an die Auftaktfolge gezeigt werden. Bei Youtube und auf der Webseite der BBC findet man aber noch allerlei Zusatzmaterial.

Mehr Science als Fiction

2089 Tage lang sind die Kameramänner der BBC auf der ganzen Welt unterwegs gewesen. Bei einem Drehort - einer Insel im Südatlantik, auf der Zügelpinguine brüten - dauerte allein die Anreise neun Tage. Die Kameraleute arbeiteten mit hochauflösenden Ultra-HD- und Hochgeschwindigkeitskameras, die von Drohnen hoch in die Wipfel der Regenwälder oder von Fallschirmspringern die Berge hinabgeflogen wurden. Im Himalaja gelang es der BBC durch Kamerafallen, die per Bewegungsmelder aktiviert werden, gleich vier Schneeleoparden zu filmen - obwohl es auf der ganzen Welt nur noch ein paar Tausend Exemplare geben soll.

Außer der gestauchten Making-ofs gibt es noch einen entscheidenden Unterschied zwischen der ZDF-Variante und dem britischen Original: David Attenborough. Der Tierfilmer und Naturforscher ist für die Briten so etwas wie eine Mischung aus Heinz Sielmann und dem Weihnachtsmann. Auf der Insel ist er so einflussreich, dass das britische Polarforschungsprogramm kürzlich sein neuestes Forschungsschiff nach ihm benannt hat - auch wenn sich die Briten bei einer Abstimmung im Netz eigentlich für den Namen Boaty McBoatface ausgesprochen hatten. Immerhin soll nun eines der Tauchfahrzeuge des Bootes so heißen.

Berge, Dschungel, Wüste

Der deutsche Sprecher ist Christian Schult, der sehr ähnlich klingt wie sein Vater Rolf, der wiederum bis zu seinem Tod die Stimme von Robert Redford war. Auch Christian Schult hat eine beeindruckende Stimme, aber ohne das Geschichtenerzählonkelhafte von Attenborough. In Deutschland klingt die Serie darum mehr nach Science als nach Fiction.

Wie in der ersten Staffel ist jede Episode einem bestimmten Lebensraum gewidmet: den Bergen, dem Dschungel, der Wüste. Die stärkste Folge der zweiten Staffel aber zeigt ein Habitat, das vor zehn Jahren noch nicht beleuchtet wurde: Städte, an die sich manche Tiere auf erstaunliche Weise angepasst haben. So wie die Welse in der südfranzösischen Stadt Albi, die sich angewöhnt haben, Tauben zu fangen, die sich am Flussufer niederlassen. In Indien gelangen mit Wärmebildkameras erstmals Aufnahmen von Leoparden, die nachts in Mumbai Schweine jagen.

Aber nicht überall geht es Tieren in der Stadt gut. An den Stränden von Barbados legen Karettschildkröten ihre Eier; sie schlüpfen bei Vollmond und krabbeln dann auf das hellste Licht zu: den Mond über dem Meer, eigentlich. Auf Barbados aber ist das hellste Licht in der Nacht die Stadt. 80 Prozent der Babyschildkröten laufen in die falsche Richtung, werden von Autos überfahren oder fallen in Gullys, aus denen sie nur mithilfe von Freiwilligen entkommen können. Ganz ohne mahnenden Zeigefinger kommt ein Format wie Planet Earth wohl doch nicht aus.

Nach dem Erfolg der zweiten Staffel will man bei der BBC eine dritte nicht ausschließen, selbst wenn erneut zehn Jahre vergehen könnten. Ob die wieder so ein Knaller wird, hängt laut dem Produzenten Mike Gunston aber auch von höheren Mächten ab: "Klar würde ich gerne hoffen, dass der Erfolg der Sendung an ihrer Qualität liegt, aber ich glaube, das liegt auch an dem Zeitpunkt", sagte er dem Guardian. "Wenn man mit den Leuten spricht, bekommt man den Eindruck, dass die sich zuletzt Sorgen um unsere Welt gemacht haben. Das hier ist eine Möglichkeit, die Wunder der Welt zu sehen und sich vielleicht ein bisschen abzulenken", sagt er.

Terra X: Eine Erde - viele Welten, sonntags, Folge 1 um 19.15 Uhr. Folgen 2 bis 6 um 19.30 Uhr.

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