ARD:Tatort Wien: Sex ist auch keine Lösung

Tatort "Sternschnuppe" aus Wien, Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer

Sieht nicht nach Spaß aus - war es aber. Das zumindest lassen sich die Wiener Kommissare Fellner (Adele Neuhauser) und Eisner (Harald Krassnitzer) später von einem Sexualtherapeuten erklären.

(Foto: ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg)

Ein Musikproduzent stirbt bei erotischen Strangulationsspielchen. Auch Fellner und Eisner müssen erörtern, ob das mit ihnen sexuell was werden könnte.

Kolumne von Johanna Bruckner

Darum geht es: Um die gnadenlose Castingmaschinerie, die junge Menschen am Fließband verheizt. Klingt klischeelastig und pathetisch? Ist es auch, zumindest in der zweiten Hälfte des Wiener Tatorts "Sternschnuppe". Am Anfang steht wie immer eine Leiche: Musikproduzent und Sing deinen Song-Juror Udo Hausberger wird erhängt in einer Dusche seines Hauses gefunden. Bekleidet ist er mit einem Ledergeschirr aus dem SM-Bedarfs-Laden. Verkehrsunfall oder doch Mord? Die Kommissare Bibi Fellner und Moritz Eisner ermitteln - und klären unterwegs, wie es eigentlich um ihr eigenes Sexleben bestellt ist.

Lesen Sie hier die Rezension von SZ-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog: Die Kommissare diskutieren nach der Tatortbegehung, ob sie überhaupt für den Fall verantwortlich sind. Oder wie es Bibi Fellner formuliert: "Hat ihn jetzt wer ermordet oder hat er sich selber entsorgt?"

Moritz Eisner: Auf dem Tisch standen auf jeden Fall einige Flaschen und das ganze andere Zeug - und ein einziges Glas.

Bibi Fellner: Du meinst, er war allein?

Moritz Eisner: Ich weiß es ned. Aber wer schaut sich schon Pornos gemeinsam mit anderen Leuten an? Ich mein', das ist doch eher etwas, was man alleine anschaut, oder?

Fellner: Naja, des würd' i jetzt ned so pauschal ...

Eisner: Mit wem schaust du Pornos?

Fellner: I schau überhaupt keine Pornos, des deprimiert mi nur.

Eisner: Wieso? Da gibt's garantiert immer 'n Happy End.

Fellner: Aber die san immer alle so hübsch, und so gelenkig, und so motiviert. Ich weiß ned, i bin eher für Leber- als für Sportübungen.

Eisner: Ja, geht mer genauso.

Fellner: Vielleicht haben wir beide deshalb so wenig Sex.

Eisner: Ja, Moment! Wer sagt, dass i wenig Sex hab'?

Fellner: Ekelhaft.

Die besten Zuschauerkommentare:

Beste Szene: Fellner und Eisner holen sich Expertenrat beim Sexualtherapeuten. Der klärt sie nicht nur über die Vorteile von erotischer Atemkontrolle auf sondern legt den Kommissaren eine andere Art der Partnerschaft nahe: "Sie könnten ja zunächst einmal eine rein sexuelle Beziehung eingehen und dann langsam die emotionale Bindung zulassen." Nach dem Besuch fällt Eisner nur noch eins ein: "Wie wär's mit Sex des Alters?" - Fellner: "Woas?" - Eisner: "Essen." Bei Schnitzel und Geschnetzeltem liefert Eisner dann eine Handreichung für genervte Singles auf die Frage: "Hast du was am Laufen?" Die Antwort des Kommissars: "Nicht konkret, aber durchaus ambitioniert."

Top: Im Vorspann dieser Episode wird darauf hingewiesen: "Die Handlung des Films ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig." Soll heißen: Natürlich sind die menschenverachtenden Mechanismen des Musikbusiness nicht frei erfunden, und natürlich ist "Sternschnuppe" eine Abrechnung mit Shows wie Deutschland sucht den Superstar und Juroren wie Dieter Bohlen. Der Tatort nimmt sich des Themas nicht nur an, sondern liefert das Urteil gleich mit. "Da werden Hoffnungen geweckt und am Ende bleibt ein komplett zerstörter junger Mensch zurück", sagt die Mutter von Castingshowgewinnerin Vera Sailer. So viel Haltung - bravo!

Flop: Am Ende gerät das Engagement der Macher zur Kampagne, die Fernsehwelt wird zu einem besseren Ort. Da bekommt der ehrgeizige Nachwuchskünstler plötzlich Gewissensbisse, inklusive dem Reueklassiker: "Ich kann mich nicht verbiegen." Und die knallharte Castingshow-Redakteurin zeigt dem Sendungslogo den Stinkefinger. Wie hieß noch gleich diese TV-Show - Wünsch Dir was?

Bester Auftritt: An einem guten Tag sind Fellner und Eisner die besseren Münsteraner. "Sternschnuppe" ist ein solcher Tag. Dialoge wie dieser machen manche dramaturgische Schwäche vergessen:

Fellner: Peter Paulo dos Santos.

Eisner: Künstlername.

Fellner: Na, gute Nacht - jetzt san die Therapeuten au schon Künstler.

Eisner: Hat eine Brasilianerin geheiratet und hat dann ihren Namen angenommen. Vorher hat er Schmitz geheißen. Aber gehst du zu einem Herrn Schmitz, um über dein Sexualleben zu reden?

Fellner: Nein. Ich geh' zu niemandem, um über mein Sexualleben zu reden.

Eisner: Stimmt, wer keins hat, braucht nicht drüber reden.

Die Erkenntnis: Castingformate sind Teufelszeug. Da verkauft man seine Seele und wird weggeworfen, sobald man keinen Profit mehr bringt.

Die Schlusspointe: Kommt in diesem Tatort früh, schon nach knapp drei Minuten. Wird das noch was mit den beiden Kommissaren? Und wie hält man es denn nun am besten mit der Musik? "Du bist nüchtern nicht zum Aushalten", wirft Kommissar Eisner seiner Kollegin vor. Fellner antwortet: "Na dann is ja alles klar. Vielleicht sollt' i wieder saufen und du weniger singen."

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