Applaus und Raus! mit Oliver Polak:"Stefan Raab ist tot, ich mach' das jetzt"

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Wer nicht gefällt, wird von Comedian Oliver Polak weggebuzzert. Die anderen dürfen ausreden - müssen dann aber auch schnell gehen. (Foto: York Christoph Riccius/obs)

Oliver Polak wäre vielleicht der richtige Mann für den neuen Late-Night-Talk auf Pro Sieben. Leider geht das Konzept der Sendung nicht ganz auf.

TV-Kritik von Ruth Schneeberger

Ein paar Sätze sind Brüller. Zum Beispiel der, mit dem sich Moderator Oliver Polak (letztes Comedy-Programm: "Ich darf das, ich bin Jude") zu Beginn der neuen Late-Night-Talk-Sendung am Montag kurz vor Mitternacht vorstellt:

"Mit Pro Sieben und mir muss man sich das ein bisschen so vorstellen wie mit Germanwings und den Piloten. Die wissen: Da stimmt was nicht. Aber sie lassen uns einfach mal machen."

Wumms. Ein Witz wie eine Rakete. Harald Schmidt hätte den zwar durchaus nicht erst anderthalb Jahre nach der tragischen Flugzeugkatastrophe gebracht, sondern direkt danach - aber man muss Oliver Polak, 40, zugutehalten, dass er damals noch nicht als potenzieller Nachfolger von Stefan Raab eine eigene TV-Sendung zum Ausprobieren bekommen hat: "Applaus und Raus!".

Einige sind schon gescheitert an diesen übergroßen Fußstapfen, die der Sender bereits mit einer hübschen jungen Frau und diversen anderen Witzbolden notdürftig zu füllen versuchte, doch Polak ist der Erste, dem auch der Zuschauer den nötigen Biss zutraut, denn den hat er durchaus schon bewiesen.

"Lassen Sie uns ganz unverkrampft miteinander umgehen [...] Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust - und Sie verzeihen uns Michel Friedman."

Mit Sätzen wie diesen tourt der ehemalige Viva-Praktikant seit 2006 durch die Comedy-Szene und spielte - als Sohn eines deutschen Juden, der den Holocaust überlebte - Adolf Hitler in einem Musikvideo der Band K.I.Z. Bis 2014 der Zusammenbruch kam: schwere Depressionen. Und danach ein Buch darüber: "Der jüdische Patient." Zusammen mit Micky Beisenherz macht er sich seitdem im TV über Randgruppen lustig - allerdings mit ihnen zusammen.

Randgruppe ist irgendwie jeder

Eine dieser körperlich Behinderten ist auch an diesem Abend zu Gast, und schon wieder benutzt er sie, um sich über Randgruppen lustig zu machen. Diesmal allerdings über die Randgruppe "so übermotivierter wie erfolgloser Comedian". Denn der erste Gast der neuen Show ist: Oliver Pocher. Viel erzählen darf der diesmal nicht, denn Polak will ihn lieber fragen: "Was mich interessieren würde: Wen bumst du gerade?" Weil das in seiner Wahrnehmung immer große blonde Frauen seien, gibt Polak seinem Vornamensvetter diesmal eine Kleinwüchsige an die Hand - und schmeißt ihn aus der Sendung.

Das ist das angeblich bahnbrechend neue Konzept der Show: Die Gäste werden dem Gastgeber zuvor nicht mitgeteilt, und sobald sie ihn langweilen, wirft er sie raus. (Zu Hilfe kommt ihm dabei ein Berliner Türsteher. Überhaupt ist die Berliner Türsteherszene an diesem Abend auch im Publikum erstaunlich präsent.)

Das Problem: Er schmeißt auch die anderen Gäste innerhalb kürzester Zeit raus. Die schwarze Schauspielerin Thelma Buabeng, mit der er sich prima über Diskriminierung im deutschen Fernsehen unterhält, wird auch nach ein paar Minuten verabschiedet - allerdings ohne Buzzer, sondern ganz freundlich.

So wird in dieser ersten Nacht von "Applaus und Raus!" leider nicht klar, was der Unterschied zwischen den rausgebuzzerten und den freundlich verabschiedeten Gästen sein soll - entgegen der vollmundigen Ankündigung der Show, sie sei natürlich ganz anders als alle anderen zuvor.

Und entgegen der Ankündigung treten auch hier Gäste auf, die ihr neues Produkt verkaufen wollen, etwa Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski, die extrem kurz über ihr neues Buch sprechen darf, bevor sie aufgrund konträrer Ansichten mit dem Moderator zum Thema Feminismus ebenfalls rausgebuzzert wird.

Ein weiterer SpOn-Kolumnist sorgt wenigstens für eine Steilvorlage: Sascha Lobo will dem jungen Publikum erklären, dass "der Hass der 50- und 60-Jährigen im Netz" in einem Land, das Menschen in zweistelliger Millionenhöhe ermordet habe, wohl nicht ganz neu sei. Oliver Polak missversteht "zwei Millionen" - und verkündet fortan, Sascha Lobo sei in die Sendung gekommen, um den Holocaust zu leugnen. Das ist nun wirklich witzig.

Häppchen und Hipness - eine Sendung wie Tinder

Schade, dass das Konzept der Sendung so schlecht aufgeht, denn es ist irgendwie nicht so lustig, wenn entfernte Bekannte des Moderators (eine jugendliche Prinzessin, eine wohlgekleidete Moderatorin) nach ein paar Sekunden und ein paar warmen Worten die Bühne schon wieder verlassen, um Platz zu machen für Gäste, die ein bisschen mehr zu erzählen haben (Deutschlands vielleicht erste Frau im All, außerdem des Moderators Mutter), aber trotzdem daran gehindert werden. Denn mehr als ein paar Minuten Talk sieht das Sendungskonzept nun mal nicht vor.

Dabei hätte Polak eigentlich das Zeug, wirklich interessante Gespräche zu führen. Man müsste ihn halt mal machen lassen. Immerhin hat er die Herausforderung angenommen und verkündete am gestrigen Abend für die Zuschauer, die später eingeschaltet und das Konzept der Sendung verpasst haben, in aller Kürze: "Stefan Raab ist tot, ich mach' das jetzt."

Schauen wir mal. Wenn er sich dabei weniger an einer Mischung aus Elton und Raab orientiert und stattdessen mehr an seinem eigenen scharfen Humor, das ganze vielleicht noch auf einem anderen Sender, der weniger von Häppchen und Hipness lebt - es könnte was werden mit Oliver Polak und der späteren Nacht.

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