Zum Tode Yves Saint Laurents:Der Mann, der die Frauen liebte

Etwas größenwahnsinnig war Yves Saint Laurent schon, aber zu Recht: Das verschlungene YSL ist so berühmt geworden, wie eine Marke nur werden kann.

Gerd Kröncke

Als junger Mensch war Yves Saint Laurent so schön wie Narziss. Man hat jetzt wieder das Bild vor Augen - des jungen nackten Mannes mit Brille, photographiert von Jeanloup Sieff - das einmal Furore gemacht hat, weil erstmals ein Kerl als Sexobjekt für Werbung hergehalten hatte. Dabei war die Photographie des Yves Saint Laurent nur ein unschuldiges Abbild eines großen Jungen, der irgendwie vom Himmel gefallen schien. "Er war der Kleine Prinz der Mode", wie ihn Le Parisien am Montag auf seiner ersten Seite würdigte.

Zum Tode Yves Saint Laurents: 2002: Yves Saint Laurent zieht sich zurück.

2002: Yves Saint Laurent zieht sich zurück.

(Foto: Foto: AFP)

Anders als beim Kleinen Prinzen des Saint-Exupéry war seine Melancholie bei dem erzwungenen Versuch erwachsen zu werden, zur Depression verkommen. Yves Saint Laurent, der die Frauen liebte, weil er keine begehrte, gehörte zu den großen Modeschöpfern des vergangenen Jahrhunderts. Nichts kleide die Frauen besser als die Arme des Mannes, der sie liebt, "für alle die nicht dieses Glück haben, bin ich da".

Etwas größenwahnsinnig war er in dem Maße, wie man es Genies nachsieht. Schon als Junge war er sich sicher, dass sein Name einmal über den Champs Elysées strahlen würde. Das Kind aus dem algerischen Oran, Sohn betuchter Franzosen, fand, das Y seines Namens sei sowieso ein umgekehrter Tour Eiffel. Das verschlungene YSL ist dann so berühmt geworden, wie eine Marke nur werden kann. Er hat die Mode des Zwanzigsten Jahrhunderts demokratisiert. Mochte sein Kleid auch für normalverdienende Frauen unbezahlbar sein, sein Einfluss hat Nachahmer geprägt, die sich auch die Kaufhauskundin leisten konnte.

Nun, bei der Nachricht seines Todes, erinnert man sich, dass er seinen Abschied schon im Januar 2002 vollzogen hat. Damals, vor einem letzten Defilee, hatte er in seinem Modehaus an der Pariser Avenue Marceau die einzige große Pressekonferenz seiner Karriere gegeben. Hilflos in seiner überwältigenden Schüchternheit formulierte er mühsam, sprach davon, dass "die schönsten Paradiese die sind, die man verloren hat". Damals war er schon krank, ließ sich stützen als er die Szene verließ. Unter Beifall.

Dass er anders war als die meisten, hatte er schon als Kind erfahren, dabei war seine Kindheit glücklich, jedenfalls so lange ihn die Familie beschirmte. Später wurde es furchtbar, weil man in Oran nicht anders sein durfte. Die Klassenkameraden quälten den Außenseiter - "sie schlugen mich und sperrten mich auf dem Klo ein".

Die Legende, an der er selbst gesponnen hat, besagt, dass Yves Saint Laurent seine Leidenschaft schon als Vierzehnjähriger entdeckte, dass er den Puppen seiner Schwestern Kleider schneiderte und Rechnungen ausstellte. In Paris, nach dem Abitur, war er nach einem gewonnenen Wettbewerb, bei dem er sich gegen Karl Lagerfeld durchsetzte, von Christian Dior angestellt worden. Nach dessen Tod fiel ihm - getreu der Verfügung des Chefs - die künstlerische Leitung des berühmten Hauses zu. Bei der Beerdigung Diors hatte YSL den älteren Pierre Bergé kennengelernt, den damaligen Freund des Malers Bernard Buffet. Es wurde eine Liebe fast für immer und eine Freundschaft fürs Leben.

Vieles zum ersten Mal getan

Als Wehrpflichtiger sollte Saint Laurent nach Algerien und wäre in der Männerwelt des Militärs fast zu Grunde gegangen. Nur wenige Wochen dauerte sein Soldatenleben, dann kam er wegen Depressionen ins Hospital, sein Freund Bergé war der einzige, den er sehen wollte. Als er aus dem Krankenhaus und der Armee entlassen wurde, war er drogenabhängig und ist es geblieben. Auch die Ängste haben ihn nie wieder verlassen.

Er hat sie in der Arbeit vergessen, manchmal wohl auch mit seinem Gefährten, mit dem er das Modehaus gründete. "Yves Genie war so offensichtlich, dass es unmöglich war, keinen Erfolg zu haben", sagte Pierre Bergé. Der hatte alles verkauft, seine Wohnung, seine Buffet-Gemälde, es fand sich sogar ein reicher Texaner, der ihnen ein paar Hunderttausend Dollar lieh. Von da an ging's bergauf. YSL spürte, was die Frauen wollten, inspiriert von denen, deren Nähe er fand. Paloma Picasso zum Beispiel und vor allem Catherine Deneuve. Es war diese neue Frauengeneration der Sechziger- und Siebzigerjahre.

Yves Saint Laurent hat in seiner besten Zeit vieles zum ersten Mal getan, war der erste, der ein Stadion füllte mit einer Modenschau, der erste, der die Blusen durchsichtig machte, auch der erste, der in der Nach-Achtundsechziger-Zeit den verblüfften Stalinisten auf dem alljährlichen Humanité-Fest die vergängliche Schönheit seiner Mode nahe brachte. So lange er Erfolg hatte, war Frankreich sicher, sich gegen die neuen Zentren, London oder New York, zu behaupten. Dass er provozierte, war Teil des Erfolgs. Als er seine Kollektion unter das Motto der Vierzigerjahre stellte und Reminiszenzen an die Vichy-Zeit weckte, wurde ihm selbst das verziehen.

"Coco Chanel hat den Frauen Freiheit gegeben", wie Pierre Bergé sagt, "Yves Saint Laurent gab ihnen Macht". Nun haben ihn alle gewürdigt: der Premier, die Kulturministerin und natürlich der Präsident. "Yves Saint Laurent", sagte Nicolas Sarkozy, "war der erste, der die Haute Couture in den Rang der Kunst erhoben hat".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: