Heinz-Friedrich Harre und Reinhard Lüschow feiern heute ihren zehnten Hochzeitstag - und das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft Geburtstag. Seit seiner Einführung hat sich viel bewegt - doch von einer Gleichstellung mit der traditionellen Variante ist die "Homo-Ehe" noch weit entfernt. Die Hochzeitsfotos sind ordentlich und staubsicher hinter Plastik sortiert - ziemlich alltäglich, spießig fast. Und doch machte eine ganz private Entscheidung Heinz-Friedrich Harre (rechts) und Reinhard Lüschow (links) aus Hannover berühmt: Als erstes homosexuelles Paar machen Harre und Lüschow ihre Liebe am 1. August 2001 offiziell und lassen bei Hannovers damaligem Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg ihre Lebenspartnerschaft eintragen.
Der Kuss des Finanzbeamten und des Verwaltungsangestellten geht um die Welt. "Weil wir so lange gekämpft hatten, war es uns wichtig, gleich am 1. August zu heiraten", sagt Lüschow kurz vor seinem zehnten Hochzeitstag. "Wir haben nur positive Reaktionen erfahren", ergänzt sein Mann. Die gesetzliche Regelung der sogenannten Homo-Ehe war eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Projekte der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Allerdings stand die Hochzeit von Lüschow und Harre bis zuletzt auf der Kippe.
Die CDU-regierten Bundesländer Bayern und Sachsen hatten beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen das Lebenspartnerschafts-Gesetz gestellt. Doch die Regelung trat wie geplant in Kraft - und machte auch für Angela Gobelin (links) und Verena Lappe (Mitte) den Weg frei, sich zu "verpartnern". Sie ließen sich ebenfalls gleich am 1. August 2011 trauen - im Beisein von Hamburgs zweiter Bürgermeisterin und Senatorin für Gleichstellung, Krista Sager (rechts). Inzwischen gibt es 23.000 eingetragene Lebenspartnerschaften in Deutschland, darunter auch äußerst prominente.
Im vergangenen Jahr heiratete Bundesaußenminister Guido Westerwelle seinen Lebensgefährten Michael Mronz. Das Bild zeigt das Paar bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2009. Die Homo-Ehe hält übrigens statistisch gesehen länger als bei heterosexuellen Paaren: "Die Trennungsquote liegt unter zehn Prozent und ist deutlich geringer als bei heterosexuellen Ehepaaren", sagt Renate Rampf vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland. Dies liege daran, dass die "Verpartnerten" in jeder amtlichen und beruflichen Situation geoutet seien, deshalb wäge man den Schritt vorher sehr ernsthaft ab.
Zwar gibt es längst auch das lesbische Brautpaar für die Hochzeitstorte - rein rechtlich ist die Lebenspartnerschaft der Ehe jedoch nicht gleichgestellt. In mühsamen Prozessen und Einzelfallentscheidungen haben Gerichte homosexuellen Paaren in den vergangenen Jahren immer mehr Rechte zuerkannt.
So entschied das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr, dass die bisherige Ungleichbehandlung von Homo-Paaren beim Erbrecht nicht mit dem Grundgesetz im Einklang steht. Auch bei der Hinterbliebenenrente, dem Sozialrecht oder den GEZ-Gebühren ist die Gleichberechtigung weitgehend erreicht. Inzwischen können sich gleichgeschlechtliche Paare auch in allen Bundesländern auf dem Standesamt - und nicht auf einer anderen Behörde - das Ja-Wort geben. Doch in vielen zentralen gesellschaftlichen Bereichen kämpfen Lesben und Schwule weiter für mehr Gleichstellung und gegen Diskriminierung.
So haben gleichgeschlechtliche Paare anders als Eheleute bisher keine Vorteile bei der Einkommensteuer, und auch beim Adoptionsrecht gibt es einen Sonderstatus: In einer eingetragenen Partnerschaft kann nur ein Partner alleine ein Kind adoptieren. Das Recht auf gemeinsame Adoption gibt es nicht. Auch eine Stiefkindadoption für das adoptierte Kind des Partners gibt es nicht. Für ihre Rechte gehen alljährlich Lesben und Schwule bei den Christopher-Street-Days (CSD) auf die Straße, wie hier am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main unter dem Motto "Einigkeit und Recht auf Gleichheit".
Dabei geht es noch immer auch um grundlegende gesellschaftliche Akzeptanz - obwohl Politiker und Verbandssprecher dieser Tage nicht müde werden zu betonen, die Homo-Ehe sei längst "in der Mitte der Gesellschaft" angekommen. Am Rande des CSD in Stuttgart hielten Mitglieder der ultrakonservativen Piusbruderschaft am vergangenen Wochenende eine Kundgebung ab. "Gott lässt seiner nicht spotten", hatten sie auf ein Transparent geschrieben. Das Plakat eines CSD-Teilnehmers antwortete: "Smash Homophobia" - "Zerschlagt Homophobie".
Doch vielen, ob wie hier auf Frankfurts Straßen oder im Berliner Politikbetrieb, geht es nicht mehr nur darum, in zähen Verfahren einzelne Recht für homosexuelle Lebenspartner zu stärken: Sie fordern schlicht eine Gleichstellung mit der Ehe - oder die gänzliche Aufhebung dieser Unterscheidung.
Letzteres sieht eine von Berlins offen schwulem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) unterstützte Bundesratsinitiative vor. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat indes am Wochenende eine komplette Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe heterosexueller Paare versprochen. Sie sei "zuversichtlich, dass nicht zehn Jahre verstreichen", bis die letzten Ungleichheiten beseitigt würden, sagte die FDP-Ministerin. Die Öffnung der traditionellen Ehe für homosexuelle Paare forderten am Wochenende auch Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei.
Einen Schritt weiter ging der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. Er forderte die katholische Kirche zu einer neuen Sexualethik auf. "Die katholische Kirche sollte ihre Sexualethik auf den Prüfstand stellen", sagte Beck den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe. "Mit ihrer Einstellung, dass Sexualität nur in der Ehe und zur Fortpflanzung legitim ist, zielt sie an der Lebensrealität nicht nur der Schwulen und Lesben vorbei", sagte Beck. Zudem mache die Kirche auch den Unterschied zwischen dem Schutz sexueller Selbstbestimmung und Missbrauch nicht hinreichend klar. Auf die Frage, ob er sich als Homosexueller von der Kirche noch diskriminiert fühle, sagte Beck: "Selbstverständlich. Wenn ich lese, dass Mitarbeitern der Caritas gekündigt wird, weil ihre Homosexualität bekannt wird, dann ist das eine eindeutige Diskriminierung."
Widerstand gegen die Gleichstellungsforderungen vom Wochenende kam am Montag von der Union. Leutheusser-Schnarrenbergers Vorstoß entbehre "jeder Grundlage", sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Das Thema steht nicht auf der Agenda der Koalition." Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, schloss eine Reform des Lebenspartnerschaftsgesetzes aus: "In der christlich-liberalen Koalition gibt es keine Pläne, die Lebenspartnerschaften von Lesben und Schwulen mit der Ehe vollständig gleichzustellen", sagte er dem Blatt. Die Union werde "nicht gleichstellen, was nicht gleich ist", sagte Müller.
Das erste Homo-Ehepaar Deutschlands, Heinz-Friedrich Harre (rechts) und Reinhard Lüschow aus Hannover, will weiterhin für eine völlige Gleichstellung kämpfen. Kraft geben ihnen die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte. "1979 sind wir beim Christopher Street Day noch unter Polizeischutz gelaufen, heute feiert die Polizei mit", sagt Lüschow.