Yoga:Wenn der Swami atmet, werden selbst Krieger sanft

München: Swami Jyothirmayah, Happiness Programm

Wenn der Meisterschüler Swami Jyothirmayah sein Yoga praktiziert, geht es selten so beschaulich zu wie auf diesem Foto im Münchner Hofgarten.

(Foto: Stefanie Preuin, SZ)

Die Yogalehrer von "Art of Living" werden gerufen, um in militärischen Konflikten Frieden zu stiften. Ihr Geist wirkt nachhaltig. Ein Besuch beim Happiness-Programm.

Von Ulrike Heidenreich

Wie man jetzt die Kundalini dazu bringt, das Scheitel-Chakra zu erreichen, um friedvoll im Samadhi zu bleiben, ist erst mal wurscht. Es geht hier nicht um das eigene Ego, es geht um den Weltfrieden. "So-Hamm, Sooo-Hammm" gibt der Swami den Atemrhythmus vor. Einatmen, ausatmen. 20-mal langsam, 40-mal mittel, 40-mal schnell. Abgehacktes Hecheln, höchste Konzentration. Dies alles ist Teil der Meditation, und wer vorher nicht weggedriftet ist, tut es spätestens jetzt. Hyperventilation, Sauerstoff satt im Blut. Gegenüber sitzt Swami Jyothirmayah und lächelt.

Diesem Swami Jyothirmayah und seinen Mitstreitern von der Organisation Art of Living eilt ein großer Ruf voraus. Von den Vereinten Nationen bis zu Großkonzernen und Universitäten - sie sind gefragt als yogische Berater. Oft werden sie als Friedensstifter dorthin berufen, wo es kracht, in den Irak, nach Kaschmir oder Kolumbien. Und allein durch ihre Anwesenheit, ein paar Mediationsübungen und tiefe Atemzüge scheinen sie Wunder zu bewirken. Alle sind dann plötzlich so entspannt im Hier und Jetzt. Da lohnt es den Versuch, ob diese Methode auch im Alltag so nachhaltig wirkt. "Augenblicke entstehen, die unser Leben erfüllen und unser Sein wieder zum Strahlen bringen" - das verspricht das Happiness-Programm.

Drei mal drei Stunden am Abend mit dem Swami sind das, eine intensive Erfahrung. 265 Euro kostet das Streben nach Glück, Gesundheit und Zufriedenheit; Ermäßigung gibt es für Rentner, Studenten - und Wiederholer. Für die sind es dann nur noch 50 Euro. Ein lukratives Geschäft? Die Sektenbeauftragten der Kirchen geben bei Art of Living Entwarnung. Die Organisation wurde 1981 gegründet, ist stolz darauf, bei den Vereinten Nationen als NGO akkreditiert zu sein, und versteht sich nicht als religiöse Gemeinschaft.

Sri Sri Ravi Shankar heißt der Art-of-Living-Gründer, nicht zu verwechseln mit dem berühmten Sitar-Spieler aus Indien. Gemeinsam mit dem Dalai Lama hat er den Internationalen Verein für menschliche Werte gegründet, er ist einer der bekanntesten spirituellen Lehrer in Indien. Für Vorträge oder auch mal Friedensverhandlungen reist er rund um die Welt, tritt auf dem Evangelischen Kirchentag genauso auf wie beim Weltwirtschaftsforum oder vor dem Europäischen Parlament.

Shankar schuf Frieden in Kolumbien

Das Ambiente in der Art of Living Happiness Oase im Herzen Münchens scheint guten Schwingungen zuträglich zu sein. Anders als jene Orte, die der Yoga-Experte Swami Jyothirmayah sonst so aufsucht: Schauplätze von Katastrophen wie Tsunamis, Gefängnissäle - oder Verhandlungsräume voll mit Guerilleros, die ja immer so schwer bewaffnet zur Meditation kommen.

Shankar, 61, des Swamis Meister, hatte unlängst mal wieder von sich reden gemacht, als er in den kolumbianischen Wirren aufräumte. Durch Mediation, einfach so. In einem Hotel in Havanna trafen sich Mitglieder der kolumbianischen Regierung mit Rebellen der Farc zu Verhandlungen. Als wochenlang nichts weiterging, flog man den indischen Yoga-Meister ein. Drei Tage lang sprach er mit den Rebellen, meditierte, atmete. "Es dauerte ein paar Tage, diese Männer von den Prinzipien Gandhis zu überzeugen", erzählte er danach der SZ. Weg mit den negativen Gefühlen also, her mit Hinwendung und Mitgefühl als Anti-Stress-Strategie. "Wir haben ihm still und andächtig zugehört, in tiefer Meditation", bekannte danach der Chefunterhändler der Farc-Rebellen. Wie es weiterging, ist bekannt: Waffenstillstand.

Später wird Shankar von der kolumbianischen Regierung für seine Friedensarbeit mit dem höchsten Orden der Republik dekoriert und Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos gar mit dem Friedensnobelpreis. Das war im vergangenen Jahr. So nachhaltig scheint der Geist zu wirken.

Her mit Kundalini, der Lebenskraft!

Shankars Verbündeter Swami Jyothirmayah ist nicht mit Orden behängt, er trägt nur ein dünnes, gelbes Bändchen ums Handgelenk und sieht ansonsten einfach perfekt aus - so wie sich Menschen aus dem Westen indische Gurus vorstellen. Das Tolle ist ja, dass sich Swamis, im Sanskrit ein Wort für angesehene Männer und Lehrer, nicht einmal für ihre Auftritte hierzulande verkleiden müssen. Die weisen Männer kommen immer so daher. Dunkles, langes, lockiges Haar, langer Bart, blütenweißes, wallendes Gewand - Jyothirmayah ist ein großgewachsener Swami, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.

Er schaut höchstens mal eine Spur nachdenklicher, wenn da eine westliche Schülerin im Schneidersitz vor ihm sehr, sehr lange von ihren Wehwehchen erzählt. Bei den bewaffneten Männern, sagt er, sei immer "much aggression", durch Atemtechnik und Meditation komme es dann schnell zur "Transformation". Hier aber gilt jetzt erst mal: Ledergürtel ablegen. Die stören den Energiefluss.

Wenn es weiter nichts ist.

Der Personenkult hält sich in der Happiness-Oase in München übrigens im Rahmen. Ein kleines Sri-Sri-Foto steht dort dezent auf einem Tischchen neben Blumen. An den Wänden strahlt einem Skankar von Fotos entgegen, es sind ein paar Zettel mit Veranstaltungshinweisen hingepappt. Etwa für Vorträge an der TU München, wo er Ende Juni mit Peter Löscher, Stifter des Lehrstuhls für Wirtschaftliche Ethik, über die Zukunft der Geschäftswelt diskutieren wird. Aber auch die yogische Seele wird dann wieder gestreichelt - gemeinsam mit Swami Jyothirmayah schlägt der Meister zu einem Happiness-Programm auf. Sudarshan-Kriya-Atmung im Doppelpack, puh. Her mit Kundalini, der Lebenskraft.

"Das Leben besteht zu 80 Prozent aus Freude"

"Sooo-Hamm, So-Hamm", geht es intensiv voran. Die Yogamatte ist hart, das Mediationskissen verrutscht über den angezogenen Fersen, Diamantsitz nennt das der Yogi. Von der Kehlkopfatmung rasselt der Hals. "Be natural", sagt der Swami im indischen Singsang-Englisch. Der Typ rechts hinter einem auf der Matte ist ein echter Yoga-Streber, wahrscheinlich schon zum zwanzigsten Mal dabei. Beine biegsam, jede Asana-Haltung wie aus dem Bilderbuch, aber er stöhnt und atmet so laut, dass es schwerfällt, sich auf das eigene Strömen der Energien zu konzentrieren. Sudarshan Kriya nennen die Art-of-Living-Leute das yogische Atmen. Tausende Jahre alt.

Und es gibt tatsächlich neuere wissenschaftliche Studien, die unter anderem "Veränderungen der Beta-Aktivität im linken Frontal- und Okzipitalhirn" durch die intensive Atemtechnik gemessen haben. Alles zum Positiven des Menschen, um Stress zu verringern und die geistige Ruhe wiederherzustellen. Das Cholesterin nehme ab, ja, auch der Cortisolspiegel sinke nachweislich - all dies beschleunige den Weg zur Tiefenentspannung.

"Trink viel Wasser", sagt Swami Jyothirmayah freundlich. Das hat man schon mal gehört, aber das scheint er auch zu ahnen, so eine Wiederholung schadet ja nicht. Er lächelt und dann hält er einen kleinen Vortrag, den eine deutsche Helferin übersetzt: "Das Leben besteht zu 80 Prozent aus Freude und zu 20 Prozent aus Kummer. Die meisten halten sich aber an den 20 Prozent fest und machen daraus 200 Prozent. Schütze deinen Geist davor. Den Moment mit Wachheit, Freude, vollem Bewusstsein und Mitgefühl zu leben, das ist Erleuchtung." Alle Muster der Sorge, der Wut und des Schmerzes würden durch Meditation durch sanftere Gefühle ersetzt. Nach zehn Minuten sogenannter Pranayama-Atmung nervt dann tatsächlich das Schnaufen rechts hinter einem überhaupt nicht mehr. Ganz entspannt im Hier und Jetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: