Wissen:Verrückte Frage

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Professor Jan Born (Foto: privat)

Könnten Menschen über Monate hinweg Winterschlaf halten? Genau wie Murmeltiere oder Igel? Auf diese Frage antwortet Jan Born, Professor für Neurobiologie und Schlafforscher an der Universität Tübingen.

"Klingt auf jeden Fall verlockend: Corona-Pandemie? Schmuddelwetter? Die Wochen bis zum Geburtstag? Einfach wegschlafen. Bei der Weltraumagentur Nasa wird sogar dazu geforscht. Es wäre nämlich sehr praktisch, Astronautinnen und Astronauten bei der langen Reise zum Mars in eine Art Winterschlaf zu versetzen. Theoretisch ist das auch denkbar. Wir sehen ja, dass viele Säugetiere diese Fähigkeit haben. Murmeltiere zum Beispiel schlafen etwa ein halbes Jahr, Bären ruhen etwa fünf Monate. Als Schlafforscher muss ich allerdings sagen: Winterschlaf hat nichts mit unserem normalen Nachtschlaf zu tun. Misst und vergleicht man die elektrischen Signale im Gehirn, unterscheiden sich die Hirnströme stark voneinander. Winterschlaf ist auch nicht erholsam, sondern ziemlich anstrengend: Man müsste sich vorher eine dicke Fettschicht anfuttern, um genug Energie dafür zu haben. Sonst drohen Knochenschäden und Krankheiten, wie man von Tieren weiß. Im Winterschlaf wird der Stoffwechsel massiv runtergefahren, die Körpertemperatur gesenkt. Umso länger dieser Zustand dauert, desto anstrengender wird das Aufwachen. Bis zum Frühjahr schlafen aber selbst Superschläfer wie Murmeltiere oder Igel nicht durch, sie wachen dazwischen immer mal wieder kurz auf. Das ist offenbar wichtig, damit Muskeln und Nerven keinen Schaden nehmen. So was könnte auch für die Astronauten doof werden. Was, wenn sie nach der langen Reise aufwachen, sich aber kaum noch bewegen können oder vergessen haben, was sie tun sollen? In der Natur dient Winterschlaf dazu, Kälte oder Nahrungsknappheit zu entgehen. Wir Menschen aber haben beheizte Häuser und kriegen an jeder Ecke Essen. Winterschlaf haben wir also gar nicht nötig. Wir Wissenschaftler sagen übrigens lieber Torpor. Manche Affen zum Beispiel winterschlafen gar nicht im Winter, sondern um Dürrephasen zu überbrücken."

© SZ vom 28.05.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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