Süddeutsche Zeitung

Wissen:Das brennt!

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Die Nase läuft, die Augen tränen: So reagiert der Körper auf scharfes Essen. Ist das gefährlich? Und warum mögen es viele Menschen so gerne scharf?

Von Katrin Blawat

Wer ein herzhaftes Essen plant, zum Beispiel Chili con Carne oder Peperonipizza, sollte neben Messer und Gabel auch eine Packung Taschentücher auf den Tisch legen. Denn scharfes Essen öffnet alle Schleusen in unserem Körper. Kurz nach dem ersten Bissen fangen die Augen an zu tränen und die Nase läuft wie beim heftigsten Schnupfen. Was ist da los? Meint unser Körper auf einmal, wir seien krank? Das zwar nicht, aber trotzdem führen scharfe Speisen den Körper in die Irre.

Chili und Pfeffer enthalten Stoffe, die sich an spezielle Sensoren im Mund andocken. Diese Sensoren sind Zellen, die Hitze und Schmerz wahrnehmen und an das Gehirn melden. Über sie nimmt man normalerweise die Temperatur von Speisen wahr, oder wenn man sich auf die Zunge gebissen hat.

Dass scharfes Essen und Schmerz zusammenhängen, kann sich jeder vorstellen, dem nach ein bisschen Chili-Sauce schon einmal der Mund wie Feuer gebrannt hat. Diese Wirkung ist bei heißem Essen stärker als bei kalten Speisen.

Die Schmerzsensoren kann man sich wie Wächter vorstellen. Klopft bei ihnen jemand an, wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt: Achtung, Achtung, ein Angriff droht. Alles bereit machen zur Verteidigung! Der Körper will den vermeintlichen Angreifer möglichst schnell wieder rauszuwerfen. Damit das funktioniert, pumpt er das Blut schneller durch die Adern. Deshalb werden wir dann rot und heiß im Gesicht. Um die Schärfe auf allen möglichen Wegen auszuwaschen, produziert der Körper mehr Speichel und Tränenflüssigkeit. Und aus der Nase fließt es ebenfalls kräftig. Manchmal bilden sich auch Schweißtropfen. Vielleicht muss man auch bald nach einem scharfen Essen auf die Toilette und hat ein bisschen Durchfall. Das ist nicht schlimm, sondern nur ein weiterer Versuch, die Schärfe auf wirklich jedem Weg hinauszuspülen.

Chili gegen Bakterien

Wer scharfes und stark gewürztes Essen mag, dem dürfte es vor allem in Indien, Thailand oder China schmecken. Denn dort, wo es oft sehr heiß ist, enthält das Essen meist reichlich Chili. Das ist kein Zufall, sondern ein kluger Trick der Menschen, den sie sich bei den Chilipflanzen abgeschaut haben. Diese Gewächse produzieren eine scharfe Substanz, die Capsaicin genannt wird. Sie kommt in verschiedenen Paprika-Arten vor. Mit ihr hält sich die Pflanze Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze vom Leib. Diese vermehren sich in heißen Ländern besonders schnell, auch im Essen. Doch egal ob in der Pflanze oder im Mittagessen: Capsaicin erschwert es Bakterien und Pilzen, sich zu vermehren. Vermutlich haben die Menschen in heißen Ländern vor langer Zeit gemerkt, wie nützlich die Schärfe ist. Deshalb haben sie das Gewürz in viele ihrer Rezepte einbezogen. So ist es ist zur selbstverständlichen Zutat in ihrer Küche geworden.

Ist scharfes Essen vielleicht wirklich gefährlich? Nein. Bei Speisen, die in Deutschland erhältlich sind, muss sich niemand Sorgen machen. Selbst wenn es ein Gericht mit der Bezeichnung "extra scharf" im Thai-Restaurants ist. So ein Essen ist vielleicht kurzzeitig sehr unangenehm und tut ein bisschen weh, aber das geht recht schnell vorbei.

Wissenschaftler haben festgestellt, dass Kinder empfindlicher auf scharfe Chili-Produkte reagieren als Erwachsene. Riskant wird es aber erst, wenn man übertrieben große Mengen extrem scharfer Chilisoße zu sich nimmt - also mehr, als man sich in irgendeinem Land ins Essen geben würde. Das wird bei Scharf-ess-Wettbewerben gemacht. Die Folgen können Übelkeit oder Bluthochdruck sein.

Doch warum essen wir freiwillig etwas, das unser Körper als Angriff wahrnimmt? Ein bisschen Schärfe im Essen hilft, alle Anteile des Geschmacks hervortreten zu lassen. Weil der Körper dank der Schärfe so wachsam wird, nimmt er nämlich auch Süßes, Saures und Salziges stärker wahr.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2016
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