William und Kate:Lang schwebe der König!

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Grob geschätzt hat jeder erwachsene Mensch auf diesem Planeten heute miterlebt, wie Kate ihrem William das "I will"-Wort gab. Und wie grandios sie und ihr Schmuck dabei aussahen. Hatte die Welt nichts Besseres zu tun, als das mitbekommen zu wollen? Nein. Denn wir wollen alle betrogen werden.

Bernd Graff

Würde heute irgendeine Katie ihren Willi geheiratet haben, und es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass irgendwo auf dieser Welt an diesem Freitag eine Katie ihrem Willi das Jawort gegeben hat, dann wird dieses Ereignis wenige Menschen außer Katie und Willi interessieret haben. Ihre Familien wohl noch, und damit hat es sich.

Husch, husch, ab in den Palast! Über allem schwebt der Schleier des Irrealen: Prinz William führt seine Braut Catherine weg von der Wirklichkeit in eine neue Welt. (Foto: AP)

Es heirateten aber in diesem Fall die bürgerliche Kate Middleton und der blaublütig-royale William Mountbatten-Windsor, die aktuelle Nummer zwei der britischen Thronfolge. Seit acht Jahren sind die beiden zusammen. Das ist fein. Sie sehen glücklich aus auf den Hochzeits-Bildern. Das sieht ein wenig gestellt aus auch, aber es ist auch fein.

Williams Mutter, die verstorbene, überirdisch leuchtende Diana, war die geschiedene Frau der aktuellen Nummer eins der britischen Thronfolge. Charles, das ist der mit den großen Ohren, ist aber wieder unter der Haube. Der Kronprinz ist für die Briten so etwas wie Schalke 04 für die Deutschen: Er wird nie Meister, respektive König. Denn seit nunmehr an die sechzig Jahre thront - im Wortsinn - über dem Clan die Oma des Bräutigams, eine eiserne Queen, die bei ihren öffentlichen Auftritten auch von ihrer Wachsfigur bei Madame Tussauds gespielt werden könnte. Sie kommt durchs Queensein mit nur einem Gesicht, wie man im Showbiz sagen würde, und trägt dazu lustigen Hüte, immer passend zur Handtasche. Die Oma hatte selber eine Mum, die trank gerne ein bisschen und wurde über 100 Jahre alt - vielleicht gerade deshalb.

Was weiß man noch über die Royals, die britischen? Nichts bis wenig. Fotos gibt es natürlich en masse, eine Menge davon auf Tassen und Kissen. Geschieden wurde oft bei ihnen, fremdgegangen auch: Ein König dankte einmal sogar ab, weil er eine geschiedene Frau ehelichen wollte. Der hieß Edward, musste quasi ins Pariser Exil deshalb und durfte künftig nur noch auf Einladung zurück auf die Insel. Aber das ist lange her, war vor dem großen Krieg.

Habt ihr nichts Besseres zu tun?

Was weiß man sonst noch über diese Familie? Wenig eben - eigentlich nichts. Und doch wurde die Hochzeits-Zeremonie in der Westminster-Abtei und das anschließenden Tingeltangel von vorab geschätzten 2,5 Milliarden Menschen verfolgt, zugeschaltet per Online-live-Berichterstattung und im Fernsehen. 2,5 Milliarden Menschen sind ein Drittel der Weltbevölkerung - jeden Alters, vom Greis bis zum Neugeborenen. Also hat - grob geschätzt - jeder erwachsene Mensch auf diesem Planeten irgendwie mitbekommen, wie Katie ihrem Willi das "I will"-Jawort gab. Und wie grandios sie und ihr Schmuck dabei aussahen.

Erwachsene dieser Welt! Hattet ihr nichts anderes, nichts Besseres zu tun? Geht doch jetzt bitte wieder nach Hause! Hier gab es wirklich nichts zu sehen. Außer Pomp & Circumstances: Kleid, Ring, Blumen und Bäume in der Kirche. Ja, Katie sah gut aus, Willi heute wie eine Red(!)-Butler-hafte Mischung aus seinem Vater und seiner Mutter. Er sah ja aus wie ein Butler der Zeremonie in rot. So what? Sie werden die Welt nicht retten, die Probleme ihres Landes nicht lösen und eine Sekte werden sie auch nicht gründen. Auch jetzt nicht. Es gibt mithin auch weiterhin keinen Grund, sich für die beiden mehr zu interessieren als für die manchmal auch wohlgeratenen Kinder der Nachbarn.

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Skizzen

Einen Grund gibt es indes doch: Es sind die Royals, die hier heirateten. Und Royals sind Disneyworld in echt. Ein Clan wie die Kennedys, nur mit Krone. Sie sind keine Regierungsvertreter, keine Mächtigen, keine Entscheider. Charles, das ist der mit den Ohren, mag Bauernhöfe für handgestreichelten Kohlrabi betreiben, voll-öko, aber er ist kein Unternehmer, kein Landwirt. Er ist ein Als-ob-Unternehmer. Royale Arbeit besteht darin, in der Öffentlichkeit nicht mehr als royal zu sein. Also nicht menschlich. Oder nur so menschlich wie Menschen in Märchen sind. Royals müssen nicht aufs Klo.

Irgendwo heiratet immer eine Katie ihren Will. Hier trägt ein gewisser Simon Watkinson aus England eine Italienerin namens Orsola Rossi auf Händen. Die beiden haben den "Catherine Middleton lookalike"-Wettbewerb gewonnen, den die Fluglinie Easyjet in London veranstaltete. (Foto: Getty Images)

Die Royals haben mit der Wirklichkeit dieses Planeten und seinen drängenden Problemen nichts zu tun. Sie sind aus der Zeit Gefallene, die zur gleichen Zeit wie wir leben. Es sind eigentlich fiktionale Gestalten. Mit anderen Worten: Sie sind die perfekte Projektionsfläche für die Sehnsucht nach einem von Zwang befreitem Leben, nach der guten alten Zeit, in der sie tatsächlich einmal Macht verkörperten.

Der Historiker Ernst Kantorowicz hat einmal in seinem Buch Die zwei Körper des Königs aufgezeigt, dass seit dem Mittelalter die Gestalt des Königs sich spaltet: einmal in den natürlichen, sterblichen Körper, den, den wir alle haben. Und einmal in einen metaphysischen, nahezu unsterblichen Körper der Macht, dem man huldigt, der gesalbt und angekleidet wird in umständlichsten Ritualen. Es ist wie bei Ludwig XIV. von Frankreich. Er lebte und wurde behandelt, als sei er der Realität entrückt. Er war es dann auch: Man nannte ihn den Sonnenkönig.

Auch das Märchen Des Kaisers neue Kleider spielt mit dieser Dopplung. Während alle Untertanen den nackten Real-Körper nicht sehen wollen, sondern nur die schreitende Macht, weist erst das naive, daher unbestechliche Kind darauf hin, dass der Königsmensch nichts anhat. Könige also sind per se Übermenschen.

Um diesen Nimbus zu halten, bleibt das Queengesicht seit 60 Jahren regungslos. Die Queen ist Repräsentantin, als Mensch hat sie diese Aufgabe verinnerlicht. Schließlich war das British Empire einmal das mächtigste der Welt. Das Erbe zieht immer noch an den Mundwinkeln - kein Wunder, es entstammt ja auch gewissermaßen der Steinzeit der Zivilisation.

Königskörper mit Gefühl

Wenn also Kate ihren William ehelichte, auch bruchteilsweise küsste, dann schwingt für das kollektive emotionale Gedächtnis zweierlei mit: Erstens zeigen hier die Königskörper Gefühle, das versteinerte Antlitz des Repräsentantentums bekommt für einen kurzen Moment menschliche Züge. Und das erzeugt - wenn man so will - den prickelnden Schauder des Frivolen. Close your eyes and think of England!

Zum Zweiten ist dieses Kate-Küsschen teuer erkauft. Es wird möglich dank märchenhafter Apanagen, eines unfassbar angenehmen Lebens, eines popstarhaften VIP-tums und unermesslichen Reichtums, der an diesem Tag in Form von Schmuck, Brautkleid und Kutsche zeigt, was er hat und kann. Kate und William sind an diesem Tag Repräsentanten des irdisch möglichen Glücks.

Ein Märchen also ist hier wahr geworden und doch auch wieder nicht. Es erzählt nicht vom nackten Kaiser, sondern, ganz im Gegenteil, von einem in überbordenden Reichtum eingehüllten, eingelullten König. Und irgendwie gut aussehen tun die beiden ja auch noch.

Was also die Menschheit mit der Kate-William-Hochzeit erlebte und ausdrücklich auch weiterhin erleben will, ist eine öffentliche, real gewordene Phantasie. Sie steht für die Hoffnung auf ein schwerelos gelingendes Dasein. Das ist natürlich alles Lüge, und es trotzdem glauben zu wollen, ist auch nicht sehr erwachsen. Muss es auch gar nicht sein. Denn so irreal wie die Königskörper sind die Phantasien von Anteilnahme und Teilhabe an dieser Zeremonie. Insofern heiraten Kate und William 2,5 Milliarden mal anders.

Was immer man also zu wissen glaubt von den Royals, es bleibt ein innig wie bitter geliebtes Gerücht. Und so geschah es eben, dass wir noch am Tag der Hochzeit von Kate betrogen wurden. Aber wir, die Welt, wollten und wollen es ja nicht anders.

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