"Wie ich euch sehe" zu Lesbe:"Entspannt euch, Jungs! Ich will eure Mädels nicht"

Lesezeit: 4 min

Wie ich euch sehe - Aus der Sicht einer Lesbe (Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Madeleine ist lesbisch - und mancher Mann sieht sie als Konkurrenz. Dabei ist es nicht das Lebensziel lesbischer Frauen, Heteros umzudrehen.

Von Hannah Beitzer

In unserer Serie "Wie ich euch sehe" kommen Menschen zu Wort, mit denen wir täglich zu tun haben, über die sich die meisten von uns jedoch kaum Gedanken machen: ein Busfahrer, eine Wiesnbedienung, ein Transgender, eine Kassiererin, ein Zahnarzt. Sie teilen uns mit, wie es ihnen im Alltag ergeht, wenn sie es mit uns zu tun bekommen - als Kunden, Patienten, Mitmenschen. Diesmal beschreibt die 30-jährige Madeleine, wie sie als lesbische Frau wahrgenommen wird.

Dass ich lesbisch bin, sieht man mir schon an. Ich jedenfalls würde es merken, wenn ich mich selbst auf der Straße treffen würde. Ich wirke eher maskulin. Außerdem spiele ich Fußball, seit ich fünf bin. Ein totales Klischee, ich weiß, aber so ist es nun einmal. Als ich ein Kind war, durften die meisten Mädchen nicht bei den Jungs mitspielen. Doch ich hatte schon immer ein gutes Ballgefühl.

Erzählt habe ich es erst mit ungefähr 18 Jahren, zuerst einigen Freunden. Da hatte ich dann auch mein einziges wirklich schlimmes Erlebnis. Als sich rumgesprochen hatte, dass ich lesbisch bin, brachen zwei vermeintlich gute Freundinnen plötzlich den Kontakt zu mir ab. Sie antworteten nicht mehr auf SMS, und wenn ich mich mit ihnen verabreden wollte, hatten sie immer etwas anderes vor.

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Irgendwann erzählte mir die Schwester der einen, dass die beiden nun, da sie wüssten, dass ich lesbisch sei, Angst hätten, dass ich auf sie stehe. Das hat mich unglaublich verletzt und wütend gemacht. Denn, Leute: Es ist nicht unser einziges Ziel, Heterofrauen umzudrehen - da käme ich ja zu nichts anderem mehr! Ich muss eine Frau schon gut finden und merke auch, ob sie Interesse an mir hat. Nur dann geht was, das ist nicht anders als in heterosexuellen Beziehungen.

Meine Eltern hingegen haben total gut reagiert. Ich war sehr aufgeregt, als ich es meiner Mutter zwei Jahre später erzählte. Obwohl sie selbst schwule Freunde hat und mit ihnen im Urlaub ein Zimmer teilt. Ich habe eine verschwurbelte Geschichte erzählt von einem Kollegen, der sein Coming-out hatte. Und sie unterbrach mich: "Aber du doch auch, oder?" Ich fing an zu weinen und sie nahm mich in den Arm und sagte, dass sie mich liebt. Liebe Eltern homosexueller Kinder: Das ist genau die Reaktion, die man in dem Moment braucht. Seitdem hatte ich viele positive Erlebnisse.

Mats Hummels ist sexy!

Die Einstellung der beiden Mädchen begegnet mir allerdings hin und wieder auch bei Männern, wenn ich mich gut mit ihren Freundinnen verstehe. Sie nehmen mich dann als Konkurrenz wahr. Aber entspannt euch, Jungs! Ich will eure Mädels nicht. Obwohl ich tatsächlich schon häufiger mit Frauen im Bett war, die vorher in heterosexuellen Beziehungen waren. Aber, wie gesagt: In meinem Kopf dreht sich nicht alles um Sex und es muss mit der Person einfach stimmen.

Einige Leute glauben ja auch, Lesben hätten grundsätzlich etwas gegen Männer. Aber ich hasse Männer nicht. Im Gegenteil, ich hatte auch schon Sex mit Männern und fand das ganz gut. Ich finde Männer attraktiv - Mats Hummels zum Beispiel. Der ist echt sexy! Aber den weiblichen Körper finde ich einfach attraktiver und ich verliebe mich halt in Frauen.

Was auch nervt: Leute, die sehr neugierig sind und aufdringlich werden. Neulich hat mich ein Typ, den ich auf einer Party kennengelernt habe, nach ein paar Minuten angequatscht: "Du, darf ich dich mal was Persönliches fragen?" Und dann kam: "Fehlt euch eigentlich nichts?" Was soll mir denn fehlen? Ein Mann? Ein Penis? Nein, mein Lieber - beides fehlt mir nicht. Das ist ja gerade das Ding."

Ich frage mich in solchen Fällen immer, ob die Leute ernsthaft erwarten, dass ich sage: "Oh, krass, ja! Jetzt, wo du es sagst, fällt mir auf: Ich brauche dringend einen Penis für Sex! Ich gehe gleich mal los und kaufe meiner Freundin und mir einen Dildo!"

Solche Fälle sind allerdings selten, benachteiligt fühle ich mich im Alltag nicht. Es sind eher Kleinigkeiten, die mir zeigen, dass mich die Leute anders behandeln - und die sind gar nicht immer negativ.

Manche Männer integrieren mich zum Beispiel sofort in ihren Freundeskreis. Ich glaube, sie nehmen mich gar nicht als "paarungswillige" Frau wahr. Sie reden dann über sexuelle Abenteuer, wie sie diese und jene Frau abgeschleppt haben. Und bohren nach, wie das bei mir so sei. Ich habe gerade eine tolle Freundin, aber mit Anfang 20 hatte ich auch einmal eine wilde Phase. Wenn ich das in einer Männerrunde erzähle, dann beglückwünschen mich alle, als wäre das ein besonderer Verdienst.

Einerseits ist das natürlich sehr lustig - ich erfahre viele Details, die andere Frauen nicht mitkriegen. Andererseits glaube ich, wenn eine Heterofrau erzählen würde, dass sie an einem Wochenende mit mehreren Männern rumgemacht hat, fiele die Reaktion etwas anders aus. Das finde ich seltsam und würde manchmal am liebsten sagen: Hey, ich bin auch eine Frau!

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Die meisten Frauen behandeln mich hingegen ganz normal. Mit meinen Freundinnen rede ich auch über ihre Männergeschichten. In unserer Mädelsclique sind wir ganz unterschiedlich: lesbisch, heterosexuell, manche in Beziehungen, manche eher in einer Freiheitsphase. Wir bequatschen unsere Affären, unsere Beziehungen - wie eben alle Frauen.

Manche Dinge im Verhältnis zwischen Frauen verstehe ich allerdings nicht wirklich. Zum Beispiel, wenn Kolleginnen Dinge sagen wie "Also, wenn ich lesbisch wäre ..." Ihr seid nun einmal nicht lesbisch - da kann man keine hypothetischen Überlegungen anstellen. Oder wenn eine Kollegin aus heiterem Himmel zu mir sagt: "Ach, du bist so süß!" Was soll das denn heißen? Und würdet ihr das zu meiner Chefin auch sagen?

Ich kann auch Kinder kriegen

Meine Freundin lacht darüber und sagt: "Da gibt es nichts zu verstehen. Das sagen Frauen einander, wenn sie finden, dass die andere gut aussieht. Vielleicht gefallen ihnen einfach deine Schuhe." Wahrscheinlich hat sie recht und ich bin da einfach zu sensibel.

Es gibt allerdings eine Sache, die ich wirklich schade finde: Ich habe das Gefühl, im Büro nicht als gebärfähiges Wesen wahrgenommen zu werden. Dabei kann ich natürlich schwanger werden, obwohl ich lesbisch bin. Es weiß doch auch inzwischen jeder, wie das funktioniert. Eigentlich sollte ich euch das nicht erklären müssen.

Wie nehmen Sie die Menschen wahr, mit denen Sie sich aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation oder Ihres Berufes tagtäglich auseinandersetzen? Was wollten Sie in der Hinsicht schon immer einmal loswerden? Senden Sie ein paar Sätze mit einer kurzen Beschreibung per E-Mail an: leben@sueddeutsche.de . Wir melden uns bei Ihnen.

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