Süddeutsche Zeitung

"Wie ich euch sehe" zu Flughafenkontrolle:"Nein, eure Bomben-Witze sind nicht originell"

Lesezeit: 4 min

Jeder Passagier muss an ihr vorbei: Eine Luftsicherheitsassistentin erzählt, was sie Fluggästen wünscht, was sie bei Prominenten ärgert und wann sie sich richtig ekelt.

Von Elisa Britzelmeier

In unserer Serie "Wie ich euch sehe" kommen Protagonisten unseres Alltags zu Wort - Menschen, denen wir oft begegnen, über die jeder eine Meinung hat, aber die wenigsten eine Ahnung: eine Wiesnbedienung, ein Pfarrer, die Frau an der Supermarktkasse. Sie erzählen uns, wie sie sich fühlen, wenn sie es mit uns zu tun bekommen - als Kunden, Gäste, Mitmenschen. Diesmal erklärt Luftsicherheitsassistentin Maria L., wie es bei der Kontrolle am Flughafen zugeht.

Meine Arbeit muss ich immer erklären, das Wort "Luftsicherheitsassistentin" kennt ja kaum jemand. Ich sage dann, dass ich am Flughafen bei den Schleusen Passagiere und Gepäck kontrolliere. Und höre als Antwort oft: "Ah, bei den Tatschern!" Dass unser Job viel mehr ist, als Leute anzutatschen, ist vielen von euch nicht bewusst. Wir stehen nicht da, um euch auf dem Weg zum Flugzeug aufzuhalten. Sondern um euch zu beschützen. Man muss nicht immer von Terrorismus ausgehen, es gibt genug andere Spinner. Deswegen: Nehmt doch die Kontrollen einfach ernst und seid froh, dass es sie gibt.

Wir "Tatscher" machen eine mehrwöchige Ausbildung mit vier Prüfungen. Die Röntgenbilder muss man erst einmal lesen lernen - wie sieht ein Toaster durchleuchtet aus aus, wie ein Tablet? Ständig kommen neue Modelle dazu, und es soll innerhalb von Sekunden gehen. Alle drei Jahre werden wir aufs Neue geprüft und regelmäßig ärztlich kontrolliert.

Vielen von euch ist es peinlich, wenn ich ihre Sachen durchsuche. Das verstehe ich, es ist ein Eingriff in die Intimsphäre. Deswegen frage ich "Darf ich in Ihre Tasche schauen?", obwohl ich das nicht muss. Man arbeitet eigentlich psychologisch in diesem Beruf, das macht es für mich so spannend.

Alle paar Sekunde habe ich einen anderen Menschen vor mir: Ältere, Kinder, jemand mit Behinderung, Leute aus den verschiedensten Ländern. Sprachlich und kulturell ist das oft eine Herausforderung. Frauen mit Kopftuch tragen manchmal Haarspangen unter dem Tuch, die anschlagen - und wenn es nicht anders geht, muss die Frau das Tuch eben abnehmen. Dazu gehen wir in einen Nebenraum, nur unter Frauen. Auch schwierig: Männer mit Turban. Wenn ich die bitte, den abzunehmen, sieht es immer wie Schikane aus. Aber wir müssen eben auf alles achten.

Der Druck ist ziemlich hoch, wir sollen immer alles gleichzeitig sein: gründlich und schnell. Die Airlines geben maximale Wartezeiten vor. Auch euch kann es nicht schnell genug gehen. Ihr macht euch einfach keine Gedanken und kalkuliert die Zeit für die Kontrolle nicht ein. Denkt ihr wirklich, ihr fahrt jetzt einfach mal zum Flughafen und fliegt weg? Informiert euch doch vorher. Oder schaut in der Schlange, was euer Vordermann macht. Womöglich würden euch dann die Wasserflasche oder das Zippo-Feuerzeug in der Tasche schon beim Anstehen einfallen - nicht erst, wenn alles aufs Band kommt.

Ich sehe auf den ersten Blick, bei wem es länger dauern könnte. Die Vielflieger unter euch, meistens Geschäftsleute, sind die schnellsten. Die kommen zielstrebig auf die Schleuse zugelaufen und haben Handy, Schlüssel und Bordkarte parat. Wenn ihr euch also fragt, welche Schlange die schnellste ist: Haltet nach Anzügen und Kostümen Ausschau. Und stellt euch lieber nicht hinter Gruppen, die sich unterhalten und deswegen zerstreut sind. Am längsten brauchen Urlaubsflieger - besonders Leute, die zum ersten Mal fliegen oder Flugangst haben. Je mehr Gepäckstücke jemand hat, desto länger dauert es natürlich - vor allem, wenn die so vollgepackt sind, dass wir beim Röntgen fast nichts erkennen.

Eine Bitte an alle Eltern: Sprecht vor dem Flug mit euren Kindern durch, was auf sie zukommt! Dass da viele fremde Menschen sind und sie bei der Kontrolle kurz ihren Teddy hergeben müssen - dann erschrecken sie vielleicht nicht so. Mir tun die Kleinen oft leid. Manche Eltern gehen ziemlich rabiat vor, weil sie selber im Stress sind. Nehm doch euer Kind einfach auf den Arm und lasst ihm etwas Zeit.

Manchmal macht es mich traurig, wenn ich euch Sachen abnehmen muss. Oft sind es Erinnerungsstücke. Wenn ich Lebensmittel wegwerfen muss, finde ich das schlimm. Bei der Oma, deren selbstgemachte Marmelade 110 Gramm hatte statt 100, habe ich auch schon mal ein Auge zugedrückt. Man muss abwägen können, wo man großzügig sein kann und wo nicht. Schon deshalb, weil wir immer wieder getestet werden. Wenn wir ein Messer bei einer Testperson nicht entdecken, bekommen wir Schwierigkeiten, das geht bis hin zur Kündigung. Und ja: Die abgenommenen Kosmetika und andere Flüssigkeiten werden wirklich entsorgt, wir reißen sie uns nicht unter den Nagel.

Einige Kollegen mögen die Vielflieger am liebsten, weil es bei denen so schnell geht. Ich unterscheide da nicht - ich liebe meine Urlaubsflieger genauso wie die Geschäftsleute. Ich habe auch Stammgäste, eine sehr nette Geschäftsfrau geht mehrmals die Woche durch, wir grüßen uns persönlich. Mit vielen von euch kann man Späße machen, und wenn ihr erzählt, wo es hingeht, freue ich mich für euch. Neidisch bin ich nie, weil ich ja selbst oft genug in den Urlaub fahre.

Manche von euch, das muss ich jetzt einfach mal sagen, sind ganz schön eklig. Da klebt es in den Taschen oder man riecht, dass jemand lange nicht geduscht hat. Mir sind schon widerliche Dinge im Handgepäck begegnet: eine dreckige Windel oder eine Drogenspritze, in die ich beinahe reingefasst hätte. Lebende Tiere gehören übrigens nicht ins Handgepäck. Auch Seesterne nicht. Eine geladene, ungesicherte Waffe ist mir ebenfalls schon untergekommen, die hatte ein Geschäftsmann lässig im Schuh in seinem Trolley.

Es war nicht das erste Mal, dass ich Angst hatte in meinem Job. Wir bekommen immer wieder Bilder von gesuchten mutmaßlichen Terroristen vorgelegt, auf die wir die Gesichter scannen. Wenn ein Gepäckstück allein herumsteht und der Hund anschlägt - da wird einem mulmig zumute. Besonders dumm ist es, zu sagen "Ich hab da eine Bombe im Koffer". Nein, eure Bomben-Witze sind nicht originell. Im dümmsten Fall verpasst ihr euren Flug und müsst in Sicherheitsverwahrung.

Einige Kollegen wurden schon von Passagieren angegriffen, geschlagen, mit einer Flasche beworfen. Da bin ich froh, wenn ihr frühmorgens einfach nur schlecht gelaunt seid. Ich bin auch nicht immer gut drauf. Beim 500. Menschen, der vor einem steht, ist man einfach müde - vor allem wenn man nachts um zwei aufsteht, um es zur Frühschicht zu schaffen. Vergesst bitte nicht, wir leisten so einiges, wenn viel los ist - das ist kein Job, bei dem man ausgeruht heimgeht.

Was mich richtig ärgert: Wenn sich jemand einbildet, etwas Besonderes zu sein. Wir haben immer wieder prominente Passagiere. Manche sind nett, manche meinen, für sie gelten andere Regeln, weil sie berühmt sind. Umso mehr regt es mich auf, dass es sogenannte First-Class-Schleusen gibt, an denen es schneller geht. Für die Kontrolle zahlen alle die gleiche Sicherheitsgebühr, deswegen sollten auch alle gleich behandelt werden, finde ich.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3919699
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.