Whisky:Bitte, was ist "uisge beatha"?

Mit Whisky werden Millionen gemacht. Wie aus einer wenig ansehnlichen Pampe eine Edelspirituose wird: zu Besuch bei der höchstgelegenen Whisky-Destillerie in den rauen schottischen Highlands.

Andreas Schätzl

Jetzt kommen die Flocken auch noch quer daher. Schöne Bescherung für Anfang November. Aber nicht weiter verwunderlich - befinden wir uns doch mitten in den Highlands von Schottland, im hochgelegenen Glen ("Tal") Truim, fern vom wettermildernden Meer. Der Ort: Dalwhinnie Distillery, eine der geographisch am höchsten angesiedelten schottischen Whisky-Brennereien. Auf diese Position ist man mächtig stolz, beeinflusse sie doch das Produkt zusätzlich positiv.

Willie MacDougall

Führung durch die Dalwhinnie Distillery mit Willie MacDougall.

(Foto: Foto: Andreas Schätzl)

Und schon sind wir beim Eingemachten. Willie MacDougall, einst Second Distillery Manager hier und mittlerweile an erster Stelle bei Talisker Distillery auf der wilden Hebrideninsel Skye, zieht uns ohne Umschweife in die Feinheiten der Herstellung von uisge beatha. Uisge beatha bedeutet "Lebenswasser" und ist der gälische Ausdruck für Whisky.

"Kaltes Wasser, wie wir es hier hoch oben haben, trägt dazu bei, dass die Kondensation der alkoholischen Dämpfe während des Destilliervorgangs schneller erfolgt als bei warmem Kühlwasser. Und das ergibt ein volleres, fleischigeres Destillat", erklärt Willie gestenreich. Aha. Bevor wir das so in unser Bewusstsein einsickern lassen können, ist das Mensch gewordene Kraftpaket schon bei der Maische, einer der ersten Stationen der Whisky-Produktion.

Schwere Geburt

Eine unappetitlich aussehende Angelegenheit ist das, dieser Brei aus gedarrtem und anschließend fein gemahlenem Gerstenmalz und heißem Wasser. Sieht irgendwie aus wie dunkles Müsli in einem gigantischen Edelstahl-Pott. Aber, so lernen wir: Maische ist - genau wie beim Bier - eine entscheidende Vorstufe zum Endprodukt. In diesem Stadium wird der Zucker mittels mehrerer Aufgüsse mit heißem Wasser aus dem Malz gelöst und verwandelt sich wiederum in Alkohol. Sobald er es mit Hefe zu tun hat.

Das hat er in einem nächsten Herstellungsschritt, doch ist diese Begegnung keine liebevolle. Im Gegenteil: Kaum wird der Maische Hefe zugesetzt, beginnt das Gebräu zu zischen, zu blubbern und Blasen zu generieren, dass es eine wahre Freude ist. Die Geburt des Alkohols, der jetzt zur Welt kommt, ist fürwahr keine leichte. Sie heißt Fermentation oder Gärung, Kreißsaal ist ein mächtiger Zuber aus Lärchenholz, wash back genannt, und sie kann sich schon mal 120 Stunden hinziehen. Eine wahrhaft schwere Geburt für das junge beer mit seinen jetzt etwa acht Prozent Alkoholgehalt - nichts anderes ist das, was so entsteht.

Die wash backs werden nach jedem Gärvorgang entleert (und anschließend mit heißem Dampf unter Hochdruck gereinigt), und zwar in Richtung Brennblasen. Doch bevor wir ins still house mit den beiden mächtigen Brennblasen (stills), die sich wie kupferne Saurierhälse in die Höhe winden (Nessie ist dort oben schlichtweg omnipräsent), gelangen, gönnt uns Willie, nein, nicht einen Drink, sondern erst einmal eine Verschnaufpause. Oder was er für eine solche hält. Denn jetzt gibt es ein paar Soft Facts zu Dalwhinnie.

So erfahren wir in Kürze, dass die ursprünglich 1898 gegründete Destillerie am nachweislich kältesten Punkt Schottlands liegt (sechs Grad Celsius Jahresdurchschnittstemperatur), dass es zu den Aufgaben des Managers gehört, jeden Morgen um neun Uhr die Daten der nahe gelegenen Wetterstation abzulesen und aufzuschreiben, und dass man hier öfters wegen Schnee vom Rest der Welt abgeschnitten sei.

Wir gucken aus dem Fenster, und tatsächlich hat sich draußen inzwischen eine weiße Decke über die Erde gebreitet - binnen einer halben Stunde. Zeit für einen dram, wie der Schotte einen ordentlichen Schluck nennt? Nix da. Erst die Kür.

Jetzt ins still house. Dort ist es nicht eben leise, denn es wird gerade gebrannt. Im Klartext: Das beer wird nun zum spirit, zum Destillat. Das geschieht hier in zwei Schritten, die beide auf demselben Prinzip basieren: Die Flüssigkeit wird in den kupfernen Ungetümen erhitzt, bis der Alkohol in ihr zu Dampf mutiert. Dieser gelangt durch Kondensation wieder in flüssige Form, letztlich zum Destillat, dem ganz jungen Whisky. Der darf so jetzt aber noch nicht heißen, denn um den berühmten Namen Scotch Whisky zu verdienen, muss er mindestens drei Jahre lang in Schottland gelagert sein - in Eichenholz.

Auf der nächsten Seite: Das heilige Holz.

Bitte, was ist "uisge beatha"?

Kunst an den Kupferblasen

Der Prozess läuft eben zweistufig ab - deshalb die beiden verschiedenen Brennblasen: die erste für den Raubrand, die zweite für den Feinbrand, der dann mit 70 und mehr Prozent Alkohol aus der Brennblase läuft. Um sofort und ohne Zugriffsmöglichkeit von außen (Zollbestimmungen!) durch den spirit receiver in einen Tank zur vorläufigen Kollekte zu gelangen.

Für viele Eingeweihte ist der Destillationsakt eine wahres Kunsthandwerk. Kommt es doch bei dem mehrere Stunden dauernden Vorgang darauf an, dass der still man, der Brennmeister, ganz genau wissen muss, wann er den (giftigen) Vorlauf, also das, was zuerst aus der zweiten Brennblase läuft, abtrennt, sprich: ableitet. Erst dann läuft der Mittellauf, das Herzstück des Brandes, ein - das "Gute" sozusagen.

Dann kann erst einmal geraume Zeit über nicht viel schiefgehen, es läuft das Mittelstück durch, bis schließlich der (schrecklich riechende) Nachlauf erscheint - der auch abgeleitet, aber keineswegs entsorgt wird: Beides, Vor- und Nachlauf, gelangt bei der nächsten Destillation wieder in den Brennkreislauf. Man ist in Schottland, und da wird bekanntlich nichts vergeudet ...

Willie - er muss hier, in dem herrlich warmen, aber laut zischenden Brennhaus, schon schreien, um sich effektiv mitzuteilen - ist in seinem Element: Man dürfe die stills weder zu "heiß fahren", also mit zu hoher Temperatur zu schnell destillieren, noch zu langsam. Und die Abtrennung sei eben auch so wichtig: zu wenig Vorlauf im Herzstück, dann zu wenig Geschmack im Destillat, zu viel, dann harsch und mitunter leicht ungesund. Ein Fehler kann eine ganze Charge, mehrere tausend Liter Feinbrand, ruinieren - das ist teuer.

Willie macht uns auch klar, dass die Größe und Form der Brennblasen von entscheidender Bedeutung für den Charakter des Whiskys seien. Und da jede Brennerei ihre eigenen individuellen stills habe und darauf schwöre, schmecke letztlich auch jeder Whisky anders.

Er setzt schon an, uns den spezifischen Zusammenhang zwischen Blasenform und Produkt genauer darzulegen, besinnt sich dann aber angesichts von so viel Detailinformationen anders, und führt uns stattdessen gnadenlos ins eisige Draußen.

Heiligtum Holz

Dort drohen über unseren Köpfen gewaltige runde Holzzuber, zwei an der Zahl. Sie sind mit dem erwähnten kalten Wasser gefüllt. In ihnen schlängeln sich verjüngende Kupferrohre, bevor sie wieder durch die Wand verschwinden, aus der sie auch herauskommen. In diesen worm tubs wird der Alkoholdampf zu flüssigem spirit kondensiert, und die alte Methode mit den Kühlschlangen musste mittlerweile vielerorts moderneren, leichter zu pflegenden Kondensatoren weichen. Klar, wo Willies Präferenzen liegen.

Und schon sind wir im Lagerhaus, einer langgestreckten niedrigen Steinkonstruktion, die nicht nur uralt aussieht. Im feuchtkalten Dunkel liegen sie, in zwei und drei Reihen übereinander: die Fässer. Große, kleine, mittlere. Aus europäischer oder amerikanischer Eiche, je nachdem, wie sich das Holz auf das Destillat auswirken soll.

Europäisches Eichenholz (es muss immer Eiche sein!) produziere eine stärkere Aromen- und Geschmacksreaktion mit dem Alkohol, insbesondere, wenn vorher Sherry oder Portwein in den Fässern war. Amerikanisches sei da neutraler. In kleineren Fässern reift der Stoff schneller als in den bis zu 600 Liter fassenden butts und puncheons, und für die Whiskyreifung (letztlich ein komplexes Zusammenspiel von Alkohol, Holz, Luft, Temperatur und Luftfeuchtigkeit) könne man keine neuen, sondern nur solche Fässer gebrauchen, in denen vorher schon einmal Whisky oder eben Weine waren. Doch das Schöne ist, so der Manager grinsend, dass es zu diesen Regeln immer auch Ausnahmen gibt.

Auf der nächsten Seite: Whisky - ein gigantisches Geschäft.

Bitte, was ist "uisge beatha"?

Whisky - ein gigantisches Geschäft

Pittoreske Lage, traditionsgeprägte Herstellung und stilvolle Verpackungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Whisky Geld verdient wird. Viel Geld. Dalwhinnie gehört zu Diageo, dem weltgrößten Hersteller von Spirituosen und Weinen. Deren bekanntester Whisky ist Johnnie Walker, ein Blended Whisky, in dem sich - neben viel, leicht und kostengünstig herzustellendem Neutral-Whisky - auch ein wenig Dalwhinnie befindet, zur Aromen- und Geschmacksintensivierung.

Das ist bei allen Blends so: Sie sind eine Mischung aus mehreren Single Malts (malt = Malz) und eben Korn-Whisky, der für den vergleichsweise günstigen Preis sorgt und das Getränk in der Regel zudem leichter macht. Die Malts kommen dabei aus verschiedenen Destillerien, und da Diageo davon eine ganze Menge besitzt, verfügen sie auch über ein entsprechend breites Portfolio.

Ein Großteil der hergestellten Malt Whiskys fließt in die Blends, und da macht auch Dalwhinnie keine Ausnahme. Nur etwa zehn Prozent werden als Single Malt abgefüllt, der Rest kommt in Blended Scotchs wie Buchanan's Blend, Black & White und eben Johnnie Walker.

Was Willie aber nicht davon abhält, uns nun - endlich! - vom reinen Produkt probieren zu lassen. Drei Versionen kredenzt er, jetzt in dem schnuckeligen kleinen Büro des Managers. Der "normale" 15-jährige Dalwhinnie ist eine vergleichsweise leicht daherkommende helle Angelegenheit, die ein bisschen nach Honig und ein ganz klein wenig nach Torfrauch schmeckt, während eine im Oloroso-Sherry-Fass nachgereifte Variante dunkler, voller und süßer erscheint. Die unbestrittene Krönung ist indes eine limitierte 20-jährige Abfüllung, komplett im Sherry-Fass gelagert, satte 56,9 Prozent stark und fast schon ein Sirup. Wir sehen uns immer öfter nach dem bereitstehenden Wasserkaraffen langen, sei es, um diesen Kracher im Glas zu verdünnen, oder aber dieses köstlich weiche Wasser parallel zum Whisky zu schlürfen.

Willie kommt aber nicht von hier, sondern von der Talisker Distillery auf der Isle of Skye, wo hinzufahren uns wilde Stürme gehindert haben, und so brachte er eben noch was von "seiner" Destillerie mit: das neueste offiziell anerkannte Kind, einen 18-jährigen Talisker, mit den für diese Marke üblichen 45,8 Prozent abgefüllt. Das ist ein hochkomplexer Tropfen, voller Frucht-, Eichen- und Torfraucharomen, gewaltig und subtil zugleich. Man muss ihm allerdings schon eine Viertelstunde Zeit lassen im Glas, damit er all das preisgibt - mit 18 Jahren ist man halt auch nicht mehr der Schnellste. "Die Essenz von Skye", meint Willie schmatzend. Und lässt, beinahe ehrfürchtig, ausnahmsweise den Whisky für sich selbst sprechen.

Malt Whisky - also aus reinem Gerstenmalz hergestellter Whisky - ist seit fast zwei Dekaden auch bei uns ein Kultgetränk. Was indes nicht steigenden Umsätzen (und Verkäufen) widerspricht. Obwohl eine ganz normale Flasche das Zwei- bis Dreifache eines (beileibe nicht schlechten) Standard-Blends wie Johnnie Walker Red Label oder Ballantine's Finest kostet, erfreut sich das "ursprüngliche" Lebenswasser Schottlands und Irlands (wo es wie in den USA meist Whiskey heißt) ungebrochener Beliebtheit.

Das hatte leider nicht nur erfreuliche Folgen für den Konsumenten, da bei einigen Marken zwischendurch schon mal Qualitätsverluste in Aroma und Geschmack festzustellen waren. Doch die Konzerne haben das wohl selber gemerkt, und inzwischen ist die Güte der allermeisten Single Malts wieder über nahezu jeden Zweifel erhaben - weiterem Siegeszug und Kult steht wohl nichts mehr im Wege. Auch nicht seiner Begehrtheit: Vor kurzem wurde in Glasgow eine Flasche Bowmore Single Malt von circa 1850 für umgerechnet rund 42.000 Euro versteigert ...

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: