Werbung und Ehekrach:Tiger Woods - feuern oder feiern?

Nach den Sex-Eskapaden des Tiger Woods: Sollen die Sponsoren ihm kündigen? Oder lieber die Treue halten?

C. Matthäus und J. Schmieder

Tiger Woods wird nach seinen privaten Fehltritten als Werbe-Ikone des Golfsports langsam demontiert, doch der Sportartikelhersteller Nike hält weiter zu dem tief gefallenen Weltranglistenersten. Während sich mit der Unternehmensberatung Accenture und der Rasierfirma Gillette bereits zwei Sponsoren von Woods distanziert haben, spielte Nike-Chef Phil Knight die Seitensprünge des Stars herunter.

Werbung und Ehekrach: Tiger Woods als Botschafter eines Uhrenherstellers.

Tiger Woods als Botschafter eines Uhrenherstellers.

(Foto: Foto: AP)

Ist es richtig von Unternehmen, sich von Woods zu distanzieren - oder treffen vielmehr jene Firmen, die zum Golfprofi stehen, die richtige Entscheidung? Ein Pro und Contra.

Peinlich für Werbefigur und werbende Firma

Peinlich für Werbefigur und werbende Firma

Werbung und Ehekrach: Tiger Woods als Botschafter eines Videospiels.

Tiger Woods als Botschafter eines Videospiels.

(Foto: Foto: AP)

Von Carsten Matthäus

Man stelle sich das vor. Tiger Woods prangt mit seinem etwas schiefen Lächeln und einer zum Victory-Zeichen geformten Hand auf der Anzeige einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - nun nicht mehr mit dem Slogan "Be a Tiger", sondern vielleicht mit dem Spruch "I did it my way." Motiv und Spruch wären derzeit beliebig austauschbar - und alle völlig peinlich für Werbefigur und werbende Firma.

Weil Werbung eine offensive und überzeugende Art der Kommunikation sein will und sein muss, verträgt sie schiefe Bilder nicht. Ob Sportler unter Dopingverdacht stehen oder mit privaten Problemen zu kämpfen haben - sie taugen in diesen Momenten einfach nicht mehr für das globale Saubermann-Schaufenster. Das kann man für unehrlich halten oder bigott, es ist aber nun einmal Teil des Geschäfts mit den sogenannten Testimonials (was man - hässlich aber treffend - mit "Beweisperson für eine Werbeaussage" übersetzen könnte). Diese werden ausgesucht und hoch bezahlt, weil sie irgendeinen Traum verkörpern.

Im Fall von Tiger Woods geht es um die größten Träume überhaupt: Als Schwarzer in einem weißen Sport kontinuierlich besser zu sein als alle anderen, mit maximaler Konzentration und Contenance immer wieder zu siegen und eben doch der nette Mensch von nebenan zu sein, gut auszusehen mit einer schönen Frau und schönen Kindern. Das alles ist Teil einer Fabelwelt - fast zu schön, um wahr zu sein.

Die Figur ist unverkäuflich geworden

Sich dort zu halten, ist angesichts der Paparazzi-Presse für jeden Prominenten harte Arbeit, die gefallenen Engel sind Legion. Wenn es einer so lange schafft wie Tiger Woods, dann verdient er mehr als alle anderen, und er wird sogar Milliardär, das ist die eine Seite des Geschäfts. Bekommt die Schaufenster-Figur aber nur den kleinsten Kratzer, kann man den Preis nicht einfach reduzieren. Die Figur ist unverkäuflich geworden: Das ist die andere Seite des Geschäfts.

Das hat nichts mit Schuldfragen zu tun, es geht eher um den Schutz der Persönlichkeit. Prominente, die eine schwere Phase durchstehen, können zweifellos mit noch größeren Sympathiewerten zurückkehren und noch wertvollere Werbefiguren werden als je zu vor. Nur sollten sie eben in einer Phase nicht noch zusätzlich überlebensgroß auf Plakaten gezeigt werden, wenn sie gerade aus ihrer Fabelwelt gekickt worden sind und sich mit den niedrigen Problemen des normalen Erdenlebens herumschlagen müssen.

In den USA läuft derzeit eine großartige Fernsehserie mit dem Titel "Mad Men". Verkürzt gesagt geht es um "Madison Men", Mitarbeiter einer New Yorker Werbeagentur in den sechziger Jahren. Mit viel Liebe zum Detail wird in der Agentur eine perfekte Welt inszeniert: Alle sehen unglaublich gut aus, sind immer perfekt gestylt, haben immer Zeit für einen Drink - und natürlich genug Geld für tolle Autos, tolle Häuser, tolle Familien.

Im Hintergrund, der die Serie erst interessant macht, gibt es Tonnen von Affären, Alkoholprobleme, uneheliche Kinder, Herzanfälle. Im Vordergrund aber - und in der Werbung allzumal - muss die Welt heil und unbeschädigt bleiben. Alle lügen und schminken und lächeln, was das Zeug hält. Wer es nicht schafft, seine Probleme unter der Decke zu halten, wird sofort aus dem Spiel genommen. An dieser Regel hat sich nichts geändert.

Dass Tiger Woods sein Problem angeht und bewusst öffentliche Auftritte meidet, um sein Privatleben zu sortieren, ist genau das richtige Verhalten. Nichts anderes sollte die Werbeindustrie tun. Ansonsten riskiert sie, dass die globale Sport-Ikone Tiger Woods irreparabel beschädigt wird.

Auf der nächsten Seite: das Contra.

Eine verlogene Industrie

Tiger Woods

Tiger Woods als Botschafter eines Golfkurses.

(Foto: Foto: AP)

Eine verlogene Industrie

Von Jürgen Schmieder

Franz Beckenbauer brachte es einmal auf den Punkt: "Wenn dir als junger Mann 12.000 Mark angeboten werden, damit du Werbung machst, dann ist es dir egal, ob die Suppe schmeckt oder nicht." Beckenbauer muss es wissen, schließlich ist er nur im Nebenberuf ehemaliger Bayern-Präsident und im Neben-Nebenberuf ehemaliger Fußballspieler. Der Hauptberuf von Beckenbauer lautet: Werbestar.

Wenn Unternehmen bekannte Sportler für Werbekampagnen buchen, dann tun sie das vor allem wegen der Strahlkraft dieses Stars, die das zu bewerbende Produkt erhellen soll - und wegen der positiven Eigenschaften, die man so mit einem Sportler verbindet: Ehrgeiz, Erfolg, Dynamik, Sportsgeist, Fairness, Optimismus, Kampfgeist, um nur ein paar zu nennen.

Der Golfprofi Eldrick Woods galt in der Öffentlichkeit lange Zeit als Saubermann, sein Spitzname "Tiger" ist zu einer Marke geworden, die weltweit so bekannt ist wie Nike oder Starbucks. In den vergangenen Wochen sind die privaten Verfehlungen von Woods öffentlich geworden, einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup und der Tageszeitung USA Today zufolge hat er in der US-Bevölkerung massiv an Popularität verloren. Sein Beliebtheitsgrad von zuvor 85 Prozent fiel auf nur noch 33 Prozent. "Ein solcher Einbruch ist beispiellos. Woods ist noch hinter die meisten der unbeliebtesten Personen zurückgefallen, nämlich hinter die Politiker", sagte Gallup-Sprecher Jeffrey Jones.

Woods' Fähigkeiten werden nicht durch sein Privatleben geschmälert

Während einige Tiger-Woods-Sponsoren auf Distanz gehen, stehen die Firmen Nike und Upper Deck dagegen zu ihm. "Wenn seine Karriere einmal beendet ist, werden die jetzigen Ereignisse keine Rolle spielen. Die Medien machen nur eine riesige Geschichte daraus", sagt Nike-Chef Phil Knight.

Jeder muss nach seinen eigenen Moralvorstellungen beurteilen, was er von den Eskapaden des Tiger Woods hält. Der Golfprofi konnte das Heile-Welt-Image als treuer Ehemann und fürsorglicher Vater nicht aufrechterhalten wie so viele erfolgreiche Sportler vor ihm - von Michael Jordan über Boris Becker bis hin zu David Beckham.

Nur: Ist die Haut von Woods nach der Rasur weniger glatt, nur weil er zahlreiche Affären mit Models und Schauspielerinnen hatte? Schwingt er einen Golfschläger schlechter, weil er seiner Frau untreu war? Sind seine Fähigkeiten als Geschäftsmann - er ist immerhin der erste Sportler, der in seiner Karriere mehr als eine Milliarde US-Dollar verdient - nun in Zweifel zu ziehen, nur weil er seine Hormone nicht im Griff hatte?

Würde Tiger Woods für eine Eheberatungsfirma werben, dann wäre der Rückzug dieses Unternehmens verständlich. Doch seine Fähigkeiten als Golfprofi werden nicht durch sein Privatleben geschmälert. Die Regeln der Werbeindustrie besagen jedoch, dass ein Sportler nur dann zur Ikone taugt, wenn er lächelt und lügt und das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm erwartet, mit allen Mitteln aufrechterhält. Obwohl wir wissen, dass niemand perfekt ist, erwarten wir von Menschen wie Tiger Woods zumindest die Illusion der Perfektion.

Das Beispiel Tiger Woods zeigt, wie verlogen diese Industrie ist - aber das wusste Franz Beckenbauer schon vor mehr als 40 Jahren.

Im Video: Der kanadische Sportmediziner Anthony Galea steht unter dem Verdacht des Handels mit Dopingmitteln.

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