Wenn Politiker zu ehrlich sind:Um Kopf und Kragen

Ob AKW-Moratorium, Twitter oder penetrante Wählerinnen: Was Politiker wirklich denken, verraten sie oft nur in trauter Runde. Peinlich, wenn ihre allzu offenen Worte später publik werden.

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Quelle: AFP

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Was Politiker wirklich denken, verraten sie oft nur in trauter Runde. Peinlich nur, wenn ihre allzu offenen Worte später publik werden. 

März 2011 - Brüderles Wahlkampftaktik

Eine Rede vor der versammelten Spitze der deutschen Industrie - da wähnte sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) offenbar in Sicherheit. Nach SZ-Informationen gab er einen folgenschweren Kommentar zum geplanten Atommoratorium ab. Laut Protokoll soll Brüderle darauf verwiesen haben, es laste "angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik", Entscheidungen seien "daher nicht immer rational". Kurz: Atomkraftwerke werden nur aus wahltaktischen Gründen abgeschaltet. Wenige Tage vor zwei wichtigen Landtagswahlen brachte das die schwarz-gelbe Bundesregierung in arge Bedrängnis. Rainer Brüderle hat die Darstellung zurückgewiesen, doch ein Teilnehmer der Runde bestätigte der SZ, das Protokoll habe Brüderles Worte richtig zitiert.

Gordon Brown & Gillian Duffy

Quelle: Getty Images

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April 2010: Browns Wählerinnenbeschimpfung

Kurz vor der Parlamentswahl im April 2010 wollte sich der ehemalige britische Premier Gordon Brown noch einmal PR-wirksam unters Volk mischen - mit fatalem Finale: Denn die Fragen der 65-jährigen Wählerin Gillian Duffy (Bild) zu Einwanderungspolitik und Rekordverschuldung brachten den Labour-Politiker, der auch mit miesen Umfragewerten konfrontiert war, richtig auf die Palme. Auf dem Rückweg von der Wahlkampfveranstaltung zu seinem Wagen schimpfte Brown prompt über die "bornierte" Person. Leider war das Mikrofon an seinem Hemd aber noch angeschaltet, die Rundfunksender verbreiteten seinen Fauxpas in Windeseile. Der Premier bat vielmals um Entschuldigung, sogar persönlich im Wohnzimmer der beleidigten Dame, nannte sich in aller Öffentlichkeit gar einen "reuigen Sünder". Dennoch: Die Wahl gewann David Cameron.

U.S. President Obama gestures during a town hall meeting with future Chinese leaders at the Museum of Science and Technology in Shanghai

Quelle: REUTERS

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November 2009 - Obamas "ganz persönliche" Twitterbotschaften

Eigentlich wollte Barack Obama im Museums für Wissenschaft und Technik in Shanghai über Menschenrechte sprechen und für eine enge Zusammenarbeit und Handel mit der aufstrebenden Weltmacht werben. Dann verplapperte sich der US-Präsident vor den Studenten bei einem Thema, das später in der Heimat für Spott sorgte: "Ich habe noch nie getwittert, meine Finger sind zu ungeschickt", gestand er, und bezog sich dabei auf die Versendung der Twitter-Botschaften per Handy. Millionen junge Amerikaner hatten vor allem im Wahlkampf angenommen, Hunderte persönlich von Obama verfasste "tweets" gelesen zu haben. Ganz offensichtlich aber hatte das sein fleißiges Kommunikationsteam besorgt.

Ministerpräsident Günther Oettinger

Quelle: dpa

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Februar 2007 - Oettingers "Burschenschaftshumor"

Wäre der Anlass ein offizieller gewesen, hätte Günther Oettinger seine Worte wohl mit mehr Bedacht gewählt. Doch als Ehrengast von Tübingens schlagender Verbindung "Ulmia" nahm es der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg nicht so genau: In trauter Runde seiner alten Landsmannschaft gab Oettinger den Sprücheklopfer. Er ließ sich über Akademiker aus und schwadronierte über die studentischen Verbindungen als "gelebte Generationengerechtigkeit". Die Erkenntnis, dass ohne eine wirtschaftliche Notsituation wie nach 1945 die Wohlstandsgesellschaft nicht zu Gemeinsinn und Fleiß animiert werden könne, fasste Oettinger folgendermaßen zusammen: "Wir sind in der unglaublich schönen Lage, nur von Freunden umgeben zu sein. Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr." Wie dumm, dass zufällig ein Journalist unter den Gästen war. Und so erschienen die Äußerungen des Ministerpräsidenten unter dem Titel "Acht hemdsärmelige Oettinger-Zitate" im Schwäbischen Tagblatt. Die Reaktion kam prompt: Es hagelte Leserbriefe, die Stuttgarter Nachrichten echauffierten sich über den "eigenwilligen Burschenschaftshumor" des Ministerpräsidenten.

Israeli President Moshe Katzav smiles with Russian President Vladimir Putin in Jerusalem

Quelle: REUTERS

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Oktober 2006 - Putins Glückwunsch zur Vergewaltigung

Dass Wladimir Putin eine ganz eigene Vorstellung von Männlichkeit hat, ist hinreichend bekannt. Wie geschmacklos und frauenverachtend die Einstellung des heutigen russischen Premierministers ist, war bis dahin - zumindest der Öffentlichkeit - entgangen: Bei einem Treffen mit dem damaligen Regierungschef von Israel, Ehud Olmert, gratulierte Putin seinem israelischen Amtskollegen Mosche Katzav (im Bild bei einem Treffen im Jahre 2005) zu der mutmaßlichen Vergewaltigung von zehn Frauen. Der damalige russische Präsident hatte offenbar nicht bemerkt, dass die Mikrofone noch eingeschaltet waren und dass sich der mit der Kreml-Berichterstattung beauftragte Journalist Andrej Kolesnikow als einziger Journalist noch im Saal aufhielt. Kolesnikow zitierte Putin wie folgt: "Grüßen Sie Ihren Präsidenten. Was für ein starker Kerl! Zehn Frauen hat er vergewaltigt. Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Er hat uns alle überrascht. Wir beneiden ihn alle."

Hungary's Prime Minister Gyurcsany gives an interview to Reuters in his office in Budapest

Quelle: REUTERS

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September 2006 - Gyurcsánys Lügenrede

Bei einer Rede im Kreise seiner Parteigenossen bringt es Ungarns Premierminister Ferenc Gyurcsány auf den Punkt: "In Europa hat kein Land so einen Unfug getrieben wie wir. Wir haben offensichtlich in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren von Anfang bis Ende gelogen." Was der damalige sozialdemokratische Regierungschef nicht bemerkte: Ein Aufnahmegerät lief mit, später kam die Ansprache an die Öffentlichkeit. Die "Lügenrede" wurde zum Inbegriff des politischen Versagens seiner Partei, es kam zu heftigen Demonstrationen und einem nachhaltigen Vertrauensbruch. Nachdem die Empörung sich beruhigt hatten, setze Gyurcsány einen drauf und erklärte seine Äußerungen mit der angeblichen Feigheit seiner potentiellen Wähler: "Diese Rede richtet sich gegen eine gewisse ungarische Mentalität, gegen die bei vielen Bürgern fehlende Courage für wirkliche Veränderungen." Die Ungarn müssten Abschied von der Illusion nehmen, "dass immer einer sagt, was wir tun sollen, dass immer andere die Verantwortung tragen".

BUSH BEI PERSON

Quelle: DPA/DPAWEB

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Juni 2001 - Bushs Selbstzweifel

Viele Menschen haben sich gefragt, wie George W. Bush es geschafft hat, Präsident der USA zu werden. Eine Frage, die er sich offenbar auch schon selbst gestellt hat - dummerweise vor Publikum. Als Bush zu Beginn seiner Amtszeit, im Juni 2001, mit dem damaligen schwedischen Premierminister Göran Persson (rechts) sprach, machte er seine Selbstzweifel offenkundig: "Es ist unglaublich, dass ich gewonnen habe. Ich bin angetreten gegen Frieden, gegen Wohlstand und gegen die Verfassung." Die Übertragung war zwar schon zu Ende, die Kameras liefen aber noch.

© sueddeutsche.de/vs/bre/isch/liv
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