Wenn Paare um Geld streiten:Erst teilen, dann keilen

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Um nichts streiten Paare öfter und erbitterter als um Geld. Auch wenn sie - wie Paul McCartney und seine Ex Heather Mills - im Überfluss leben.

Nikolas Westerhoff

Silvio Berlusconi verfügt über unfassbaren Reichtum. Auf vier Milliarden Euro wird das Privatvermögen des italienischen Premierministers geschätzt. Nachdem sich der Politiker einige außereheliche Affären zu viel geleistet hat, verlangt seine Frau nun die Scheidung - und einen beträchtlichen Teil des Vermögens. Da könnte Berlusconi ganz gelassen sein, denkt sich der Normalverdiener, vier Milliarden Euro müssten doch für beide reichen. Aber das scheidende Paar streitet und feilscht um jeden Euro.

Paul McCartney und Heather Mills vor dem Scheidungsrichter: gut möglich, dass sich das Paar schon früher über Geld gestritten hat. (Foto: Foto: dpa)

Auch Ex-Beatle Paul McCartney verhielt sich so, als er seinen Rosenkrieg mit Heather Mills ausfocht. 30 Millionen Euro musste er bei seiner Scheidung am Ende überweisen. Rechnete man diese Summe auf die Dauer der Ehe um, bekäme Heather Mills einen Tagessatz von etwa 20.000 Euro. Das ist unglaublich viel Geld, doch anders betrachtet gibt Paul McCartney nur drei Prozent seines Vermögens ab. Würde ein Ehemann, der 300.000 Euro besitzt, nur 9000 Euro an seine Ex-Ehefrau zahlen - man schmähte ihn wohl zu Recht als Geizhals. Trotzdem jammerte Paul McCartney.

Was ist da los? Haben reiche Menschen ein ganz besonderes Problem? Sind sie so geizig, dass sie mit ihren Partnern verbittert über Geld streiten müssen?

Natürlich nicht, Silvio Berlusconi, Paul McCartney und andere reiche Menschen verhalten sich wie normale Paare auch. Während einer Scheidung fechten sie einen Stellvertreterstreit um Geld aus. Eigentlich geht es um eine Abrechnung mit dem ehemaligen Partner.

Was der Öffentlichkeit aber meistens verborgen bleibt: Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich diese Paare schon über Geld gestritten haben, während ihre Ehe noch intakt war. Denn es ist egal, ob Geld im Überfluss vorhanden ist oder ob Paare auf jeden Cent achten müssen - über nichts streiten Männer und Frauen so ausdauernd und unversöhnlich wie über die Finanzen. Psychologen beobachten immer wieder, dass Paare kaum in der Lage sind, den gemeinsam Umgang mit Geld konfliktfrei zu organisieren.

Bei Geldstreitereien sind Männer und Frauen "irrational, verbissen und kindisch", wie Lauren Papp von der University of Wisconsin unlängst bestätigte. Die Psychologin versuchte, die verhängnisvolle Dynamik in Partnerschaften zu ergründen. Sie ließ 100 Paare mit Kindern über zwei Wochen hinweg ein Tagebuch führen. Darin sollten Männer und Frauen getrennt voneinander notieren, welche Streitthemen im Lauf eines Tages auftauchten, wie lange die jeweilige Auseinandersetzung dauerte und woran sie sich entzündete. Wie vermutet, stritten die Paare über kein Thema so zäh und ausdauernd wie über Geld.

Die Mehrzahl der Paare empfand die Konflikte um das Geld als bedrohlich für die gemeinsame Zukunft. Während Männer dabei meist aufgebracht und böse reagierten sowie ihre Partnerinnen häufig beleidigten, zeigten Frauen eher depressive Symptome. Sie beklagten, es gehe unfair in der Partnerschaft zu, gaben sich resignativ und weinten. Bei keinem anderen Konfliktthema fiel es den Eheleuten so schwer, eine Lösung zu finden.

Dass Geld über Glück und Unglück einer Partnerschaft bestimmt, belegte auch eine Studie, die der Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler von der Universität Wien vor einigen Jahren veröffentlichte. Er ließ 40 Paare ein Jahr lang Tagebuch führen. Auch Kirchler kam zu dem Ergebnis, dass ökonomische Themen die konfliktträchtigsten von allen waren. Streitigkeiten ums Geld dauerten im Schnitt 15 Minuten und wurden am häufigsten durch die Frage ausgelöst, für welche Freizeitaktivitäten wie viel Geld ausgegeben werden soll.

Die familiäre Sozialisation der Partner spielt dabei eine wichtige Rolle. "Der klassische Geldkonflikt hat mit der Herkunft der Partner zu tun", sagt die Psychotherapeutin Ulla Sebastian. "Wer aus einer Familie stammt, die sparen musste, der ist im Erwachsenenalter auch eher sparsam." Sparfuchs gegen Verschwender - das ist ein typischer Dauerkonflikt in Beziehungen, der sich im Laufe der Jahre herauskristallisiert. "Menschen aus wohlhabenden Familien sind es nicht gewohnt, auf die Preise von Lebensmitteln zu achten", sagt Ulla Sebastian. Sie finden es kleinkariert, wenn der Partner im Supermarkt nach den billigsten Nudeln sucht. So hat jeder anders gelernt mit Geld umzugehen, und jeder Partner fühlt sich im Recht.

Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite: Was ist der Grund für den Streit ums Geld?

Aus der Studie des Wirtschaftspsychologen Erich Kirchler lässt sich außerdem herauslesen, warum der Streit ums Geld zwischen Paaren häufig so unnachgiebig geführt wird. Sowohl Männer als auch Frauen sind überzeugt, über Gelddinge mehr zu wissen als der Partner. Mit anderen Worten: Ökonomische Entscheidungen müssen jedes Mal verteidigt und mit Argumenten begründet werden. Das ist mühsam und endet oft im Streit. Mal behält der Mann die Oberhand, mal die Frau.

Doch es kommt noch dicker. Je länger eine Partnerschaft dauert, desto schwerer wird es, Geldstreitereien zu vermeiden. Nach Ansicht von Psychologen geht Menschen im Lauf einer langjährigen Beziehung vor allem eines verloren: die Großzügigkeit. Jene Eigenschaft also, die Menschen an Mitmenschen schätzen wie keine andere. Das belegen auch die interkulturellen Studien des Evolutionspsychologen David Buss von der University of Texas in Austin. Ganz gleich, ob es um Geld, Zeit oder Gefühle geht - irgendwann fangen Paare an zu knausern. Und weil sie sich das nicht eingestehen, sehen sie in ihrem Verhalten nichts anderes als eine Erwiderung auf die vermeintliche Engherzigkeit des Partners. Ihre Schutzbehauptung lautet: Wäre der andere nicht so schrecklich knickrig, müsste ich es nicht auch sein. Der Streit ums Geld markiert häufig den Anfang vom Ende einer Leidenschaft und eskaliert bei einer Trennung vollends.

Das Prinzip "Alles in einen Topf"

Wäre es da nicht schlau, von Anfang an getrennte Kassen zu führen? Die meisten Paare werfen stattdessen alles in einen Topf. Laut Umfragedaten entscheiden sich etwa zwei Drittel aller Paare für das Pooling, wie Wissenschaftler die gemeinsame Ehekasse nennen. In diesem Arrangement steckt eine romantische Botschaft: Seht her - wir sind eins, wir vertrauen und unterstützen uns! Es entspricht dem Idealbild, das die meisten Menschen von einer Ehe haben. Wie ein Test der Psychologin Carole Burgoyne von der University of Exeter zeigt, gelten Ehen als mustergültig, in denen beide zu gleichen Anteilen über das Haushaltseinkommen verfügen, unabhängig davon, wer wie viel verdient. Paartherapeuten sehen in dieser Lösung jedoch eine Gefahr, weil diese die Freiheit des Einzelnen einschränkt. Die Ehe könnte dadurch zu einem Kontrollsystem werden, denn gemeinsames Wirtschaften bedeutet auch ständige Erklärungen und Rechtfertigungen.

Das Prinzip "Alles in einen Topf" hat einen weiteren Haken. Wenn Mann und Frau ihre Finanzen gemeinsam verwalten und verwenden, wissen sie genau, wer wie viel Geld beisteuert. Daraus leitet der finanzstärkere Partner häufig unausgesprochen das Recht ab, mehr vom gemeinsamen Geld für seine persönlichen Anliegen auszugeben. Nach Ansicht des Siegener Sozialforschers Wolfgang Ludwig-Mayerhofer ist dieses Arrangement anfällig für "opportunistisches Verhalten". Wenn ein Paar das Geld zusammenwirft, kann sich der weniger wohlhabende Partner leicht auf Kosten des anderen bereichern. Im Pooling mag die romantische Vorstellung einer idealen, gleichberechtigten Partnerschaft stecken, doch in der Realität schützt dies Arrangement nicht vor Ungerechtigkeiten und Streit.

Zusammen leben, getrennt wirtschaften

Es bleibt die Möglichkeit, getrennte Konten zu führen. Zusammen leben, getrennt wirtschaften - nach diesem Prinzip organisieren sich tatsächlich immer mehr Paare. Vor allem gebildete Doppelverdiener, unverheiratete Paare oder Menschen, die schon eine Scheidung hinter sich haben, entscheiden sich für dieses Arrangement. Aber auch getrennte Kassen bergen Konfliktstoff. Häufig gehen sie zu Lasten der Frau und gefährden so den gemeinsamen Frieden, wie die Analyse von Daten aus 34 Ländern nahelegt, die der Soziologe Knud Knudsen von der norwegischen Universität Stavanger veröffentlicht hat. Frauen leisten demnach dreimal so viel unbezahlte Arbeit im Haushalt und in der Familie wie Männer. Diese Zeit fehlt ihnen, um Geld für das eigene Konto zu verdienen.

Außerdem nervt das getrennte Wirtschaften viele Paare. Gemeinsame Posten wie Miete und Strom müssen auseinanderdividiert werden. Dabei stehen die Paare vor dem nächsten Problem: Wie sollen etwa Heiz- und Einkaufskosten aufgeteilt werden? Zahlt der Besserverdienende einen größeren Anteil? Oder zahlt der mehr, der auch mehr verbraucht, etwa länger duscht? Getrennte Konten bei gemeinsamem Haushalt bedeuten vor allem: akribische Buchhalterei und damit verbundenen Streit.

Glaubt man der Wissenschaft, gibt es keine Regelung, die Streit definitiv ausschließt - egal ob man wie Silvio Berlusconi vier Milliarden Euro besitzt oder nur ein kleines Einkommen bezieht. Kein finanzielles Abkommen zwischen Mann und Frau ist krisenfest. Nur Paare, die aus dem gleichen Milieu stammen, die gleich viel Geld verdienen, die sich Haushalt und Kindererziehung gerecht aufteilen und auch noch identische Lebensziele verfolgen, könnten von den Querelen ums Geld verschont bleiben. Vorausgesetzt natürlich, dass sie sich Jahr für Jahr beschenken, loben und nicht verschieden heftig dem Geiz verfallen. Weder dem ökonomischen noch dem emotionalen.

© SZ vom 19.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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