Süddeutsche Zeitung

Weihnachtsmann:Coca Cola? Ach was!

Seit 1931 gibt es den Weihnachtsmann in rot-weißer Kluft, behauptet der Coca-Cola-Konzern. Damals will das Unternehmen die Figur zu Werbezwecken erfunden haben. Stimmt alles nicht, sagt die Sammlerin Christl Hütten.

Charlotte Frank

Seit 1931 gibt es den Weihnachtsmann in rot-weißer Kluft, behauptet der Coca-Cola-Konzern. Damals will das Unternehmen die Figur zu Werbezwecken erfunden haben. Jetzt sind im thüringischen Beuren historische Ansichtskarten aufgetaucht, die belegen, dass es den Weihnachtsmann schon viel länger gibt. Die älteste Weihnachtsmann-Karte von Sammlerin Christl Hütten ist datiert auf 1897.

SZ: Frau Hütten, bislang galt Coca Cola als unangefochtener Erfinder des Weihnachtsmanns - dann kamen Sie mit Ihren Postkarten. Wie ist Ihnen aufgefallen, was Sie da für ein brisantes Objekt in Ihrer Sammlung haben?

Hütten: Das ist mir nicht spontan aufgefallen, das weiß ich schon seit 30 Jahren. Bislang hat sich nur niemand dafür interessiert. Und was hätte ich als Privatperson schon gegen diesen Coca-Cola-Schwindel ausrichten können?

SZ: Wie ist die Sache dann jetzt, nach 30 Jahren, doch noch bekannt geworden?

Hütten: Ein Reporter unserer Lokalzeitung hatte den Auftrag, das genaue Alter des Weihnachtsmanns herauszufinden. Damit kam er aber nicht richtig voran - was er eines Abends ein wenig niedergeschlagen meinem Mann erzählte. Der konnte ihm gleich weiterhelfen: Er gab dem Journalisten einfach den Tipp mit meinen Ansichtskarten.

SZ: Und diesen zufolge gibt es den Weihnachtsmann seit 1897?

Hütten: Vielleicht sogar schon länger. Aber auf besagtes Jahr ist meine älteste Weihnachtsmann-Ansichtskarte datiert. Der Absender war ein Familienvater, der Heiligabend nicht nach Hause kommen konnte. Da hat er seinem Sohn Johannes die Karte geschickt. Ich habe aber noch weitere Exemplare, die stammen aus den Jahren 1904 und 1905.

SZ: Sah der Weihnachtsmann zu Beginn seiner Karriere schon genauso aus wie heute?

Hütten: Nicht immer. In den frühen Darstellungen ist er noch nicht konsequent in Rot gekleidet. Oft wurde er damals auch in brauner oder blauer Kluft abgebildet. Auf einer meiner alten Ansichtskarten trägt er sogar Grün, auf der ältesten allerdings Rot. Als stilbildend für den Weihnachtsmann hat sich diese Farbe allerdings erst später durchgesetzt, möglicherweise sogar durch die Coca-Cola-Kampagne.

SZ: Wie können Sie sich so sicher sein, dass es sich bei der Figur auf Ihrer Karte um den Weihnachtsmann handelt? Es könnte ja auch irgendein rotgekleideter alter Herr sein.

Hütten: Aber dafür ist das Bild auf meiner Karte zu eindeutig: Der Mann im rot-weißen Gewand hat Spielzeug um den Hals gehängt und steht mit zwei Engeln im Schnee vor einem erleuchteten Fenster. Von den Engeln trägt einer einen geschmückten Tannenbaum.

SZ: Auf welchem Wege ist diese Karte eigentlich in Ihre Hände gelangt?

Hütten: Wenn ich das noch so genau wüsste. Wie gesagt, ich sammle ja seit 30 Jahren Karten. Inzwischen besitze ich etwa 4000 Stück, da kann ich mir nicht jede Quelle merken. Aber ich vermute, ich habe die auf einem Flohmarkt gekauft.

SZ: Das ist für Coca Cola natürlich ein ärgerlicher Zufall. Hat sich das Unternehmen in dieser Angelegenheit schon bei Ihnen gemeldet?

Hütten: Bis jetzt noch nicht.

SZ: Und für den Fall dass: Haben Sie schon eine Antwort parat?

Hütten: Wörtlich zurechtgelegt hab ich mir nichts. Aber ich bin nicht auf den Mund gefallen - mir fällt da schon was ein. Ich ärgere mich seit 30 Jahren über dieses lächerliche Weihnachtsmärchen von Coca Cola, das würde ich denen auch ohne Umschweife am Telefon verständlich machen. Wenn das nicht reicht, bin ich auch bereit, eine Kopie der Ansichtskarte als Beweis zu verschicken.

SZ: Was hat Ihr Fund für Folgen für Sie? Fühlen Sie sich jetzt als wahre Entdeckerin des Weihnachtsmannes?

Hütten: Ach was, ich freue mich einfach nur, dass sich die Leute endlich dafür interessieren, was ich schon seit drei Jahrzehnten wiederhole. Davon abgesehen war die einzige Konsequenz der Angelegenheit ein recht unruhiges Weihnachtsfest. Ständig riefen Leute mit Fragen zu meiner Ansichtskarte an. Selbst das Fernsehen interessierte sich für die Sache und schickte ein Kamerateam vorbei.

SZ: Haben auch Leute bei Ihnen angerufen, die Ihnen die Postkarte abkaufen wollten?

Hütten: Auch da gab und gibt es Interessenten. Aber mit denen muss ich mich nie lange aufhalten. Die Antwort auf solche Anrufe ist klar: Meine Postkarten verkaufe ich nicht. Jede einzelne ist mir viel zu wichtig. Die mit dem historischen Weihnachtsmann erst recht.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2007
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