Wallfahrtsort Lourdes:Absolution für vier Aufkleber

Willkommen in Lourdes: Vor 150 Jahren soll Maria dort erschienen sein - seitdem hat sich die Stadt in den Pyrenäen verändert.

In dieser Nacht sind es vielleicht 4.000 Menschen, die mit Lichtern von der Grotte um die gekrönte Madonna zur Basilika der unbefleckten Empfängnis prozessieren. Sie halten Kerzen mit weißen Papierschirmen in der Hand. Von Ferne sieht es aus, als ströme weißglühende Lava um die im Schwarzen liegenden Heiligtümer.

Wallfahrtsort Lourdes: Pilgerort Lourdes: Absolution für vier Aufkleber.

Pilgerort Lourdes: Absolution für vier Aufkleber.

(Foto: Foto: dpa)

"Ave, Ave, Ave", singen die Pilger. Viele gehen an Krücken oder sitzen in Rollstühlen und werden von jungen Mädchen in blau-weiß-gestreiften Kleidern geschoben. Aus dem Meer der wogenden Köpfe ragen Wimpel und Marienfiguren in den schwülen Nachthimmel. Katholiken aus Indien und Südafrika sind darunter. "Bayrisches Pilgerbüro" steht auf einem der Wimpel. Willkommen in Lourdes.

Die Pyrenäenstadt, in der der bettelarmen Müllerstochter Bernadette vor 150 Jahren Maria erschien, ist eines der stärksten religiösen Kraftzentren der Welt. Das Mekka des frömmsten Katholizismus. Sechs Millionen Menschen reisen jedes Jahr zur Grotte, aus deren Quelle das für viele wunderwirkende Wasser sprudelt. In diesem Jubiläumsjahr werden sogar acht Millionen Besucher erwartet.

Der berühmteste, Papst Benedikt XVI., Kommt am Samstag und bleibt für zwei Tage. Obwohl keine französische Stadt außer Paris mehr Hotels als Lourdes hat, sind alle Betten seit Wochen ausgebucht. Dabei ist Benedikt für die Souvenirhändler bislang noch ein Ladenhüter. Verehrt wird dagegen sein Vorgänger Johannes Paul II.

Die Erscheinung der weißen Dame

Zu Zeiten Bernadettes lag am Fuß der Pyrenäen nur ein verschlafenes Nest. Am 11. Februar 1858 geht die 14-Jährige zum Holz- und Knochensammeln in den Wald von Massabielle vor den Stadttoren. Als sie einen Bach durchqueren will, bemerkt sie in einer Grotte eine junge, weiß bekleidete Frau. 17 weitere Marienerscheinungen werden folgen, so steht es in den Annalen der Katholischen Kirche.

Als Bernadette die weiße Dame zum 9. Mal sieht, trägt diese ihr auf, aus "der Quelle" zu trinken. Unter Geröll und Schlamm findet das Mädchen einen Quell. Rasch macht sich die Kunde von ersten Wunderheilungen breit. 1862 wird der Wallfahrtsort von der Kirche anerkannt.

Pablo Baldi ist mit seinem 21-jährigen Sohn, der seit einem Autounfall querschnittsgelähmt ist, aus Mailand gekommen. Auf dessen Schoß im Rollstuhl sitzt die neunjährige Schwester. Baldi hält von hinten den Kopf seines Sohnes, küsst ihn auf den Nacken, und blickt immer wieder zur Marienfigur. Schließlich schiebt er seinen Sohn zu einem der 29 Kräne, aus denen man sich das Lourdes-Wasser abzapfen kann. Alle trinken einen Schluck, der Vater füllt noch einige Flaschen.

"Natürlich wird mein Junge durch das Wasser nicht wieder Laufen lernen", sagt er. "Wir sind gekommen, um Trost zu finden." Seine Frau sei bei dem Autounfall vor einem Jahr ums Leben gekommen. "Hier, am Ort der Erscheinung, spüre ich die Gnade Marias, die Ruhe bei Gott." Das Mysterium von Lourdes, das Millionen Gläubige jedes Jahr erfahren.

"Trullala, Trullala, Hey! Hey!"

Vor den heiligen Stätten zeigt sich das andere Gesicht des Pilgerortes. Als wirke das Lourdes-Wasser wie ein Aufputschmittel, sind die unzähligen Bars und Terrassen in der Avenue Bernadette Soubirous um Mitternacht noch von älteren Damen und Herren bevölkert. In der Lounge des Hotels Solitude liegt schwerer Bierdunst, die Kellner wuchten Maßkrüge auf die Plastiktische. Rund dreißig Pilger aus den USA, den Niederlanden und Deutschland haben sich zusammengefunden, ein 70-Jähriger heizt der Gruppe mit seiner Gitarre ein. "Trullala, Trullala, Hey! Hey!", rufen sie immer wieder. Kegelklubstimmung nach dem Rosenkranz-Gebet. Willkommen in Lourdes.

Für Pater Barzen, der sich um die Deutschen Lourdes-Pilger kümmert, ist die Sache klar. "Es ist nicht das Wasser, das heilt, sondern Gott. Das Wasser ist ein Zeichen für Gott. Und bei den Heilungen von Lourdes geht es um die seelische Heilung, nicht um Krankheiten." Buße, Beichte; die innere Reinigung durch das spirituelle Erlebnis, das ist das Erfolgsrezept von Lourdes.

Um ganz in dessen Genuss zu kommen, hat der Bischof für das Jubiläumsjahr einen Jubiläumsweg mit vier Etappen entworfen: Von der Taufkirche Bernadettes am Wohnhaus ihrer Familie vorbei zur Grotte und schließlich zum Oratorium des Krankenhauses, in dem Bernadette erstmals die Kommunion empfing. An jeder Etappe erhält der Wallfahrer eine Vignette, die auf ein rundes Abzeichen geklebt werden muss. Wer alle Aufkleber zusammen hat, zur Beichte und zur Kommunion gegangen ist, dem gewährt Benedikt XVI. "Eine besondere Gunst, einen 'vollkommenen Ablass", heißt es im Pilger-Leitfaden.

Den Ablass hat wohl auch der Leiter des Generalsekretariats des Heiligen Bezirks nötig. Auf dem Konto Raymond Zambellis, der die Wallfahrtsstätte seit 2003 leitet, fanden sich im Juli 427.000 Euro, deren Herkunft nun Gegenstand polizeilicher Ermittlungen sind.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: