Wald-Workout:Mein Freund, der Baum

Biegsam wie die Weide, stark wie die Eiche: Sommersportler ergänzen ihr Laufprogramm an Ast und Rinde.

Stefan Becker

Als der Herrgott vor vielen Jahren den Menschen schuf, hatte er die dazu passenden Crosstrainer und Laufbänder nicht etwa vergessen, sondern geflissentlich ignoriert. Denn wozu sollen sich vernunftbegabte Wesen mit monströsen Maschinen abmühen, wo sie doch praktisch alles dabei haben für ein perfektes Training - den eigenen Körper. Und der hat Gewicht. Zugegeben: Dieses Gewicht legte besonders in den letzten Jahren mächtig zu und viele Zeitgenossen brauchen mittlerweile Hilfsmittel und Aufseher, um von den erarbeiteten Pfunden wieder runter zu kommen. Aber niemand muss seine Zeit in einem Fitness-Studio vergeuden, wenn draußen die Sonne scheint. Alles was es für den etwas anderen Outdoor-Sport bedarf sind ein Baum, der spendet Schatten und gibt Halt, das Gewicht des eigenen Körpers als Trainingswiderstand und drei unvergessliche Übungen - Klimmzüge, Kniebeugen und Liegestütz.

Wald-Workout: An Ast und Rinde: Klimmzug, Kniebeuge und Liegestütz.

An Ast und Rinde: Klimmzug, Kniebeuge und Liegestütz.

(Foto: Foto: Corbis)

Mag nun auch ein Raunen durch die Reihen gehen, es gibt viele gute Gründe, dass die Schocker aus der Schule wieder salonfähig werden. Denn jeder, der sie ausprobiert, wird perplex sein, wie gut die drei komplexen Übungen tun. Ihre große Stärke: Sie sind kinderleicht und können den obligatorischen Spaziergang oder die übliche Jogging-Runde kräftig aufpeppen. Diese so genannten "Komplex-Übungen" haben den Vorteil, dass sie eine Vielzahl von Muskeln auf einmal trainieren. Das spart Zeit, strengt aber auch ein wenig an und bringt den ganzen Körper in Form, Herz und Kreislauf inklusive. Mehr geht nicht bei einem Workout.

Für die Klimmzüge, seit frühester Jugend Gradmesser für Kraft und Ausdauer, genügt ein stabiler Ast, die Teppichstange im Hof oder die Reckstange auf dem Spielplatz. Dort ist das Risiko allerdings groß, dass einem die Kleinen fürchterlich die Show stehlen. Wahrscheinlich rebellieren die Arme beim ersten Versuch, den Körper in die Höhe zu ziehen, aber das ist völlig normal. Dann am Anfang "einfach abhängen", schön mit gestreckten Armen und durch leichte Zugbewegungen auf und ab baumeln. Wenn die Nase aber den Ast ohne Schrammen passiert, ist der erste Klimmzug vollbracht und der Karriere in der harten Baumschule steht nichts mehr im Wege.

Die erste Komplex-Übung aktiviert die Unterarme, Bizeps besonders und Trizeps latent, die Schultern, den großen Rückenmuskel und auf Wunsch auch den Bauch, wenn die Beine hübsch mitmachen. Das komplette Programm für den Oberkörper entsteht dann in Kombination mit der zweiten Komplex Übung - dem Liegestütz. Die zuvor geschonten Muskeln kommen dabei zum Einsatz: Brust und Trizeps heben und senken den Körper, während alle anderen ihn stabilisieren. Tun sie das nicht, hängt der Bauch durch, die Lenden liegen am Boden und die geturnte Figur ist mehr Bogen als Brett.

Mein Freund, der Baum

Ideal für Anlehnungsbedürftige

Deshalb der Baum: Der Liegestütz funktioniert auch aufrecht. Dazu einfach gerade vor den Baum stellen, die Arme ausstrecken, die Hände fassen den Stamm, der Körper kippt nach vorn. Bei sanftem Nasenkontakt werden die Arme wieder durchgedrückt und die Übung wird so oft wie möglich wiederholt. Denn erst wenn der Muskel die Belastung als solche registriert, reagiert er auch und wird stärker.

Die dritte Übung im Bunde ist die Kniebeuge. Denn nichts trainiert Beine und Po besser als das stete Auf und Ab. Kniebeugen stärken zudem den unteren Rücken, dessen Schwäche so oft Ursprung lästiger und langwieriger Schmerzen ist. Optimal ist die tiefe Kniebeuge, bei der sich die Knie wirklich beugen und der Po fast Bodenkontakt hat. In vielen Fitness-Centern ist diese Variante verpönt, weil sie angeblich die Knie zu stark belastet. Doch die Pseudo-Fitness-Formel "Knie dürfen nicht über die Fußspitzen zeigen beim Beugen, das Gelenk darf nicht weiter als 90 Grad gebeugt werden" sei haltlos, sagen Sportwissenschaftler, Biomechaniker und die Gewichtheber-Fraktion.

Darum, wenn möglich, richtig in die Hocke gehen, dabei ein schönes Hohlkreuz machen und wieder aufrichten. Was so banal klingt, kann einen Ungeübten aber leicht aus der Balance bringen und auch da bietet der Baum den nötigen Halt. Er ist eben der beste Freund fürs Outdoor-Workout. Wenn es das Wetter erlaubt, sollten die Muskeln drei Mal in der Woche trainiert werden. Wichtiger als jeder Übereifer ist die Kontinuität beim Training. Auch wenn anfangs nach ein paar Minuten die Kräfte nachlassen, die Muskeln wachsen nur, wenn sich neue Reize konstant wiederholen. Nun ist jeder im Sommer allen möglichen Reizen ausgesetzt - und selbst wenn der Körper willig ist, ist der Geist manchmal schwach und findet partout nicht den Weg in den Wald. Als Ausrede funktioniert das jedoch nicht, denn die drei komplexen Übungen lassen sich wirklich überall trainieren und selbst Anfänger werden perplex sein, was für einen Spaß das macht.

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