La Boum:Straßenpsychologie

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin macht Urlaub in Norddeutschland und denkt dabei über Asphalt, Haselsträucher und Vogelbeeren nach.

Von Nadia Pantel

In dieser Woche war ich in Norddeutschland. Dort fuhr ich, in der Nähe von Wacken, eine Straße entlang, die sich durch einen ganz besonderen Respekt gegenüber ihrer Umgebung auszeichnete. Für jeden noch so kleinen Haselstrauch machte die Straße eine Kurve. Sie war ganz anders als diese Alpenstraßen, die sich mit hier-komm-ichmäßiger Krawalligkeit durch die Berge hindurchtunneln. Die Landschaft da in der Gegend von Wacken hat gar keine tunnelfähigen Berge. Wenn hier ein Maisfeld zu hoch wächst, fühlen sich die Menschen schon in ihrem Weitblick eingeschränkt. Und trotz dieser völligen Hindernisfreiheit der Landschaft schlängelte sich die Straße zwischen den Feldern hindurch, als wolle sie sichergehen, ja keiner Kuh Umstände zu machen.

Man fragt sich in so einem Moment natürlich: Was für eine Straße wäre ich? Vielleicht so eine fürsorgliche, die auf beiden Seiten der Fahrbahn mit Amphibien-Schildern auf eine aktuelle Krötenwanderung hinweist? Oder eher eine viel zu laute Autobahn, die sich selbst für unverzichtbar hält, aber allen drumherum irre auf die Nerven geht? In meinem Fall würde ich sagen: Ich bin eine Straße, neben der leider das Motel vergessen wurde. Es gibt noch nicht einmal so einen schäbigen "Formule 1"-Hotel-Schuhkarton, wie sie in Frankreich neben den großen Ferienachsen stehen, die in den Süden führen. Denn Sie haben richtig gelesen: Über dieser Kolumne steht Frankreich-Kolumnistin, aber Wacken liegt gar nicht in Frankreich, und eigentlich wäre so ein Urlaub in Norddeutschland eine gute Gelegenheit, mal Pause zu machen. Aber wo, wenn an der Straße kein Hotel steht? Beziehungsweise wie, wenn man vor lauter Kolumnen-Freude versprochen hat, wöchentlich zu liefern?

Hinter einer Wand baute Peter Silie Marihuana an

Wir werden nun also gemeinsam durchbrettern durch diesen Sommer. Als ich diese Woche in der Nähe von Wacken darüber nachdachte, was man von Wacken aus wohl erzählen könnte, reichte mir ein Kind eine Johannisbeere. Kleine Beere, kleine Patschehand, sehr niedlich. Da erinnerte ich mich an meinen früheren Mitbewohner, dem von seinen Eltern ein Name gegeben worden war, der nach dem gleichen Prinzip funktionierte wie "Peter Silie". Jeder Namensteil für sich genommen unauffällig, in Kombination hingegen bemerkenswert albern. Peter Silie hatte in seinem WG-Zimmer eine zweite Wand eingezogen und baute dahinter Marihuana an, auf den ersten Blick unauffällig. Über die Jahre hatte ihn der Konsum bemerkenswert albern gemacht.

Einmal rannte er in die Küche und hatte rote Beeren in der Hand. Keine Patschehand, nicht so niedlich. "Woaaah!", rief Peter Silie, "esst auf keinen Fall die Früchte, die hinter der Mülltonne wachsen, die sind viel zu krass!" Hinter der Mülltonne wuchsen Vogelbeeren. Wäre Peter Silie eine Straße, dann würde er in einer dieser "Die zehn gefährlichsten Straßen der Welt"-Listen auftauchen.

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