Süddeutsche Zeitung

Beliebte Vornamen:Henry - kurz, zeitlos, international

Henry ist der einzige Neueinsteiger in der Top Ten der beliebtesten Vornamen in Deutschland. Warum ist er so beliebt? Ein Anruf bei Namensforscherin Gabriele Rodriguez.

Von Martin Zips

Laut Gesellschaft für deutsche Sprache waren Marie und Paul 2018 die am häufigsten vergebenen Vornamen in Deutschland. Bei den Mädchen folgen Sophie, Maria, Sophia und Emilia auf den Plätzen, bei den Jungen Alexander, Maximilian, Elias und Ben. Überraschungsaufsteiger ist: Henry, von Platz zwölf auf neun, der einzige neue Name in den Top Ten. Ein Klärungsversuch mit Gabriele Rodríguez, Namensgutachterin an der Universität in Leipzig.

SZ: Frau Rodríguez, Henry? Was soll das?

Gabriele Rodríguez: Na ja, in den 60er- bis 80er-Jahren hatte Henry schon einen ersten Höhepunkt, gerade im Osten. Ich kann mich aber auch an eine Anfrage von zwei Akademikern vor zwei Jahren erinnern, die wissen wollten, ob Henry ihr Ansehen in Richtung Unterschicht rücken könnte.

Und? Kann es das?

Natürlich nicht. Dass Henry jetzt so erfolgreich ist, zeigt ja, dass er in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Aber was ist der Grund? Henry Maske?

Den Maske kennt doch heute keiner mehr. Ich glaube, da spielen gleich mehrere Phänomene mit rein. Erstens: Der Trend zu kurzen Namen. Zweitens greifen die meisten heutigen Eltern am liebsten zu zeitlosen Namen. Nehmen sie Ida: Mehr als tausend Jahre alt, aber immer noch beliebt. Seit gut zehn Jahren können wir auch eine Rückkehr zu altdeutschen und germanischen Namen beobachten.

Du liebe Güte!

Ich glaube, das könnte daran liegen, dass es heute wieder beliebt ist, Kinder nach Familienangehörigen zu benennen: Emma, Wilhelm, Ludwig, Otto ...

Adolf?

In Bayern und Österreich gibt es den immer noch. Aber eher als Zweit- oder Drittnamen. Henry könnte den Großvater ehren, der Heinrich oder Heiner hieß.

Ein Rückfall ins Dimpfeltum?

Nein, nein. Ganz entscheidend ist doch, dass Henry - anders als Horst oder Eberhard - auch international funktioniert.

Frau Rodríguez, sind kurze Vornamen heute vor allem deshalb beliebt, weil man sie schneller am Handy tippen kann?

Sie sind ein Trend. Aber einer, der schon länger anhält. Wissen Sie, erst 1920 gestattete ein Gerichtsurteil die Eintragung des Namens Christa. Die Verkürzung des Vornamens Christina war vorher einfach nicht erlaubt. Auch Hannelore, die Kurzform von Johanna und Eleonore, galt - als der Name endlich erlaubt war - als ungeheuer modern. Und nun ist es eben Henry.

Was ist mit Mohammed?

In einigen Bundesländern findet auch der sich unter den Top Ten. Im arabisch-indischen Raum wird der Name sehr häufig als erster Name vergeben, da es im Islam heißt: In jeder Familie muss es mindestens eine Person geben, die Mohammed heißt. Das ist vergleichbar mit uns vor hundert Jahren, als die Namensgebung noch sehr christlich geprägt und daher ziemlich eingeschränkt war.

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Quelle:
SZ vom 03.05.2019
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