Süddeutsche Zeitung

Vor Gericht:Streit um rauchenden Mieter: Stinkt es oder stinkt es nicht?

Lesezeit: 2 min

Von Bianca Hofmann

"Das war wie Körperverletzung", erinnert sich Norbert H. aus dem vierten Stock. "Widerlich", "ekelhaft", ja gar "unerträglich" habe es im Haus gestunken, sagen auch andere Bewohner. Kalter Zigarettenqualm quoll aus der Wohnung des Kettenrauchers Friedhelm Adolfs und breitete sich im Hausflur aus - so beschrieben es zumindest Adolfs' Nachbarn vor Gericht.

Adolfs' Stieftochter, die Stiefenkelin, seine Lebensgefährtin und drei Freunde, von denen er einen übrigens auf einer Demonstration gegen das Nichtrauchergesetz kennengelernt hat, sehen das anders. Im Treppenhaus habe es nach "Putzmittel", "Öl" und "Moder" gerochen, aber nicht nach Tabak.

Was nach einem kleinen Nachbarschaftsstreit klingt, beschäftigt die Düsseldorfer Justiz schon seit drei Jahren. Der Raucher Friedhelm Adolfs ist für sein Laster inzwischen bundesweit fast so bekannt wie der im vergangenen Jahr verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt. Mit dem großen Unterschied, dass Schmidt trotz aller Verbote zugestanden wurde, immer und überall zu rauchen.

Der Fall Adolfs - was bisher geschah

Bei Adolfs ist das anders. Seine Vermieterin kündigte dem heute 78-jährigen Rentner im Januar 2013 fristlos, weil sich einige Nachbarn von seinen Rauchgewohnheiten belästigt fühlten. Adolfs sollte seine Wohnung verlassen - nach mehr als 40 Jahren. Das Düsseldorfer Amtsgericht gab der Vermieterin im Juli 2013 recht, mit der Begründung: Die körperliche Unversehrtheit der Nachbarn sei wichtiger als Adolfs' Recht auf freie persönliche Entfaltung. Der Rentner ging in Berufung, doch auch vor dem Düsseldorfer Landgericht scheiterte seine Klage im Juni 2014.

In der dritten Instanz jedoch kam die Wende: Im Februar 2015 hob der Bundesgerichtshof das Urteil gegen den Rentner auf und ordnete eine Neuauflage des Verfahrens vor dem Düsseldorfer Landgericht an. Der Bundesgerichtshof beurteilte die Beweisaufnahme der Vorinstanzen als ungenügend. Es sei nicht geklärt worden, ob es auch andere Ursachen für den "ekelhaften" Geruch geben könnte, zum Beispiel Schimmel oder Feuchtigkeitsschäden.

Der Prozess um Raucher Adolfs gilt als Präzedenzfall

Immer wieder beschäftigen Streitigkeiten um Zigarettenrauch deutsche Gerichte. Für Aufsehen sorgte zum Beispiel ein Prozess in Brandenburg. Ein Rentner-Ehepaar hatte vor dem Landgericht Potsdam geklagt, weil ihre Nachbarn auf dem Balkon rauchten und sie sich vom herüberziehenden Qualm gestört fühlten. Die Kläger forderten "rauchfreie Zeiten". Ausgang des Verfahrens: noch offen.

Als "Vesuv von Neuss" schaffte es Bürgermeister Herbert Napp 2013 in die Schlagzeilen. Napp qualmte trotz Rauchverbots regelmäßig in seinem Amtszimmer, nach Kritik vom Verband Pro Rauchfrei ließ er gar ein provokantes Schild mit der Aufschrift "Herberts Havanna Lounge" an seiner Tür anbringen. Inzwischen ist der Streit vorläufig geschlichtet: Nun gibt es ein Raucherzimmer, das alle Rathausangestellten nutzen können.

Der Prozess um den Kettenraucher Adolfs gilt inzwischen als Präzedenzfall für das Verhältnis von Rauchern und Nichtrauchern unter einem Dach. Adolfs' Vermieterin muss nun nachweisen, dass der Zigarettenrauch die Gesundheit der anderen Hausbewohner gefährdet. Es geht aber auch um grundlegende Fragen: Wie groß ist die Freiheit des Einzelnen? Wie groß muss die Toleranz seines Umfelds sein? Wie kann man einen Kompromiss finden, mit dem beide Seiten leben können?

Am Mittwoch soll das Urteil fallen

Neun Monate läuft der erneute Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht inzwischen. Diesmal hat sich das Gericht mehr Mühe gegeben und zwölf Zeugen geladen, die zum Geruch in Adolfs' Treppenhaus befragt wurden. Sein Anwalt, Martin Lauppe-Assmann ist optimistisch: "Wir werden gewinnen. Herr Adolfs wird in seiner Wohnung bleiben." Seine Begründnung: "Die eine Hälfte sagt, es hat gestunken und die andere Hälfte sagt, es hat nicht gestunken. Keiner kann das beweisen."

An diesem Mittwoch soll das Urteil fallen. Das heißt jedoch nicht, dass der Fall damit endgültig geklärt sein wird. Adolfs und die Vermieterin könnten sich erneut an den Bundesgerichtshof wenden.

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